Emulgatoren könnten zur Krebsentstehung beitragen
Emulgatoren sind seit Jahrzehnten in tausenden verarbeiteten Lebensmitteln enthalten. Erste Daten deuten darauf hin, dass sie das Mikrobiom verändern und leichte Entzündungen im Darm hervorrufen können. Jetzt zeigt eine Studie, dass Menschen, die viele Emulgatoren konsumieren, ein erhöhtes Krebsrisiko haben.
Emulgatoren gehören zu den am meisten verwendeten Lebensmittelzusatzstoffen.
Eine grosse Beobachtungsstudie berichtet nun von einem Zusammenhang zwischen dem Verzehr bestimmter Emulgatoren und dem Risiko für Brust- und Prostatakarzinome (1)
Emulgatoren kommen in den meisten hochverarbeiteten Lebensmitteln vor
Bei rund einem Viertel von dem, was die Schweizer in ihren Einkaufswagen legen, handelt es sich um hochverarbeitete Lebensmittel (2).
Dass diese nicht immer gesund sind, zeigen mittlerweile die Ergebnisse mehrerer grosser Beobachtungsstudien. Sie zeigen Zusammenhänge zwischen dem häufigen Verzehr stark prozessierter Lebensmittel, und einem erhöhten Risiko für Krebs, Adipositas, kardiovaskuläre Erkrankungen, Depressionen, Diabetes, und dem Mortalitätsrisiko insgesamt.
Eine mögliche Erklärung für diese Gesundheitsschädlichkeit hochverarbeiteter Lebensmittel liegt in der breiten Palette der darin vorhandenen Zusatzstoffe. Dazu gehören unter anderem die Emulgatoren. Sie werden aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften (Emulgatoren haben wasser- und fettlösliche Anteile, und können daher Fett gut in einem Lebensmittel auflösen) oft eingesetzt, um die Textur und Haltbarkeit von Lebensmitteln zu verbessern.
Emulgatoren kommen in tausenden verarbeiteten Lebensmitteln vor (z.B. in Speiseeis, Schokolade, Gebäck, aber auch in verzehrfertigen Zubereitungen aus Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchten, darunter auch Fleischersatz-Produkte). Sie verbergen sich unter Namen wie Lecithin (E322), Carrageen (E407), Mono- und Diglyceride von Fettsäuren (E471), Pektin (E440) und Natriumcarbonat (E500).
Mehr Emulgator-Konsum bei Jüngeren, Gebildeteren, Nichtrauchern
Bereits jetzt weisen einige Untersuchungen darauf hin, dass Emulgatoren das Darm-Mikrobiom verändern und eine niedriggradige Entzündung hervorrufen können. Und auch bei Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen scheint der Verzicht auf Emulgatoren die Symptome der Inflammation verbessern zu können (3). Der Einfluss von Emulgatoren auf die Krebsentstehung ist hingegen noch nicht bekannt.
In der vorliegenden prospektiven Kohortenstudie untersuchten französische Forscher die Ernährungsgewohnheiten von rund 92.000 Teilnehmern aus der NutriNet-Santé-Kohorte (78% Frauen, Durchschnittsalter 44,5 Jahre). Wie viele Emulgatoren die Teilnehmer verzehrten schätzten die Wissenschaftler anhand von drei von jedem Probanden angefertigten Ernährungsaufzeichnungen über 24 Stunden ab. Diese beinhalteten die genauen Bezeichnungen der verzehrten Lebensmittel.
Personen, die mehr Emulgatoren verzehrten, waren in der Studie tendenziell jünger, rauchten seltener, und tranken weniger Alkohol. Zudem hatten sie ein höheres Bildungsniveau, ein höheres Mass an körperlicher Aktivität, und mehr hochverarbeitete Lebensmittel in der Ernährung.
Um 28 % erhöhtes Brustkrebs-Risiko in der Gruppe mit der höchsten Carrageenan-Aufnahme
Innerhalb einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 6,7 Jahren traten in der Kohorte 2.604 Neudiagnosen von Krebserkrankungen auf. Darunter befanden sich 750 Diagnosen von Brustkrebs, 322 neue Prostatakarzinome, und 207 kolorektale Tumoren.
Die Forscher konnten dabei beobachten, dass ein grösserer Anteil von Emulgatoren wie Carrageen (E407), Mono- und Diglyceride von Fettsäuren (E471), Pektin (E440) und Natriumcarbonat (E500) mit einem erhöhten Krebsrisiko in Zusammenhang standen.
So war in der Gruppe mit dem höchsten Verzehr von Mono- und Diglyceriden von Fettsäuren (E471) das Risiko für eine Krebsneudiagnose um 15 Prozent erhöht. In dieser Gruppe erhöhte sich das Risiko für Brustkrebs um 24 Prozent, das Risiko für ein Prostatakarzinom um 46 Prozent.
In der Gruppe, die die meisten Carrageene (E407 und E407a) aufnahmen, trat ein um 32 Prozent erhöhtes Brustkrebsrisiko auf.
Keinen Zusammenhang mit Emulgatoren gab es hingegen beim Risiko für kolorektale Karzinome.
Emulgatoren nur ein Faktor bei der Krebsentstehung
Haben Menschen eine erhöhte Exposition gegenüber Emulgatoren, könnte sich das in ein höheres absolutes Krebsrisiko übersetzen. In dieser Studie betrug beispielsweise das absolute Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, für eine Frau im Alter von 60 Jahren 4,1 Prozent in der Kategorie ohne oder mit geringer Exposition gegenüber Carrageen, 4,6 Prozent in der Kategorie mit mittlerer Exposition und 5,2 Prozent in der dritten (höchsten) Expositionskategorie.
Das sei zwar keine drastische Erhöhung, so die Forscher – schliesslich sei Krebs eine multifaktorielle Erkrankung. Dennoch sind die Ergebnisse von Bedeutung, da die Zusatzstoffe ubiquitär in unserer Nahrung vorhanden sind.
Frage nach Neubeurteilung der zulässigen Tagesdosis für Emulgatoren
In der NutriNet-Santé Kohorte hatten die Teilnehmer zudem nicht übermässig viele Emulgatoren verzehrt. So erreichte kaum ein Teilnehmer die kürzlich von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ausgegebenen zulässigen Werte für die Tagesdosis der einzelnen Substanzen.
Zusammen mit den Ergebnissen von Studien aus den Vorjahren und der vorliegenden Beobachtungsstudie sollte daher die Sicherheit der Grenzwerte in Hinblick auf die chronische Exposition gegenüber Emulgatoren möglicherweise überdacht werden, so das Fazit der Forscher.
Weiterlesen
- Sellem L et al. Food additive emulsifiers and cancer risk: Results from the French prospective NutriNet-Santé cohort. PLoS Med. 2024 Feb 13;21(2):e1004338. doi: 10.1371/journal.pmed.1004338.
- Pestoni G et al. Ultraprocessed Food Consumption is Strongly and Dose-Dependently Associated with Excess Body Weight in Swiss Women. Obesity (Silver Spring). 2021 Mar;29(3):601-609. doi: 10.1002/oby.23091.
- Bhattacharyya S et al. A randomized trial of the effects of the no-carrageenan diet on ulcerative colitis disease activity. Nutr Healthy Aging. 2017 Mar 31;4(2):181-192. doi: 10.3233/NHA-170023.