Altern ausbremsen, statt nur Symptome bekämpfen
Mit dem Alter steigt auch das Risiko für Krankheiten. Die Gerowissenschaft zielt nicht nur darauf ab, die Symptome von Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Demenz zu verringern, sondern will die Biologie des Alters verändern. Mögliche Methoden sind etwa Kalorienrestriktion, Metformin oder Senolytika. Eine aktuelle Übersichtsarbeit in JAMA zieht Bilanz.

Während sich die bisherige Altersmedizin vor allem auf die Prävention einzelner Krankheiten konzentriert, beschäftigt sich die Gerowissenschaft damit, ob sich dem Altern zugrundeliegende Mechanismen wie Autophagie, Entzündung oder zelluläre Seneszenz günstig beeinflussen lassen. So sollen mehrere altersassoziierte Endpunkte gleichzeitig verbessert werden – von Krankheitsrisiken hin zu Mobilität und Langlebigkeit.
Chronologisches vs. biologisches Altern
Die Medizin unterscheidet heute zwischen dem chronologischen und dem biologischen Alter. Wer biologisch älter als chronologisch ist, hat etwa ein höheres Risiko für Tod, Demenz oder Pflegebedürftigkeit.
Das biologische Alter lässt sich über Laborparameter, epigenetische Marker oder funktionelle Tests wie die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) abschätzen. In der Praxis zählen einfache Messgrössen wie Ganggeschwindigkeit und maximale Belastungskapazität als zuverlässige Prädiktoren.
Kalorienrestriktion verlängert das Leben – zumindest beim Tier
Am besten untersucht ist mittlerweile die Kalorienrestriktion. In Tierexperimenten verlängert sie die Lebensspanne teils um 10-40 %, reduziert altersassoziierte Biomarker, und verzögert die Entstehung zahlreicher Krankheiten.
Beim Menschen ist die Situation hingegen komplexer. Eine Meta-Analyse aus 15 randomisierten klinischen Studien mit 17.186 Teilnehmern mit Adipositas und Diabetes deutet etwa auf eine 15 % niedrigere Gesamtmortalität unter Kalorienrestriktion hin. Auch erste Daten zu modernen GLP-1-basierten Therapien weisen darauf hin, dass die pharmakologisch erleichterte Kalorienrestriktion sich günstig auf die Gesamtmortalität auswirken kann. Grosse Diabetesstudien wie Look AHEAD liefern zudem Hinweise auf weniger neue chronische Erkrankungen.
Offen ist allerdings noch, ob die Kalorienrestriktion auch bei Personen ohne Übergewicht oder Diabetes lebensverlängernd wirkt. Hier belegte bisher nur eine Studie – CALERIE -, dass eine zwei Jahre andauernde moderate Kalorienreduktion bei gesunden Erwachsenen im Alter von 20 bis 50 Jahren biologische Altersmarker günstig beeinflusst. Daten zu «harten» klinischen Endpunkten wie der Gesamtmortalität fehlen allerdings noch vollständig.
Metformin auch für Menschen ohne Diabetes?
Als Kandidat für die pharmakologische Altersbekämpfung gilt das orale Antidiabetikum Metformin. Der Wirkstoff greift gleich in mehrere Alterungswege ein, hemmt mTOR und reduziert die oxidative Belastung. «Wir haben gute Hinweise, dass Metformin bei Menschen mit Diabetes Vorteile hat – von der Herz-Kreislauf-Mortalität bis hin zum Risiko für neurodegenerative Erkrankungen», erklärt Prof. Dr. Steve Kritchevsky, Wake Forest University School of Medicine, im begleitenden JAMA-Podcast.
Die UKPDS-Studie zeigte bei übergewichtigen Patienten mit Typ-2-Diabetes eine um 36% niedrigere Mortalität im Vergleich zu einer alleinigen Diät. In einer Kohortenanalyse mit Veteranen trat Demenz oder Parkinson bei Metformin-Anwendern seltener auf (11,5 vs. 25,5 Ereignisse pro 1000 Personenjahre). Auch während der Covid-19-Pandemie fiel eine niedrigere 28-Tage-Sterblichkeit bei hospitalisierten Patienten unter Metformin auf (16 vs. 24%).
Allerdings stammen diese Daten überwiegend aus Beobachtungsstudien. Für Menschen ohne Diabetes ist ausserdem bislang kaum Evidenz vorhanden – hier müssen Studien erst klären, ob Metformin tatsächlich das Altern verlangsamt, erklärt Prof. Kritchevsky.
Erste Humansignale mit «Rapalogen»
Noch experimenteller sind mTOR-Inhibitoren wie Rapamycin und seine Derivate Everolimus und Sirolimus, die bereits breit in der Transplantationsmedizin eingesetzt werden. In Tiermodellen zählen sie zu den robustesten Substanzen, die das Altern verzögern – selbst, wenn sie erst spät im Leben begonnen werden.
Beim Menschen liegen aber bislang nur kleine Studien vor. In einer Untersuchung verbesserte niedrig dosiertes Everolimus die Immunantwort auf Influenza-Impfungen bei älteren Erwachsenen.
Bevor ein breiter Einsatz in Frage kommt, müssen zudem Dosierung und Intervall sorgfältig untersucht werden: Zu den möglichen – teils stark einschränkenden – Nebenwirkungen gehören Schleimhautläsionen und verzögerte Wundheilung.
Senolytika: Zellen «aufräumen», Entzündung dämpfen
Einen anderen Ansatz verfolgen Senolytika. Substanzen wie Dasatinib/Quercetin oder Fisetin sollen gezielt seneszente Zellen entfernen, die mit dem Alter akkumulieren und über ihr entzündliches Sekretionsprofil die Alterung beschleunigen.
Frühphase-Studien beim Menschen zeigen bereits deren Sicherheit und Effekte bei Alterungs-Biomarkern. Bis klinisch relevante Endpunkte bekannt werden, dürfte es allerdings noch dauern.
Kritisch bleiben!
Prof. Kritchevsky empfiehlt, wachsam gegenüber Heilsversprechen für vermeintliche «Anti-Aging»-Pillen oder Nahrungsergänzungen zu bleiben. Der derzeit boomende Markt zielt darauf ab, seine Produkte aggressiv an Personen zu vermarkten, die Angst vor dem Altern haben. Ein Beispiel sind Wirkstoffe, die angeblich in der Lage sein sollen, Telomere zu verlängern, oder die Vermarktung von Aktivkohle gegen Alterungserscheinungen, berichtet er. Ärzte seien hier gefordert, ihre Patienten realistisch aufzuklären.
- Kritchevsky SB, Cummings SR. Geroscience: A Translational Review. JAMA. 2025 Aug 7. doi: 10.1001/jama.2025.11289.