Tonsillen raus oder nicht?
Wie man bei einer Tonsillopharyngitis am besten vorgeht, machen die Autoren einer neuen Leitlinie unter anderem von Anzahl und Verlauf der Halsschmerz-Episoden abhängig. Für Letztere gibt es neue Definitionskriterien.
Im Allgemeinen gilt: Eine Tonsillotomie und Tonsillektomie sind nur dann sinnvoll, wenn die Mandeln die Hauptursache für die Halsentzündungen sind. Daher ist es wichtig, zwischen einer reinen Pharyngitis und einer Tonsillitis bzw. Tonsillopharyngitis zu unterscheiden.
Um die Anzahl und den Schweregrad der Halsschmerz-Episoden objektiv zu erfassen, empfiehlt die neue S3-Leitlinie «Therapie der Tonsillo-Pharyngitis» die Beobachtung eines Zeitraumes von zwölf Monaten.
Geändert hat sich dabei die Definition der Halsschmerz-Episode. Sie richtet sich neuerdings nach dem Alter des Patienten. Bis zum 15. Lebensjahr muss zusätzlich zu den Halsschmerzen mindestens einer der folgenden vier Befunde vorliegen:
- mindestens ein neu aufgetretener druckdolenter zervikaler Lymphknoten
- beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A im Abstrich
- Fieber (oral > 38,3 °C)
- Exsudat auf den Tonsillen
Solange das Kind keine Symptome entwickelt, hat der Nachweis von Streptokokken allein ausserdem keinen Krankheitswert.
Anders sieht es nach dem 15. Lebensjahr aus. Dann geht man von einer Halsschmerz-Episode aus, wenn die Beschwerden eindeutig durch eine akute Tonsillitis (mit und ohne Pharyngitis) verursacht werden und den normalen Alltag beeinträchtigen. Eine antibiotische Behandlung ist nicht mehr zwingend erforderlich, um als Halsschmerz-Episode gezählt zu werden. Die Intensität der Symptome lässt sich mit einem validierten Fragebogen (Tonsillectomy Outcome Inventory [TOI]-14) erfassen.
Indikation für OP hängt nicht vom Alter ab
Die Entscheidung für einen operativen Eingriff hängt hingegen nicht vom Alter ab. Eine Tonsillektomie ist für Patienten sinnvoll, die in den letzten zwölf Monaten mindestens sieben Halsschmerz-Episoden hatten.
Auch eine Anzahl von mindestens fünf Attacken pro Jahr in den letzten zwei Jahren oder mindestens drei Attacken pro Jahr in den letzten drei Jahren erfüllt die Voraussetzungen.
Wenn diese Zahlen nicht erreicht werden, empfiehlt die Leitlinie, die Einschätzung um weitere sechs bis zwölf Monate zu verschieben, um die Chance auf eine spontane Besserung aufrechtzuerhalten (Watchful Waiting).
Die Indikation zur Tonsillotomie hängt vom Ausmass der Hyperplasie ab. Wenn zusätzlich zu den genannten Kriterien eine Vergrösserung der Tonsillen vorliegt, die den oropharyngealen Durchmesser um mehr als 25 Prozent einengt, sollte man Patienten mit rezidivierenden akuten Tonsillitiden zunächst eine Tonsillotomie anbieten. Es ist jedoch wichtig, sie auch über das Risiko einer möglicherweise erforderlichen sekundären Tonsillektomie aufzuklären.
Weiterlesen
- S3-Leitlinie «Therapie der Tonsillo-Pharyngitis», AWMF-Register-Nr. 017/024, Stand 15. Januar 2024 (abgerufen am 7. Mai 2024)