Medical Tribune
25. Feb. 2025Braucht das N-Stadium der TNM-Klassifikation eine Erweiterung?

Kolonkarzinom: Präzisere Prognosefindung mit Tumor-Deposits

Eine kürzlich in JAMA Surgery veröffentlichte Studie untersuchte die Einbeziehung von Tumor-Deposits in die N-Stadienklassifikation bei Kolonkarzinomen. Die Forscher konnten zeigen, dass eine Stadieneinteilung unter Berücksichtigung dieser Tumor-Absiedelungen prognostisch der aktuellen AJCC-Klassifikation hinsichtlich des Gesamtüberlebens überlegen war.

Die Integration von Tumordeposits in die TNM-Klassifikation könnte beim Kolonkarzinom von Vorteil sein.
Juan Gärtner/stock.adobe.com

Bei rund einem Fünftel der Patienten mit kolorektalen Karzinomen werden Tumor-Deposits nachgewiesen. Dabei handelt es sich um lymphknotenartig organisierte Tumorzellnester im perikolorektalen Fettgewebe innerhalb des Lymphabflussgebietes des Primärtumors.

Tumor-Deposits in der 8. AJCC-Klassifikation

Mehrere Studien weisen dabei darauf hin, dass das Vorhandensein von Tumor-Deposits die Prognose von Patienten mit kolorektalen Karzinomen negativ beeinflusst, schreiben die Autoren in der aktuellen Arbeit (1).

Die 8. Auflage der American Joint Committee on Cancer (AJCC)-Klassifikation berücksichtigt Tumor-Deposits allerdings nur dann, wenn keine positiven Lymphknoten vorhanden sind (N1c: LN = 0 mit Tumor-Deposits). Ab dem ersten positiven Lymphknoten fliessen Tumor-Deposits hingegen nicht mehr in das Tumorstaging ein, «obwohl Tumorabsiedlungen einen prognostischen Einfluss haben wie positive Lymphknoten», so die Studienautoren.

«Wir stellen die Hypothese auf, dass das derzeitige AJCC-Staging-System das Risiko birgt, Patienten mit Tumorabsiedlungen zu niedrig einzustufen.»

Die schlechte Prognose von Patienten mit Tumor-Deposits könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass Patienten im Stadium N1c seltener eine adjuvante Chemotherapie erhalten als Patienten mit Lymphknotenmetastasen.

Das Sassun-Mayo-Staging-system

Die Forscher entwickelten daher das «Sassun-Mayo-Staging-System» für das Kolonkarzinom, das sowohl Tumor-Deposits als auch positive Lymphknoten berücksichtigt, und sich an den Prinzipien der AJCC-Stadieneinteilung orientiert.

Sie validierten das System in einer retrospektiven Kohortenstudie mittels Daten von 788 Patienten der Mayo Clinic, sowie von 77.790 Patienten aus der National Cancer Database. Dabei verglichen sie die Stadieneinteilung nach Sasssun-Mayo N/TNM mit der nach AJCC N/TNM hinsichtlich ihrer Fähigkeit, das 3-Jahres-Gesamtüberleben vorherzusagen. In beiden Kohorten fanden die Forscher bei rund 20 Prozent der Patienten Tumor-Deposits.

Tumor-Deposits: Berücksichtigung identifiziert Hochrisikopatienten präziser

Die Ergebnisse zeigten, dass in der institutseigenen Kohorte die Genauigkeit für die Vorhersage des Todes innerhalb von drei Jahren bei Anwendung des N-Stagings nach Sassun-Mayo jenes nach AJCC übertraf (Area under the curve [AUC]: 0,64 vs. 0,62; p = 0,33).
Das galt auch für das TNM-Staging nach Sassun-Mayo im Vergleich zum AJCC-Staging (AUC: 0,66 vs. 0,63; p = 0,19).

Die Kaplan-Meier-Kurven zeigten zudem beim Gesamtüberleben (OS) und beim krankheitsfreien Überleben (DFS) eine bessere Statifizierung im Sassun-Mayo-Staging. Beim AJCC Staging gab es hingegen einen sichtbaren Overlap zwischen den N-Stadien.

Mit der Sassun-Mayo-Stadieneinteilung wurden 94 (11,9%) Patienten der Mayo-Clinic von N1 auf N2 hochgestuft. Das ging mit einem 5,1-prozentigen Unterschied beim 3-Jahres-OS zwischen diesen Patienten und den Sassun-Mayo-N1-Patienten einher.

Zusätzlich wurden 4,4 Prozent der Patienten von N2a auf N2b hochgestuft, was mit einem 21,2-prozentigen Unterschied beim 3-Jahres-OS assoziiert war.

In der nationalen Kohorte verhielt es sich ähnlich. Die von N1 auf N2 hochgestuften Patienten hatten ein 3-Jahres-Überleben von 87 Prozent, das identisch zu dem der AJCC-N2a-Patienten ohne Tumor-Deposits war. Die von N2a auf N2b hochgestuften Patienten hatten ein vergleichbares 3-Jahres-OS wie AJCC-N2b-Patienten ohne Tumor-Deposits.

Implikationen für die Praxis

Die Autoren betonen, dass eine Implementierung Sassun-Mayo-Stagings die Prognosefindung beim Kolonkarzinom verbessern könnte.

In einem begleitenden Kommentar (2) weisen die beiden gastroenterologischen Chirurgen Dr. Alizeh Abbas und Dr. Daniel I Chu darauf hin, dass der Ausschluss von Tumor-Deposits bei der Stadienbeurteilung zu einem Unter-Staging führen könnte – mit potenziellen Auswirkungen auf die Behandlung.

«Dies ist besonders wichtig, da wesentliche klinische Entscheidungen – insbesondere hinsichtlich der Chemotherapie bei Kolonkarzinom im Stadium III – derzeit durch das Tumorstadium geleitet werden.»

Limitationen der Studie

Zu den Hauptlimitationen der Arbeit gehört die retrospektive Natur der Kohortenstudie sowie die fehlende Berücksichtigung der verschiedenen Chemotherapie-Regime, die bei den Patienten angewendet wurden.