Medical Tribune
14. Dez. 2024Aufklären, absetzen, Alternativen finden

Schwangere mit Hypertonie sollten auf RAS-Hemmer verzichten

Nicht wenige Frauen nehmen während der Schwangerschaft blutdrucksenkende Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems ein – trotz ihrer embryotoxischen Wirkung. Fetale Schäden drohen bereits im ersten Trimenon, was die Aufklärungsarbeit umso wichtiger macht.

RAS-Hemmer sollten in der Schwangerschaft keinesfalls eingenommen werden.
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Erst der Contergan-Skandal führte dazu, dass Medikamente auf potenziell embryotoxische Wirkung geprüft werden müssen.

Prof. Dr. Gilbert Schönfelder vom Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin erklärt, dass nicht nur die Dosis eines Medikaments das Risiko bestimmt. Auch die Dauer und der Zeitpunkt der Exposition spielen eine wichtige Rolle, ob der Wirkstoff dem Fötus schaden kann (1).

Von ACE-Hemmern und Sartanen weiss man, dass sie während der Schwangerschaft zu einer Anurie und einem Fruchtwassermangel führen können.

Dem Kind drohen durch die Exposition schwerwiegende Folgen: Schädel- und/oder Lungenhypoplasie, Gelenkkontrakturen, Hohlvenenthrombosen bis hin zum neonatalen Tod sind möglich.

Trotz entsprechender Warnhinweise nehmen manche Frauen diese Medikamente weiterhin ein. Prof. Schönfelder führt dies darauf zurück, dass Patientinnen mit Hypertonie oder anderen Erkrankungen, die eine blutdrucksenkende Therapie erfordern, oft vor der Schwangerschaft auf diese Präparate eingestellt werden. Die Aufklärung von Frauen im gebärfähigen Alter sollte daher ein zentraler Punkt bei der Verordnung von RAS-Hemmern sein.

Von RAS-Hemmern wird in jedem Trimenon abgeraten

Das Fetopathierisiko gilt als besonders hoch, wenn die Exposition im zweiten und/oder dritten Trimenon stattfindet. Doch auch im ersten Trimenon können ACE-Hemmer und Sartane dem Fötus schaden und kongenitale Erkrankungen wie Septumdefekte verursachen. Daher rät Prof. Schönfelder von deren Anwendung während der gesamten Schwangerschaft ab.

Patientinnen mit Schwangerschaftswunsch sollten auf eine alternative blutdrucksenkende Therapie mit geeignetem Sicherheitsprofil umgestellt werden. Ist die Fortführung der Medikation zwingend erforderlich, muss die Patientin engmaschig überwacht werden. Tritt die Schwangerschaft unter RAS-Hemmern ein, sollte die Behandlung sofort beendet oder umgestellt und ein Oligohydramnion ausgeschlossen werden.

Medikamente ab einem Blutdruck ≥ 140/90 mmHg

Dass Schwangere mit Hypertonie eine blutdrucksenkende Therapie benötigen, steht ausser Frage. Mehrere Leitlinien empfehlen, ab einem Blutdruck von ≥ 140/90 mmHg medikamentös einzugreifen. Zwei Studien, auf die Dr. Lucas Bacmeister vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg hinweist, stützen diese Empfehlung.

2015 ergab etwa die CHIPS-Studie, dass eine strenge Einstellung mit einem diastolischen Zielwert von 85 mmHg im Vergleich zu einer weniger strengen (Zielwert 100 mmHg) keine Nachteile für die fetale Entwicklung hat. Die CHAP-Studie verdeutlichte 2022, dass sich schwerwiegende Ereignisse wie Plazentaablösung oder vorgeburtlicher Kindstod unter Antihypertensiva dadurch eher verhindern lassen, als wenn die Frauen nicht bzw. erst spät (ab Werten ≥ 160/105 mmHg) behandelt werden.

Aufgrund der aktuellen Studien- und Sicherheitslage sind die Kalziumantagonisten Nifedipin, Methyldopa und der Alpha-/Betablocker Labetalol zu bevorzugen. Dr. Bacmeister ergänzt, dass bei Methyldopa häufig ein zweites Präparat zur Wirkverstärkung benötigt wird.

Auf Warnsignale achten

Wie hoch ist das Präeklampsierisiko?

Bei bis zu acht Prozent aller Schwangerschaften entwickelt sich eine Prä­eklampsie. Zusammen mit einer gestationsbedingten Erhöhung von Herzzeitvolumen, Herzfrequenz und linksventrikulärer Masse trägt eine exzessive Hormon­ausschüttung u. a. von Activin A zur Entstehung bei. Kopfschmerz, Augenflimmern und rechtsseitiger Oberbauchschmerz stellen die wichtigsten Warnsignale dar, erinnerte Dr. ­Bacmeister.

Von Bedeutung ist die möglichst frühe Risikoabschätzung. Denn werden Schwangere mit einem erhöhten Präeklampsierisiko noch vor der 16., idealerweise ab der 12. Schwangerschaftswoche (SSW) mit 150 mg ASS täglich behandelt, lässt sich das Risiko für die frühe Manifestation (vor der 37. SSW) um ca. 60 Prozent reduzieren. Die etwas häufigere, aber mit einer niedrigeren Morbidität assoziierte Prä­eklampsie nach der 37. SSW kann man hierdurch allerdings nicht verhindern.

Ein hohes Risiko für eine Prä­eklampsie haben Frauen mit:

  • einer hypertensiven Erkrankung während einer vorherigen Schwangerschaft
  • Autoimmunerkrankungen wie systemischem Lupus erythematodes oder Antiphospho­lipidsyndrom
  • Diabetes Typ 1 oder 2
  • chronischer Hypertonie

Ein moderates Risiko besteht, sobald mindestens zwei der folgenden Faktoren vorliegen:

  • erste Schwangerschaft
  • Alter ≥ 40 Jahre
  • Schwangerschaftsintervall ist länger als zehn Jahre
  • BMI ≥ 35 kg/m2
  • Präeklampsie in der Familienanamnese
  • Mehrlingsschwangerschaft