Medical Tribune
19. Mai 2025Target Krankheitsgedächtnis der Haut

Wird die Psoriasis in zehn Jahren heilbar?

Bei der Psoriasis gibt es mittlerweile Therapieerfolge, von denen man etwa bei atopischen Erkrankungen nur träumen kann, sagt Prof. Dr. Curdin Conrad, CHUV Lausanne. In den kommenden zehn Jahren wollen Mediziner den immunologischen und epigenetischen Vorgängen des Krankheitsgedächtnisses der Haut zu Leibe rücken – und damit die Erkrankung bei einigen Patienten möglicherweise sogar heilen. Das setzt aber voraus, dass neu diagnostizierte Patienten schon jetzt richtig behandelt werden.

In zehn Jahren wird man wohl einige Psoriasis-Patienten heilen können.
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«Die Psoriasis ist geradezu das Posterchild einer TH17-vermittelten Erkrankung» erinnert Prof. Dr. Curdin Conrad, Leiter von Poliklinik und Psoriasiszentrum am CHUV Lausanne im Zuge seines Vortrages auf der DDG-Tagung (1).

Im Gegensatz zu anderen inflammatorischen Dermatosen wie der atopischen Dermatitis zeige die klassische Plaque-Psoriasis dabei nur selten ein Mischbild mit anderen inflammatorischen Modulen wie dem TH1- oder dem TH2-Signalweg.

«Kaum ein Psoriasis-Patient, der nicht auf TH17-Blockade anspricht»

Das therapeutische Niveau ist dadurch mittlerweile hoch, berichtet der Experte. Kaum ein Psoriatiker, der nicht auf die mittlerweile zahlreichen anti-TH-17 oder TH-23-Inhibitoren anspricht.

Die Biologika bieten dabei noch weitere Vorteile: Sie haben ein sehr gutes Sicherheitsprofil, und ermöglichen zusätzlich eine individualisierte Behandlung (z.B. IL-23-Blocker für Patienten mit schwerem Hautbefall, übergewichtige Betroffene oder gleichzeitiger chronisch-entzündlicher Darmerkrankung, IL-17-Inhibitoren, wenn eine Gelenkbeteiligung vorliegt oder ein schneller Wirkungseintritt gewünscht ist).

Problematischer ist hingegen immer noch die Behandlung anderer Psoriasisformen – etwa der zusätzlich interferongetriebenen Formen der akuten (erythrodermischen) Psoriasis und der Psoriasis guttata, oder die zusätzlich IL-36-vermittelten pustulösen Varianten, die palmoplantare pustulöse Psoriasis (PPP) und die generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP).

Kann man bald von Heilung sprechen?

«Bei der Plaque-Psoriasis haben wir jetzt klinische Resultate, von denen wir beispielsweise bei den atopischen Erkrankungen noch weit entfernt sind. Möglicherweise können wir in zehn Jahren von Heilung einzelner Patienten sprechen.» fügt Prof. Conrad hinzu.

Zumindest sei man derzeit auf einem guten Weg, bei manchem Menschen eine echte Remission zu erreichen oder den Krankheitsverlauf dauerhaft zu modifizieren.

Prof. Conrad berichtet von einer Patientin, die im Rahmen einer Studie mit dem IL-17-Inhibitor Secukinumab eine schnelle und vollständige Remission erreichte. Nach einem Jahr musste sie die Studie aufgrund einer grösseren Zahn-OP verlassen, und setzte alle Medikamente ab. «Sechs Jahre später ist sie weiterhin in kompletter Remission – ohne jegliche Therapie».

Ein glücklicher Einzelfall ist das nicht. Heute weiss man, dass ca. zehn Prozent der Patienten nach ein bis zwei Jahren Therapie auch nach Beendigung der Therapie in Remission bleiben.  

Behandlung nicht verzögern um Remission zu ermöglichen

Mehrere Faktoren begünstigen die behandlungsfreie Remission. Die wichtigste: eine kurze Krankheitsdauer vor Therapiebeginn. «Je früher die Therapie eingeleitet wird, desto höher ist die Chance, dass Patienten langfristig krankheitsfrei bleiben», so Prof. Conrad

Das zeigen auch die Daten aus zwei klinischen Studien mit Secukinumab (2). Patienten, die ihre Therapie innerhalb des ersten Jahres nach Krankheitsbeginn starten, blieben oft ein Jahr nach dem späteren Absetzen der Therapie symptomfrei. Vergingen fünf Jahre oder mehr bis zum Therapiebeginn, war dieser Effekt meist nicht mehr zu beobachten. «Dann war es auch egal ob fünf oder 15 Jahre nicht behandelt wurde – das ‚Window of Opportunity‘ war dann zu», sagt Prof. Conrad. Spät behandelte Patienten können dann zwar vielleicht eine Remission erreichen, die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften Anhaltens ist aber deutlich geringer.

Auf das Krankheitsgedächtnis der Haut abzielen

Offenbar passiert also in den ersten Jahren der Psoriasis etwas mit der Haut, was die Langzeitprognose mitbestimmt – und eine grosse Bedeutung für künftige Therapieentscheidungen hat.

