Medical Tribune
15. Dez. 2024Rehydrieren, rehydrieren, rehydrieren

Was Kindern bei Durchfall wirklich hilft

Durchfallerkrankungen zählen zu den weltweit häufigsten Todesursachen bei Kindern unter sechs Jahren und führen oft zu Mangelernährung bei unter Fünfjährigen. Dies betrifft nicht nur Entwicklungsländer – auch in Industriestaaten sterben Kinder an den Folgen von Durchfall, obwohl wirksame Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind.

Besorgte Mutter gibt ihrem im Bett liegenden kranken Kind ein Glas Wasser.
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Die wichtigste Säule der Therapie bei Kindern mit Diarrhö ist die Rehydrierung.

Ein wichtiger Indikator für eine Gastroenteritis bei Kindern ist die Stuhlkonsistenz. Zwar versteht man unter Durchfall (Diarrhö) definitionsgemäss

  • Eine verringerte Konsistenz,
  • Eine erhöhte Stuhlfrequenz von mindestens drei Entleerungen pro Tag und
  • Ein Stuhlvolumen von > 20 g/kg/d.

Doch in der Praxis analysiere man so gut wie nie das Stuhlvolumen, erklärt Prof. Dr. Jernej­ Dolinšek­ vom Medizinischen Zentrum der Universität Maribor (1).

Auch die Bewertung der Konsistenz spiele im Klinikalltag eine geringere Rolle.

Diarrhö-Klassifikation nach Dauer und osmotischer Lücke

Eine Diarrhö lässt sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren. Je nachdem, wie lange die Beschwerden andauern, unterscheidet man zwischen

  • akut (< 7 Tage),
  • anhaltend (> 7 Tage) und
  • chronisch (> 14 Tage).

Anhand der osmotischen Lücke wird zudem zwischen osmotischer (> 100 mOsm/kg) und sekretorischer Diarrhö (< 50 mOsm/kg) differenziert.

In Europa tritt vor allem die osmotische Form auf. Da diese durch die Aufnahme von schlecht oder nicht resorbierbaren Substanzen verursacht wird, hilft Betroffenen eine Nahrungskarenz. Bei einer sekretorischen Diarrhö bringt die Fastenphase hingegen nichts oder nur wenig.

Sie kann durch bakterielle Toxine ausgelöst werden und ist mit einer erhöhten Morbidität sowie Mortalität assoziiert.

Hinter akutem Durchfall stecken meist Viren

Prof. Dolinšek empfiehlt allerdings auch die Einteilung nach Ursachen; etwa physiologische (z. B. Alaktasie), infektiöse, medikamentöse (z. B. Antibiotika).

Eine akute Diarrhö hat etwa oft infektiöse Ursachen: In 70 Prozent der Fälle sind Viren verantwortlich, in 20–30 Prozent Bakterien und in zwe bis fünf Prozent Parasiten. Häufige Erreger sind Rota-, Noro- und Adenoviren sowie Campylobacter und Salmonellen.

Für die Diagnostik ist insbesondere die Anamnese wichtig. Aus­serdem können verschiedene Laboranalysen durchgeführt werden. Allerdings bewertet der Referent diese bei Kindern lediglich in bestimmten Fällen als sinnvoll.

So lässt sich mittels mikrobiologischer Tests und Genanalyse zwar der Erreger identifizieren, aber am Ende ist es nicht die Infektion selbst, sondern die Dehydrierung, die zum Tod führt, betonte Prof. Dolinšek­.

Die Behandlung der jungen Patienten basiert daher vor allem auf zwei Pfeilern: Rehydrierung und Ernährung.

Säfte und Cola sind keine Alternativen zur Trinklösung

Die wichtigste Therapiesäule ist die Rehydratation, so Prof. Dolinšek­. Laut Europäischer Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) sollte diese bei Kindern oral mit einer Trink­lösung erfolgen oder, falls nötig, mit einer nasogastralen Sonde. Die Zusammensetzung variiert je nach Richtlinie.

Säfte oder Cola zählen nicht als Alternative für eine solche Trinklösung, bemerkt Prof. Dolinšek­. Es gebe zwar Studien, die ergaben, dass verdünnter Apfelsaft eine Besserung bringen kann – das gelte aber nur bei mildem Durchfall.

Intravenöse Rehydrierung oft nicht leitliniengemäss

Auch wenn orale Rehydratations­lösungen empfohlen werden, zeigt die Praxis ein anderes Bild. Eine italienische Studie ergab, dass in 42 Prozent der Fälle intravenös rehydriert wurde, nur in 17 Prozent oral.

Diese Ergebnisse gelten auch für andere Länder, so Prof. Dolinšek. Und das, obwohl eine intravenöse Rehydrierung nur in bestimmten Situationen angebracht ist, z. B. bei Schock, Bewusstseinsstörung oder wenn sich das Kind immer wieder übergeben muss. Der Referent erklärte das damit, dass viele Eltern eine intravenöse Rehydrierung erwarten würden. Zudem gehöre die intravenöse Rehydrierung meist zum Standard­ablauf, den man in einer Klinik erst mal durchbrechen müsste.

Probiotika als Ergänzung zur Rehydrierung

Probiotika wie Saccharomyces boulardii, Lactobacillus rhamnosus oder Limosilactobacillus reuteri können die Rehydrierung ergänzen. Studien bestätigen einen möglichen Nutzen, jedoch mit geringem Evidenzgrad, schränkt Prof. Dolinšek ein.

Stillenden rät er, auch bei akutem Durchfall weiter zu stillen. Kinder, die keine Muttermilch mehr erhalten, sollten im Krankenhaus laktosefreie Milch bekommen. Medikamentös lassen sich Beschwerden mit Racecadotril lindern.