«HPV und Herpes sind die ‹Big Player› unter den STIs»
In der Praxis stehen häufig bakterielle Erreger wie Chlamydien und Gonokokken im Fokus. Tatsächlich dominieren aber eher virale Infektionen das Geschehen– mit erheblichen Folgen bis hin zu Krebs. Ein Experte fasst die aktuelle Diagnostik, Prävention und Therapie von STIs zusammen.

Sexuell übertragbare Infektionen (STI) gehören weltweit zu den häufigsten Infektionskrankheiten – und die Zahlen steigen weiter. «Wir sprechen davon, dass eine Million STIs täglich dazukommen», betont PD Dr. Giuseppe Magistro, Asklepios Westklinikum Hamburg GmbH.
Besonders virale Infektionen wie das humane Papillomavirus (HPV) und Herpes simplex sind dabei enorm häufig, während bakterielle Infektionen wie Chlamydien, Gonorrhoe und Syphilis zahlenmässig weit dahinterliegen.
In Prognosen zeichnet sich zudem ein alarmierender Trend ab. In 30 Jahren könnten laut einer Analyse etwa mehr Menschen an Infektionen mit multiresistenten Erregern versterben als an Krebs. «Die Infektiologie muss daher als Kernkompetenz jedes Arztes verstanden werden», so PD Dr. Magistro.
Bakterielle STIs: einfache Diagnostik, gezielte Therapie
Zu den wichtigsten bakteriellen Erregern gehören
- Gonokokken (Neisseria gonorrhoeae)
- Übertragung durch direkten Schleimhautkontakt mit infektiösem Sekret (Urethra, Zervix, Rektum, Konjunktiven)
- Chlamydien (Chlamydia trachomatis)
- Übertragung durch sexuellen Kontakt, Schmierinfektion oder perinatal
- Urologisch relevant bei Urethritis, Prostatitis, Epididymitis
- Etwa 80 % asymptomatische Verläufe, dennoch wichtige Überträger
- Mycoplasma genitalium
- Nachweis in ca. 10–35 % der nicht-gonorrhoischen Urethritiden (NGU) ohne Chlamydienbefund
- Führt ein spezielles Resistenzmuster mit sich
- Doxycyclin/Tetrazykline häufig wirkungslos, da hohe Resistenz
Bei klassischen Symptomen wie Ausfluss oder Brennen und relevantem Geschlechtsverkehr empfehlen die Leitlinien, zunächst einen Erregernachweis anzustreben. Eine PCR aus Erststrahlurin ist dabei unkompliziert, hochsensitiv und kostengünstig – und deckt mehrere Erreger ab.
Meist nicht mehr notwendig ist damit heute ein – oft schmerzhafter – Schleimhautabstrich. Eine Ausnahme besteht, wenn ein Antibiogramm erforderlich ist: Hier empfiehlt sich eine Kultur aus Abstrichen.
In der Praxis wird meist bereits vor Vorliegen des Erregernachweises behandelt. Durchgesetzt hat sich dabei eine hochdosierte duale antimikrobielle Therapie bestehend aus einer Kombination aus Ceftriaxon i.v. und Azithromycin p.o. als Single-Shot. «Damit haben Sie den Grossteil der üblichen Verdächtigen abgedeckt», so PD Dr. Magistro. Entscheidend ist ausserdem die Partnerbehandlung, um eine Ping-Pong-Infektion zu vermeiden – auch wenn dies in der Praxis organisatorisch nicht immer einfach umzusetzen ist.
HPV-Impfung: Nachholbedarf bei jungen Männern
Zu den bedeutendsten STI-Erregern zählt HPV – oft mit weitreichenden Folgen. «Rund 5 % aller Krebserkrankungen zeigen eine HPV-Beteiligung», betont PD Dr. Magistro. Besonders relevant sind Hochrisiko-Typen wie HPV 16 und 18, die im Zusammenhang mit Zervix-, Penis-, und möglicherweise Prostatakarzinomen stehen. Niedrigrisiko-Typen wie 6 und 11 verursachen hingegen genitale Warzen.