Um das zu verstehen, muss man sich ansehen, wie ein Rezidiv nach erfolgreicher Therapie überhaupt entsteht. «Ein Relapse entsteht nicht zufällig, sondern tritt typischerweise exakt an den Hautstellen auf, an denen zuvor Läsionen bestanden haben» sagt Prof. Conrad. «Das spricht dafür, dass die Haut ein Krankheitsgedächtnis hat.»

Noch deutlicher zeigt sich das bei den fixen Formen des toxischen Arzneimittelekzems, das typischerweise konsequent an derselben Stelle auftritt. Selbst nach Abheilen der Läsionen sind Epikutantests dann innerhalb der betroffenen Stellen noch positiv – Hautstellen ausserhalb allerdings nicht.

Schuld daran sind mit hoher Wahrscheinlichkeit die sogenannten gewebsresistenten T-Gedächtniszellen (Tissue-resident Memory T Cells, TRM). Das sind spezifische T-Zellen, die sich an betroffenen Stellen «einnisten», und selbst nach Abklingen der Immunreaktion dauerhaft in der Haut verbleiben. Tritt der Trigger erneut auf, werden sie rasch aktiv.

Darüber, ob man diese TRM-Zellen gezielt entfernen kann oder überhaupt sollte, gehen die Meinungen derzeit auseinander. In der GUIDE-Studie sah man beispielsweise, dass das möglicherweise nicht realistisch oder zumindest extrem schwierig sein könnte, sagt Prof. Conrad. «Das ist vielleicht auch gut so, denn TRM-Zellen haben ja auch eine Schutzfunktion – vor Infektionen, möglicherweise auch vor Tumoren.» Ein «natürliches Experiment» ist das seltene Hyper-IgE-Syndrom. Hier fehlen weitgehend die TH17-Zellen der Haut– die Betroffenen zeigen eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Infektionen, etwa mit Staphylococcus aureus oder Candida albicans. Die meisten der hautansässigen TRM-Zellen schützen also möglicherweise vor Infektionen, eventuell auch gegen Krebs.

Urzeit-Vorgänge in der Haut rückgängig machen

Wesentlich früher als die TRM-Zellen, das T-Zell-Gedächtnis, oder überhaupt das adaptive Immunsystem entstand in der Evolution aber noch ein weiteres Immungedächtnis - das archäologisch uralte «Innate» oder «angeborene» Immungedächtnis. Dieses beruht darauf, dass Zellen des angeborenen Immunsystems – etwa Monozyten – durch bestimmte Stimuli epigenetisch verändert werden können. Das geschieht beispielsweise durch Histon-Acetylierung oder DNA-Methylierung. «Diese Veränderungen führen zu einer Art funktioneller Prägung. So ‚trainierte‘ Monozyten reagieren auf erneute Stimuli schneller und stärker – ein effektiver, angeborener Schutz», sagt Prof. Conrad.

Nicht immer aber werden die Immunreaktionen stärker mit wiederholtem Kontakt. Beim rezidivierenden Erysipel nimmt sie im Verlauf der Erkrankung ab. Während also das erste Auftreten meist mit Fieber und starker Reaktion einhergeht, verlaufen spätere Episoden oft ohne systemische Symptome. «Auch das beruht auf einer genetischen Toleranzentwicklung von Monozyten und Neutrophilen», so der Experte.

Das epigenetische Immungedächtnis könnte dabei nicht nur auf Immunzellen beschränkt sein. Neuere Studien zeigen, dass auch Keratinozyten oder epidermale Stammzellen darauf zurückgreifen können. Das würde auch erklären, wie Psoriasis-Rezidive entstehen: Die epigenetisch geprägten Hautgewebszellen würden dabei immer wieder T-Zellen reaktivieren.

Psoriasis-Narben durch frühe Behandlung verhindern

Anders als Genmutationen oder gewebsresidente T-Zellen sind diese epigenetischen Veränderungen möglicherweise weniger stabil und theoretisch reversibel, erklärt Prof. Conrad. Damit stellen sie einen potenziellen Therapieansatz dar. Das untersuchte die STEPIn-Studie, bei der Psoriasis-Patienten mit kurzer Krankheitsdauer (new-onset-Psoriasis, weniger als ein Jahr) mit jenen verglichen wurde, die bereits mehr als fünf Jahre erkrankt waren (late-onset-Psoriasis). Alle wurden ein Jahr lang mit Secukinumab behandelt. Vor, während und nach der Therapie wurden den Patienten Hautbiopsien entnommen.

Ähnlich wie in der GUIDE-Studie zeigte sich auch hier: Patienten mit neuer Psoriasis sprachen nicht nur schneller und besser auf die Therapie an. In ihrer Haut normalisierten sich die epigenetischen Psoriasis-Muster, während in der Langzeit-Kohorte epigenetische Veränderungen, – «epigenetische Narben» – bestehen blieben.

Zeit für einen Paradigmenwechsel

Für Prof. Conrad ist für die aktuellen Behandlungsalgorithmen eines klar: Will man die epigenetischen Hautveränderungen verhindern oder irgendwann rückgängig machen, muss man sofort angemessen behandeln – denn verpasst man das «Window of Opportunity», lassen sich diese Narben nicht mehr vollständig auflösen.

Zeit also für einen Paradigmenwechsel, so der Experte. «Das Ziel muss es sein, früh und effizient zu behandeln, um die Entzündung rasch zu unterdrücken und die Entstehung epigenetischer Narben zu verhindern.»