Kolonkarzinom: «Bewegung wirkt besser als eine Standardtherapie»
Die erste randomisierte kontrollierte Studie zur Wirksamkeit einer strukturierten Bewegungsintervention bei einer Krebserkrankung sorgte am ASCO-Jahreskongress für Standing Ovations. Erstmals könne man Patienten nur mit hoher Evidenz sagen, dass Sport die Prognose beim Kolonkarzinom verbessere, sagt Dr. Christopher M. Booth (Queen’s Universitys, Ontario), Leiter der CHALLENGE-Studie. Zentral für die Adhärenz und Wirksamkeit sei dabei aber auch, die Patienten bei ihren Bemühungen nicht allein zu lassen.

Dass es eine starke Assoziation zwischen Bewegung und Kolonkarzinom-spezifischen Überlebens-Outcomes gibt weiss man bereits seit Längerem – das zeigte etwa im Jahr 2024 eine Meta-Analyse der 167 bereits vorhandenen Studien.
Allerdings basierten die meisten dieser Daten auf Beobachtungsstudien. Diese haben insbesondere aufgrund des sogenannten Selbstselektionseffektes aber nur eingeschränkte Aussagekraft: «möglicherweise machen sportliche Menschen vieles anders», so Dr. Booth.
Die randomisierte kontrollierte Phase-III-Studie CHALLENGE (CO.21), die ein Bewegungs-Interventionsprogramm bei Kolonkarzinom-Patienten prüfte, ist daher ein echter Meilenstein (2,3).
Eingeschlossen wurden Patienten mit reseziertem Kolonkarzinom im Stadium III oder im Hochrisiko-Stadium-II mit kürzlich abgeschlossener Chemotherapie. Nach Erhebung ihrer Basis-Fitness wurden sie randomisiert entweder einem Kontroll- oder Interventions-Arm zugeteilt.
Info-Material gegen Personal Trainer
Während die Kontrollgruppe lediglich Info-Material mit Empfehlungen zu Lebensstil und Bewegung erhielten, bekamen die Teilnehmer im Interventionsarm zusätzlich über drei Jahre einen finanzierten Personal Trainer (z.B. Physiotherapeut, Kinesiologe) zur Verfügung gestellt. Ziel war eine Steigerung der körperlichen Aktivität um zehn Metabolic Equivalent of Task (MET)-Stunden pro Woche. Das entspricht rund 2,5 Stunden zügigem Gehen oder entspanntem Schwimmen, einer Stunde Joggen oder vier Stunden moderatem Radfahren.
Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS), sekundär unter anderem Gesamtüberleben (OS), Fitness, Sicherheit und Adhärenz.
Die Forscher schlossen 889 Patienten aus 55 Zentren und sechs Ländern ein, die meisten davon aus Kanada und Australien (medianes Alter 61 Jahre, 51% Frauen, 90% im Stadium III). 76 Prozent der Patienten hatten FOLFOX oder CAPOX-Therapien erhalten – es handelte sich dabei also überwiegend um fitte Patienten.
Insgesamt 63 Prozent der Teilnehmer hielten die strukturierte Bewegungsintervention die gesamten drei Jahre durch. Sie erreichten und erhielten dabei ein signifikant höheres Aktivitätslevel als die Kontrollgruppe, und schnitten besser bei objektiven Fitnessmessungen wie dem 6-Minuten-Gehtest, und der VO2max ab.
Verbesserung von DFS, OS um 30%
Die Bewegungsintervention reduzierte das DFS-Risiko um 28 Prozent (Hazard Ratio [HR] 0,71; 95%-KI: 0,55 – 0,94; p = 0,017). Dies betraf sowohl Rezidive als auch sekundäre Malignome (z.B. Prostata- oder Brustkrebs). Innerhalb des medianen Nachbeobachtungszeitraums von 7,9 Jahren verbesserte sich das 5-Jahres-DFS von 74 Prozent im Kontroll-Arm auf 80 Prozent im Interventionsarm, was einer Number Needed to Treat (NNT) von 16 entspricht.
Auch das OS verbesserte sich signifikant: Nach acht Jahren lebten im Kontrollarm noch 83 Prozent der Patienten, im Interventionsarm 90% (HR 0,63; 95%-KI: 0,43-0,94; p=0,022; NNT 14). Dieser OS-Vorteil beruhte dabei nicht auf weniger kardiovaskulären Ereignissen, sondern war auf eine Reduktion der kolorektalen Krebstodesfälle zurückzuführen, wie Dr. Booth betonte.
Auch im Vergleich der Bewegung mit anderen Interventionen – etwa der adjuvanten Chemotherapie mit Oxaliplatin beim Kolonkarzinom, oder zielgerichteten Therapien mit Osimertinib oder Durvalumab beim NSCLC – sei die Effektstärke mit einer siebenprozentigen absoluten Verbesserung des OS mindestens vergleichbar. «Bewegung steht manchen sehr effektiven Standardtherapien in nichts nach», so Booth.
Einziges Sicherheitssignal war ein leichter Anstieg muskuloskelettaler Verletzungen (19 vs. 12 %).
Tipps für mehr Sport-Bereitschaft beim Patienten
Viele Krebspatienten haben allerdings Schwierigkeiten damit, die Motivation für mehr Sport in ihrem Alltag aufzubringen. «Vielleicht hilft diesen Patienten jetzt dieser definitive Beweis dafür, dass sie ihre Rezidiv- und Überlebensprognose verbessern können, wenn sie sich mehr bewegen», sagt Booth.
Andererseits reiche es laut dem Experten wohl nicht aus, Patienten nur gute Ratschläge zu geben. «Wir müssen den Sport in unseren Spitälern und unseren Gesundheitssystemen implementieren, um Erfolg zu haben. Zumindest sollte in jedem Zentrum ein Sportberater erreichbar sein, um vor Ort eine erste Begeisterung für Sport beim Patienten zu erwecken». Zur Ressourcenschonung könne die weitergehende Betreuung dann auch virtuell erfolgen.
- Booth CM et al. A randomized phase III trial of the impact of a structured exercise program on disease-free survival (DFS) in stage 3 or high-risk stage 2 colon cancer: Canadian Cancer Trials Group (CCTG) CO.21 (CHALLENGE). Abstract # LBA3510
- Courneya KS et al. Structured Exercise after Adjuvant Chemotherapy for Colon Cancer. N Engl J Med. 2025 Jun 1. doi: 10.1056/NEJMoa2502760.