Die Prävalenz ist hoch: Etwa ein Drittel aller jungen Frauen und Männer trägt einen Hochrisiko-HPV-Typ.
Der Experte hebt dabei die Bedeutung der Prävention hervor: «Die HPV-Vakzine ist der erste Impfstoff gegen onkologische Erkrankungen – das kann man nicht deutlich genug sagen.» In Deutschland sei die Umsetzung jedoch noch unzureichend – besonders bei Jungen.
Idealerweise sollte die Impfung sowohl bei Mädchen und Jungen vor dem 15. Lebensjahr abgeschlossen sein– noch vor dem ersten Geschlechtsverkehr. Ab dem 18. Lebensjahr fällt die Immunantwort deutlich schwächer aus – eine spätere HPV-Impfung bietet daher nur noch eingeschränkten Schutz. In Erwägung ziehen könne man sie bei Patienten mit anogenitalen Manifestationen, wenn eine Typisierung zeigt, dass nicht alle im Impfstoff enthaltenen Hochrisiko-Typen vorliegen. So lässt sich die weitere Infektionskette möglicherweise durchbrechen.
PD Dr. Magistro empfiehlt für die Praxis: «Fragen Sie Männer in der Sprechstunde ruhig nebenbei, ob sie Söhne haben – und weisen Sie auf die HPV-Impfung hin.»
Für die Behandlung von Genitalwarzen (Condylomata acuminata) stehen verschiedene lokale und chirurgische Verfahren zur Verfügung. Eine klare Überlegenheit einer Methode gibt es nicht. Die Wahl richtet sich nach Grösse, Lokalisation und der Erfahrung des Behandlers.
Topische Therapie:
- Podophyllotoxin (zytotoxisch)
- Imiquimod (Immunmodulator, TLR-Agonist)
- Sinecatechine (pflanzlicher Extrakt, immunologisch wirksam)
Chirurgische Verfahren:
- Exzision
- Lasertherapie
- Kauterisierung
- Kryotherapie
- Trichloressigsäure
Bei atypischen Läsionen oder grossen Condylomen sollte zusätzlich eine histopathologische Abklärung erfolgen, um auch präkanzeröse Veränderungen nicht zu übersehen.
Herpes simplex: Weit verbreitet, hoch ansteckend
«Fast vier Milliarden Menschen unter 50 sind weltweit infiziert mit dem Herpes-simplex-Virus; eine halbe Milliarde hat genitale Manifestationen», erklärt PD Dr. Magistro. Vor allem bei jüngeren Menschen müsse man HSV wegen seiner hohen Kontagiosität und Infektionsrate immer im Hinterkopf behalten. Auch hier gibt es sehr viele asymptomatische Träger, die für die Infektionen verantwortlich sein können.
Zwei Varianten sind in der Urologie und Gynäkologie besonders relevant:
- HSV-1 («Herpes labialis»), verantwortlich für Lippenherpes, verursacht auch rund 20 % der genitalen Läsionen.
- HSV-2 («Herpes genitalis»), klassisch für genitale Infektionen, ist für etwa 80 % der genitalen Läsionen verantwortlich.
Die Diagnose einer genitalen HSV-Infektion gelingt oft schon klinisch. Für den Erregernachweis sollte jedoch der Bläscheninhalt per PCR untersucht werden. Therapeutisch stehen orale antivirale Wirkstoffe zur Verfügung – sowohl in der Primärtherapie als auch bei Rezidiven. Letztere sind aufgrund der Persistenz der Herpesviren in den Ganglien häufig und erfordern in der Praxis immer wieder eine erneute antivirale Behandlung.
Magistro G. Urologische Infektionen & HPV & STD. WebUp Urologie, 21. August 2025