Medical Tribune
23. Nov. 2024Gründe für die Ohnmacht

Synkopen strukturiert abklären

Die Synkope betrifft mit einer Lebenszeitprävalenz von 40 Prozent viele Menschen und ist daher ein wichtiges Thema in der Medizin. Ein systematisches Vorgehen hilft dabei, Ursachen zu klären und Hochrisikopersonen zu erkennen.

Synkopen sind ein häufiges Problem.
Andrey Popov

Synkopen lassen sich nach ihrer Ursache in

  • Reflexsynkopen,
  • orthostatische Synkopen, und
  • kardiale Synkopen

einteilen.

Allen gemeinsam ist aber die unzureichende Gehirnperfusion, die zu plötzlicher Bewusstlosigkeit führt, erklären Dr. Manuel Vogel und Prof. Dr. Thomas Fischer vom Universitätsklinikum Würzburg in ihrer Übersichtsarbeit (1).

Einteilung der Synkopen

Reflexsynkopen

Der am häufigsten vorkommenden Reflexsynkope liegt etwa eine Überaktivierung des Parasympathikus und eine Hemmung des sympathischen Nervensystems zugrunde. Sie kann beispielsweise bei

  • langem Stehen,
  • Schmerzen,
  • Angst,
  • Miktion,
  • Defäktion, oder
  • Husten

auftreten.

Ebenfalls dazu gehört das Karotissinussyndrom. Der kardioinhibitorische Subtyp führt dabei durch Bradykardie und eventuell Asystolie zur Synkope, während der vasodepressorische Subtyp auf Blutdruckabfall und Vasodilatation beruht.

Orthostatische Synkopen

Beim Wechsel in eine aufrechte Position sinkt der Blutdruck, was normalerweise durch physiologische Mechanismen ausgeglichen wird. Fehlt allerdings die sympathikusvermittelte Vasokonstriktion, tritt eine orthostatische Synkope auf. Zu den möglichen Ursachen gehören dabei

  • Flüssigkeitsmangel,
  • bestimmte Medikamente,
  • hohe Temperaturen oder
  • Alkoholkonsum.

Bei neurogener orthostatischer Hypotonie stören hingegen Erkrankungen wie

  • Morbus Parkinson,
  • Diabetes mellitus oder
  • Amyloidose

das autonome Nervensystem.

Therapieansätze

Die Therapie sowohl der Reflex- als auch der orthostatischen Synkope zielt darauf ab, Synkopen zu reduzieren und Stürze zu verhindern. Aufklärung und Lebensstiländerungen sind dabei entscheidend. Counter-Pressure-Manöver, ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, Ausdauertraining und das Vermeiden von langem Stehen helfen. Weitere Optionen sind ausserdem die Anpassung der Medikation, Mineralokortikoide, Alpha-1-Agonisten oder ein Herzschrittmacher. Bei orthostatischen Synkopen unterstützen dynamisches Stehen, Gehen und Kompressionsstrümpfe.

Kardiale Synkopen

Kardiale Synkopen erfordern eine rasche Diagnose und Therapie. Sie treten oft mit Dyspnoe, Angina pectoris, Schwindel oder Palpitationen auf und können in jeder Körperposition ohne Vorzeichen vorkommen. Herzkrankheiten, die zu kardialen Synkopen führen, erhöhen dabei die Mortalität.

Man unterscheidet rhythmogene Ursachen (z. B. Bradykardien, AV-Block, ventrikuläre Herzrhythmusstörungen) und strukturelle Herzerkrankungen (z. B. Aortenklappenstenose, Myokardinfarkt, Vorhofmyxom). Die Behandlung reicht dann von Operationen über Schrittmachertherapie und Katheterablation bis zu Medikamenten, abhängig von der Ursache.

Für alle Synkopenarten sind Anamnese, körperliche Untersuchung, Blutdruckmessung im Liegen und Stehen sowie ein 12-Kanal-EKG die Basisdiagnostik. Bei Verdacht folgt eine gezielte Synkopenanamnese mit standardisierten Fragebögen. Bei orthostatischer Hypotonie empfiehlt sich ein Schellong-Test oder aktiver Stehtest.

Stationäre Abklärung bei Hochrisikofaktoren

Führt die erste Untersuchung nicht zur Diagnose, raten die Autoren zunächst zu einer systematischen Risikoanalyse. Sie unterscheiden dabei zwischen Niedrigrisikofaktoren, die auf Reflex- oder orthostatische Synkopen hinweisen, und Hochrisikofaktoren, die eine stationäre Abklärung erfordern.

Die weiterführende Diagnostik richtet sich nach Symptomen und Verdacht. Mögliche Untersuchungen sind:

  • Kipptisch-Untersuchung
  • Karotissinus-Massage (unter Vorsicht, Kontraindikation prüfen)
  • 24h-Blutdruckmessung
  • EKG-Monitoring (ggf. per Loop-Rekorder)
  • Echokardiografie
  • elektrophysiologische Untersuchung
  • Belastungsuntersuchungen
  • neurologische Vorstellung

Die wichtigste Differenzialdiagnose ist der epileptische Anfall, erkennbar an längeren Muskelkontraktionen, anhaltender Bewusstlosigkeit und oft einem lateralen Zungenbiss, Aura oder Déjà-vu-Erlebnissen.

Kriterien zur Risikoabschätzung

Niedriges Risiko:

  • typische Prodromi (z.  B. Schwindel, Hitzewallungen, Schweissausbruch)
  • typische Auslöser (z. B. längeres Stehen, Aufrichten, Husten, Defäkation)
  • Karotissinussyndrom
  • keine strukturelle Herzerkrankung
  • unauffällige körperliche Untersuchung, normales EKG

Hohes Risiko:

  • Synkope bei körperlicher Belastung
  • vorher Palpitationen, pekt­anginöse Beschwerden, Dyspnoe, Bauch-/Kopfschmerzen
  • kardiale Grunderkrankung
  • plötzlicher Herztod in der Familienanamnese
  • Synkope im Sitzen
  • keine Prodromi
  • in der körperlichen Untersuchung: Hypotonie, Bradykardie, neues Systolikum, auffälliges EKG