Medical Tribune
14. Okt. 2023Bis zu vier Stunden weniger im OFF dank kontinuierlicher Wirkstoffzufuhr

Mit Pumpen gegen Parkinson vorgehen

Für Patienten mit fortgeschrittenem Parkinsonsyndrom bieten sich gerätegestützte Therapien an. Neben der tiefen Hirnstimulation als nicht-medikamentöser Option kann man auch die kontinuierliche Applikation von Wirkstoffen erwägen. Drei Pumpen sind derzeit auf dem Markt, eine weitere steht in den Startlöchern.

Ein Parkinson-Patient zeigt eine chirurgisch eingesetzte PEG-J-Sonde, die das Antiparkinson-Medikament direkt in den Jejunum transportiert.
Gerry/stock.adobe.com
Für die LCIG-Gabe via perkutaner Jejunal­sonde liegen Langzeitdaten vor.

Parkinonsonpatienten entwickeln rund vier bis sieben Jahre nach dem Beginn einer kontinuierlichen dopaminergen Stimulation die ersten, meist noch kurzen OFF-Phasen. Diese werden mit der Zeit immer länger, zudem entwickeln sich ON-Dyskinesien.

Insgesamt verengt sich dadurch das therapeutische Fenster, erklärt PD Dr. ­Monika ­Pötter-Nerger, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (1).

Das OFF verstärkt auch die nichtmotorischen Symptome

Mit den motorischen Einschränkungen flukturieren im OFF auch die nichtmotorischen Symptome, etwa Apathie, Depression, Ängste, Schmerzen und kognitive Einschränkungen. Manische Phasen, Schmerz und Unruhe treten dagegen in ON-Phasen mit Dyskinesien auf. In einer grossen Kohorte zeigte sich, dass 41 Prozent der Parkinson­patienten nichtmotorische Fluktuationen zeigen, am häufigsten Fatigue (69 %) und Angst (62 %).

Wann lohnt es sich, eine Pumpentherapie zu starten, um die Symptome und auch die Lebensqualität der Patienten zu verbessern? Um dies zu beurteilen, kann man Dr. Pötter-Nerger zufolge das «5-2-1-Kriterium» zurate ziehen. Danach ist derjenige ein Kandidat für die gerätegestützte Therapie, bei dem pro Tag eine oder mehrere dieser Beschwerden zutreffen:

  • mindestens 5 orale L-Dopa-Dosen
  • OFF-Phasen von mindestens 2 Stunden Dauer
  • behindernde Dyskinesien über mindestens 1 Stunde

Vor allem die OFF-Zeit war relevant

Auch mithilfe des Online-Tools «Manage-PD» lässt sich die Indikation zur Pumpentherapie stellen. Damit werden anhand von zehn Domänen geeignete Patienten identifiziert und kategorisiert. Ein höheres Lebensalter (≥ 65 Jahre) oder eine längere Krankheitsdauer (≥ 10 Jahre) sind laut einer Post-hoc-Analyse des Registers GLORIA kein Prädiktor dafür, dass eine Pumpen­therapie die Lebensqualität der Patienten verbessert. Aussagekräftig war nur eine OFF-Zeit von mehr als drei Stunden pro Tag vor Beginn der gerätegestützten Behandlung.

Ist die Entscheidung für eine Medikamentenpumpe gefallen, stellt sich die Frage nach dem zu verwendenden Wirkstoff. In Betracht kommen Pumpentherapien mit

  • Apomorphin,
  • LCIG (Levodopa-Carbidopa-Intestinalgel),
  • LECIG (Levodopa-Entacapon-Carbidopa-Intestinalgel) oder
  • subkutanem L-Dopa (voraussichtlich ab Herbst).

Vier Wirkstoffe stehen zur Verfügung

Ein Review von acht Studien zeigte, dass die Apomorphintherapie sowohl Placebo als auch oralem L-Dopa hinsichtlich OFF-Zeit-Reduktion überlegen ist. Gegenüber LCIG erwies sie sich als gleichwertig, der tiefen Hirnstimulation jedoch als unterlegen. Ähnliches galt in puncto Dyskinesien.

In der Toledo-Studie über zwölf Wochen mit 106 Patienten verminderte sich unter Apomorphin die OFF-Zeit um 2,47 Stunden, die ON-Zeit nahm um 2,77 Stunden zu. In der Verlängerungsstudie mit offenem Follow-up über 52–64 Wochen, aber nur noch 59 Patienten, waren die positiven Effekte auf ON- und OFF-Zeiten weiterhin nachweisbar (-3,66 h bzw. +3,31 h). Durch seinen Effekt auch auf nichtmotorische Symptome wie Schlaf, Apathie und Aufmerksamkeit könne Apomorphin in bestimmten Fällen von Vorteil sein, erklärt die Expertin.

Mit LCIG-Pumpe tägliche OFF-Zeit um vier Stunden verkürzen

Für die intrajejunale Levodopa-Applikation via LCIG-Pumpe gibt es mittlerweile Daten über fünf Jahre. Auch nach dieser Zeit wird die OFF-Zeit um etwa vier Stunden täglich verkürzt bzw. die ON-Zeit ohne Dyskinesien um vier Stunden verlängert. Allerdings hatten 94 Prozent der mit LCIG behandelten Patienten im Verlauf ein unerwünschtes Ereignis. Das Spek­trum reichte dabei von postoperativen Wundinfektionen über Vitamin-B6-Mangel und Stürze bis hin zu Verstopfung und Bauchschmerzen.

Die LECIG-Pumpe ist im Vergleich zur LCIG-Pumpe kleiner und leichter, wodurch sie einen höheren Trage­komfort bieten könnte, meint PD Dr. Pötter-Nerger. In einem Milliliter Gel sind 20 mg Levodopa, 20 mg Entacapone und 5 mg Carbidopa enthalten.

Die klinische Antwort von LECIG ist vergleichbar mit der von LCIG. Mit Spannung erwartet wird der Kollegin zufolge die subkutane L-Dopa-Pumpe. Die Pumpe des Unternehmens Abbvie könne etwa gleich hohe Plasmaspiegel von L-Dopa erzielen wie bei Behandlung mit LCIG. Auch die OFF-Zeit-Reduktion sei mit -4 h vergleichbar. Daten über ein Jahr sprächen für anhaltend gute Effekte.