Medical Tribune
24. März 2025Revolution in der Diagnostik

Wearables in der Kardiologie – Chance oder Herausforderung?

Immer mehr Patientinnen und Patienten bringen selbst aufgezeichnete EKGs aus Smartwatches & Co. mit in die Sprechstunde – oft ungefragt. Was früher Holter-EKG oder Loop-Recorder war, übernehmen heute AliveCor & Apple Watch. Wie sinnvoll ist das Screening mit Wearables wirklich? Und wie lassen sich die Daten klinisch einordnen? Das erläuterte PD Dr. Patrick Badertscher, Kaderarzt Kardiologie, Universitätsspital Basel, am FomF Allgemeine Innere Medizin Update Refresher.

Immer mehr Patienten kommen mit Daten von Wearables zum Kardiologen.
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Bisher erfolgte die kardiale Diagnostik primär durch ärztlich initiierte Untersuchungen wie Holter-EKG, Loop-Recorder oder neu auch einen EKG-Patch. Wearables führen dagegen zu einem konsumentengesteuerten Ansatz, bei dem die Nutzer EKGs selbst aufzeichnen und die Befunde präsentieren.

«Wir werden zunehmend mit Ergebnissen konfrontiert, die wir nie angefordert haben», erklärte PD Dr. Badertscher. Dies stellt Ärzte vor neue Herausforderungen.

Bedeutung bei paroxysmalen supraventrikulären Tachykardien

Wearables eignen sich besonders zur Dokumentation von paroxysmalen supraventrikulären Tachykardien (PSVT), die oft jüngere Menschen und Frauen betreffen. Da die Episoden häufig nur sporadisch auftreten, sind sie mit einem 24-Stunden-EKG schwer zu erfassen. Nicht selten erhalten Betroffene fälschlicherweise die Diagnose Panikattacke.

Durch kontinuierliches Tragen einer Smartwatch lassen sich solche seltenen Episoden dokumentieren, was eine gezielte Diagnostik ermöglicht. Gut geeignet sind laut PD Dr. Badertscher beispielsweise die AliveCor oder eine Smartwatch.

QTc-Monitoring hat noch Schwächen

Eine verlängerte QTc-Zeit kann zu potenziell lebensgefährlichen Arrhythmien führen. Zwar stehen erste Wearables wie die FDA-zertifizierte AliveCor Kardia Mobile 6L oder die Withings ScanWatch zur QTc-Analyse zur Verfügung, doch zeigt die Korrelation mit dem 12-Kanal-EKG derzeit noch Messabweichungen von ± 20 ms. Für den klinischen Alltag ist dies zu ungenau.

Smartwatches erkennen Vorhofflimmern entweder durch Photo­plethysmographie (PPG) oder ein Ein-Kanal-EKG, das weniger anfällig für Artefakte ist. Hersteller wie Apple, Fitbit und Huawei haben umfangreiche Studien zur PPG-Messung durchgeführt. Die positiv prädiktiven Werte für das Vorliegen eines Vorhofflimmerns variieren jedoch stark (Apple 84 %, Fitbit 98 %, Huawei 92 %, eBraveHeart 35 %).

Das Ein-Kanal-EKG ist zusätzlich mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet. In der Basler Wearable-Studie (1), die fünf verschiedene Devices untersuchte, lagen Sensitivität und Spezifität für die Entdeckung eines Vorhofflimmerns zwischen 70 und 80 Prozent. «Man muss also damit rechnen, dass es einen Prozentsatz an falsch negativen oder falsch positiven Befunden geben wird», so PD Dr. Badertscher. Er warnte auch vor Fallstricken: Die Geräte erkennen kein Vorhofflattern und bei einer zu schnellen oder zu langsamen Herzfrequenz auch kein Vorhofflimmern. Die Diagnose «Vorhofflimmern» muss in jedem Fall ein Arzt bestätigen.

Screening auf VHF: Sinnvoll oder nicht?

Das Screening auf Vorhofflimmern bleibt kontrovers. Die dänische LOOP-Studie untersuchte beispielsweise das kontinuierliche Monitoring mit dem implantierbaren Loop-Recorder, die beste Methode für ein Screening (2). Bei einem VHF über mindestens sechs Minuten erhielten die Patienten eine orale Antikoagulation. Im Ergebnis gab es keinen signifikanten Nutzen hinsichtlich der Reduktion von Schlaganfällen oder systemischen arteriellen Embolien.

Obwohl mehr Vorhofflimmern entdeckt wurde, profitierten die Patienten nicht von der Antikoagulation, so PD Dr. Badertscher. Eine mögliche Erklärung ist der «Hawthorne-Effekt», der besagt, dass allein die Studienbeteiligung die Versorgung verbessert. Zudem ist die Schwelle, ab der eine Antikoagulation sinnvoll ist, unklar. Auch sind nicht alle Schlaganfälle durch VHF bedingt.

Die Leitlinien sind in puncto Screening nicht einheitlich. Während die ESC-Guidelines eine 1b-Empfehlung bei Patienten über 65 Jahre und Palpitationen geben, empfehlen die US-Leitlinien dies nicht.

Die Vielzahl an EKG-Aufzeichnungen wirft die Frage auf, wie diese sinnvoll in den klinischen Alltag integriert werden können. Die Basel Wearable Clinic bietet mittlerweile an, dass Patienten dort Ein-Kanal-EKGs hochladen können und innerhalb von 24 Stunden eine fachärztliche Beurteilung erhalten.