Medical Tribune
7. Aug. 2024Lungenerkrankung von der Küchenarbeitsplatte

Silikosen durch Kunststein werden häufiger

Küchenarbeitsplatten aus Kunststein sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch praktisch und pflegeleicht. Doch ein Team von Lungenärzten warnt nun vor der Gefahr, die von Kunststein ausgeht: Silikosen, die immer häufiger bei Arbeitern in der Produktion auftreten.

Das Zuschneiden und Polieren von Kunststein ist ein gefährliches Geschäft.
Sahaidachnyi Roman/stock.adobe.com

Eine kürzlich in der Zeitschrift Thorax veröffentlichte Arbeit beschreibt die ersten acht Fälle von Kunststein-Silikosen in Grossbritannien (1).

Das Team aus Pneumologen empfiehlt aufgrund der Häufung der Fälle grundlegende Massnahmen vor allem für kleine Unternehmen, sowie das Verbot von Kunststein.

Silikosen durch Kunststein

Die Silikose ist eine schwere chronische Lungenerkrankung, die durch das Einatmen von kristallinem Silikatstaub hervorgerufen wird. Besonders gefährdet sind Menschen, die im Bergbau, in der Bauindustrie oder als Steinmetze arbeiten. Sie kommen regelmässig mit den inhalierbaren Partikeln in Berührung.

Die neue Studie legt auch ein hohes Risiko für Personen nahe, die in der Produktion von Kunststein tätig sind.

Kunststein, auch bekannt als Quarzstein, lässt sich aus zerkleinerten Gesteinen herstellen, die mit Harzen und Pigmenten gebunden sind. Seit rund 20 Jahren wird Kunststein vor allem für Küchenarbeitsplatten verwendet, da er ästhetisch ansprechend, widerstandsfähig und leicht zu pflegen ist.

Gefahren der Trockenbearbeitung

Mit der zunehmenden Beliebtheit von Kunststein steigen jedoch auch die Fälle einer schweren und schnell fortschreitenden Silikose an.

Seit 2010 wurden Fälle von Kunststein-Silikose aus Israel, Spanien, Italien, den USA, China, Australien und Belgien gemeldet. Im Vereinigten Königreich gab es bis Mitte 2023 keine Fälle, bis acht Männer an eine spezialisierte Klinik für Berufslungenerkrankungen überwiesen wurden.

Die Kunststein-Silikose wird durch den hohen Silikatgehalt des Materials von über 90 % im Vergleich zu Marmor (3 %) oder Granit (30 %) sowie durch den feinen Staub, der beim Schneiden entsteht, verursacht.

Besonders gefährlich ist die Trockenbearbeitung von Kunststein. Beim Zuschneiden und Polieren der Arbeitsplatten wird oft ohne Wasser gearbeitet, was die Staubentwicklung erheblich erhöht.

Betroffene und ihre Symptome

Im Durchschnitt waren die betroffenen Männer 34 Jahre alt, das Alter reichte von 27 bis 56 Jahren. Sechs der acht Männer waren nicht in Grossbritannien geboren, sieben rauchten oder hatten früher geraucht. Im Durchschnitt waren sie 12,5 Jahre gegenüber dem Steinstaub exponiert, wobei die Spanne von vier bis 40 Jahren reichte. Vier der Männer waren zwischen vier und acht Jahren exponiert. Sie schätzten, dass 50 bis 100 Prozent der von ihnen verwendeten Materialien Kunststein war.

Alle Männer arbeiteten für kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern. Sie waren für die Endbearbeitung, also das Schneiden und Polieren der Arbeitsplatten vor der Installation, zuständig. Diese Tätigkeiten wurden ohne konsequente Wassersuppression und ohne angemessenen Atemschutz durchgeführt. Auch die Werkstattbelüftung war unzureichend gewartet. Keiner der Männer war sich einer aktiven Luftstaubüberwachung am Arbeitsplatz bewusst.

Atembeschwerden, Infektionen, erhöhtes Serum-ACE

Die Symptome der Kunststein-Silikose bei den acht Männern umfassten hauptsächlich respiratorische Beschwerden, die bei einigen Betroffenen zunächst anderen Ursachen – darunter Sarkoidose – zugeschrieben wurden. In der Bildgebung zeigten sich Silikoproteinose sowie einfache und komplizierte Formen der Silikose. Häufige Laborbefunde waren Lymphopenie und erhöhte Serum-ACE-Werte. Die meisten Patienten hatten histologische Hinweise auf nicht-verkäsende Granulome. Zwei Männer erhielten eine Behandlung gegen nicht-tuberkulöse Mykobakterien, die aus Bronchialspülproben isoliert wurden.

Ein Patient mit akuter Silikoproteinose unterzog sich einer therapeutischen Ganzlungen-Lavage (whole lung lavage, WLL) mit anfänglicher klinisch-radiologischer Verbesserung, gefolgt von einem späteren Rückfall. Zwei Betroffene wurden für eine Lungentransplantation in Betracht gezogen.

Trotz medizinischer Warnungen arbeiteten drei der Männer nach ihrer Diagnose weiterhin mit Kunststein und berichteten über eine reduzierte Staubbelastung nach Einführung von Atemschutzgeräten und Wassersuppression. Einer der Betroffenen war zum Zeitpunkt der Publikation bereits verstorben.

Forderungen nach mehr Arbeitssicherheit

Die Autoren der Studie betonen, dass das Auftreten der Krankheit wahrscheinlich mit den Expositionsniveaus zusammenhängt, was darauf hindeutet, dass die Expositionsniveaus in einigen Fällen extrem hoch waren und die Arbeitgeber es versäumten, die Staubbelastung zu kontrollieren und die Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Den Markt für Kunststein dominieren in Grossbritannien kleine Unternehmen, bei denen die Durchsetzung von Vorschriften eine Herausforderung darstellt.

Um eine «Epidemie» der Kunststein-Silikose aufzuhalten, empfehlen die Autoren eine gesetzliche Meldepflicht für Fälle von Kunststein-Silikose, die Umsetzung von Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften mit einem Schwerpunkt auf kleine Unternehmen und sogar ein Verbot von Kunststein.

In einem begleitenden Editorial (2) bedauert Dr. Christopher Barber vom Sheffield Teaching Hospital das Wiederaufflammen der ältesten berufsbedingten Lungenkrankheit, der Silikose. Er weist darauf hin, dass Ärzte Schwierigkeiten haben könnten, die Anzeichen und Symptome der Kunststein-Silikose von der Sarkoidose zu unterscheiden, da diese ähnliche klinische Merkmale aufweist.

Arbeitnehmerschutz gegen Silikosen in der DACH-Region

In der Schweiz, Deutschland und Österreich gibt es strenge Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer vor der Exposition gegenüber kristallinem Silikatstaub. Alle drei Länder haben umfassende Regelungen und Standards, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, insbesondere in Branchen wie Bau, Bergbau und Steinbearbeitung, wo das Risiko einer Silikose besonders hoch ist, und kontrollieren die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen systematisch. Darunter sind etwa Schulungen über Arbeitsschutz der Arbeitnehmer, regelmässige Luftmessungen, und Schutzmassnahmen der Arbeitnehmer.