Medical Tribune
25. Juli 2024«Extreme Grenzwerte bringen wenig, und belasten Patienten zusätzlich»

Studie hinterfragt salzarme Ernährung bei Herzinsuffizienz

Eine Übersichtsarbeit legt nahe, dass eine strikte Salzrestriktion bei Herzinsuffizienz-Patienten keinen signifikanten Einfluss auf Sterblichkeit oder Hospitalisierungsraten hat. Das stellt die langjährige Behandlungspraxis infrage.

Eine salzarme Ernährung ist für Patienten mit Herzinsuffizienz oft schwierig zu kontrollieren und durchzuhalten.
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Eine salzarme Ernährung ist für Patienten mit Herzinsuffizienz oft schwierig zu kontrollieren und durchzuhalten.

In der im European Journal of Clinical Investigation veröffentlichten Übersichtsarbeit (1) analysierte Dr. Paolo Raggi von der University of Alberta alle relevanten klinischen Studien zur salzarmen Ernährung bei Herzinsuffizienz-Patienten, die zwischen 2000 und 2023 erschienen sind.

Obwohl eine mässige bis strenge Salzrestriktion in einigen Studien die Lebensqualität und den Funktionsstatus verbessern konnte, beeinflusste sie weder Sterblichkeit noch Krankenhausaufenthalte. Für Dr. Raggi ist das ein Hinweis, die Kontroverse um eine stark eingeschränkte Salzzufuhr zu beenden.

Strenge Grenzwerte umstritten

«Ärzte sträuben sich oft dagegen, uralte Lehrmeinungen zu ändern, die keine wirkliche wissenschaftliche Grundlage haben; wenn jedoch neue gute Beweise auftauchen, sollten wir uns bemühen, sie zu übernehmen», sagt Dr Raggi in einer Pressemeldung zur Studie.

Herzinsuffizienz betrifft Millionen Menschen weltweit. Traditionell riet man Patienten, ihre Salz- bzw. Natriumaufnahme teils drastisch zu reduzieren, um das Herz zu entlasten und Flüssigkeitsansammlungen zu vermeiden.

Empfehlungen zur salzarmen Kost bei Herzinsuffizienz-Patienten umfassen in extremen Fällen die Zufuhr von weniger als 800 mg Natrium täglich. Und auch für Gesunde empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation derzeit eine Natriumzufuhr von weniger als 2 g pro Tag (5 Gramm Salz pro Tag).

Unter Experten sind die strengen Grenzwerte umstritten. Die Empfehlungen stützen sich vor allem auf die einflussreiche DASH-Sodium-Studie (2) und mehrere andere Studien, die einen Nutzen einer salzarmen Ernährung bei der Kontrolle von Bluthochdruck und der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse, vor allem bei Hypertonikern, zeigten.

Diese Studien hatten jedoch meist nur eine kurze Beobachtungsdauer, schreibt Dr. Raggi. Dass Patienten über längere Zeit eine strikte Salzreduktion durchhalten, ist laut anderen Untersuchungen eher unwahrscheinlich.

Kein Effekt der Salzreduktion auf Mortalität und Hospitalisierungen

Dr. Raggi analysierte Studien mit Teilnehmerzahlen zwischen 12 und 203 Patienten, darunter stationäre und ambulante Studien, und mit Patienten mit reduzierter und erhaltener Auswurffraktion. Die Salzinterventionen reichten von extremer Reduktion (<800 mg Natrium pro Tag) bis zu moderaten Ansätzen (2-3 g Natrium pro Tag).

Keine der Studien zeigte dabei, dass eine salzarme Ernährung, unabhängig vom Grenzwert, die Sterblichkeits- oder Hospitalisierungsrate verringerte.

Lange fehlten auch grosse, randomisierte Studien zur Natriumrestriktion bei Herzinsuffizienz. Das änderte sich mit der multizentrischen, randomisierten SODIUM-HF-Studie (3). Diese wurde jedoch nach der ersten Zwischenanalyse wegen Nichtwirksamkeit abgebrochen, auch die Covid-19-Pandemie erschwerte das weitere Vorgehen. Zusammengenommen zeigte sie ebenfalls, dass eine salzarme Ernährung die Gesamtmortalität und kardiovaskulär bedingte Hospitalisation nicht senken konnte.

Salzarme Kost kann Lebensqualität und funktionellen Status verbessern

Allerdings verbesserte die Natriumreduktion in der SODIUM-HF-Studie die Lebensqualität und den funktionellen Status nach NYHA-Klassifikation. Das legten auch einige kleinere Studien nahe.

«Eine moderate Natriumzufuhr von 3 bis 4,5 g pro Tag scheint sinnvoll zu sein, um die Lebensqualität und den funktionellen Status von Herzinsuffizienz-Patienten zu verbessern, auch wenn sich dadurch die Lebenserwartung und die Hospitalisierungsrate nicht verbessern», schreibt Dr. Raggi.

Bei Patienten mit wiederholten Krankenhausaufenthalten wegen Flüssigkeitsüberladung könne eine Zufuhr von 2-3 g pro Tag empfehlenswert sein. Tiefere Restriktionen hält der Autor nur bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung für sinnvoll.

Flüssigkeitsrestriktion nur sinnvoll bei begleitender CKD?

Neben der Salz- ist auch die Flüssigkeitsrestriktion (meist auf weniger als einen oder 1,5 Liter pro Tag) eine gängige Praxis in der Behandlung von Herzinsuffizienz. Diese soll das Herz entlasten und Flüssigkeitsansammlungen vermeiden, die zu Ödemen und Atemnot führen können.

Die aktuelle Arbeit zeigt, dass auch dafür nur eine unklare Evidenz besteht. Eine moderate Flüssigkeitsrestriktion konnte die Symptome der Patienten in einigen Studien lindern. Für Dr. Raggi fehlen jedoch überzeugende Beweise, dass sie die langfristigen klinischen Ergebnisse wie Sterblichkeit und Hospitalisierungen signifikant verbessert.

Lediglich bei fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung (CKD), einer häufigen Komplikation der chronischen Herzinsuffizienz, sollte eine grosszügige Flüssigkeitszufuhr eingeschränkt werden.