Wenn Exanthem-Patienten ihre Selbstmedikation verschweigen
Manchmal lässt sich trotz aufwendiger allergologischer Diagnostik keine Ursache für ein Exanthem finden. Wie auch, wenn Patienten ihrem Arzt wichtige Informationen vorenthalten?! Das zeigen die Fälle eines 74-jährigen und einer 72-jährigen.
Ein 74-Jähriger entwickelte –eine Woche nachdem eine kleine Verletzung an seinem Schienbein mit Chlorhexidin und einem Hydrokolloid-Verband versorgt worden war – einen Ausschlag an der Wunde. Zugleich machte ihm ein grippaler Infekt zu schaffen. Wenig später trat ein disseminiertes juckendes Ekzem auf (1).
Da der Patient seit Jahren wegen arterieller Hypertonie, Hyperlipidämie und KHK regelmässig Torasemid, Simvastatin und ASS einnahm – dazu, bei Bedarf, Paracetamol – tippte der Hausarzt auf ein Arzneimittelekzem oder einen streuenden Hautausschlag. Kurzerhand setzte er alle Medikamente ab und überwies seinen Patienten an die Universitätsklinik.
Auch dort ergaben sich anamnestisch keine Hinweise auf die Ursache des Exanthems. Der Mann gab lediglich eine Penicillin-Allergie unklarer Manifestation in der Jugend an. Die Frage nach anderen Allergien oder der Einnahme weiterer Medikamente verneinte er vehement.
Allergie-Diagnostik kann Auslöser identifizieren
Es folgte eine aufwendige Allergie-Diagnostik, die ein positives Resultat für Kolophonium und Epoxidharz zeigte, wie sie im Klebstoff für Heftpflaster Verwendung finden. Als Zufallsbefund in einer mitgeführten Arzneimittelreihe ergab sich zudem eine Sensibilisierung für Pseudoephedrin.
Erst nach intensivem Nachfragen fiel dem Senior nun ein, gegen seine Erkältung ein freiverkäufliches Medikament mit Pseudoephedrin genommen zu haben. Sämtliche Medikamente inklusive des Paracetamols wurden daraufhin wieder eingeführt und ohne Weiteres vertragen.
Paracetamol steckte hinter dem fixen Arzneimittelexanthem
In einem zweiten Fall, von dem Professor Dr. Andreas Bircher vom Universitätsspital Basel und Kollegen berichten, erschien eine 72-jährige Frau in der Klinik. Sie wollte die rund 50, an Zahl zunehmenden hyperpigmentierten Stellen von einem bis viereinhab Zentimeter Grösse abgeklärt wissen, die seit etwa zwei Jahren bestanden.
Die Maculae brannten zunächst, zurück blieben bräunliche Flecken. Anfangs waren in erster Linie die Unterschenkel betroffen, dann auch Oberschenkel, Körperstamm und Arme. Eine Behandlung mit Methylprednisolonaceponat und – weil hinter den Hautveränderungen auch Borrelien hätten stecken können – Tetrazyklin brachte keine Besserung. Aufgrund eines früheren Melanoms kam zudem der Verdacht auf Metastasen auf.
Fragen nach Allergien verneinte die Patientin. Sie berichtete aber, seit gut zwei Jahren elf Medikamente einzunehmen, bei Bedarf noch zwei weitere. Epikutantests mit der erweiterten Standardreihe und Tests mit den Medikamenten der Frau fielen allesamt negativ aus.
Erst eindringliches Nachforschen brachte zutage, dass die Patientin gelegentlich auf ein Paracetamol-haltiges, freiverkäufliches Arzneimittel zurückgriff, das von keinem der sie behandelnden Ärzte dokumentiert war. Ein Provokationstest mit Paracetamol erzeugte mehrere kutane Herde und bestätigte die Verdachtsdiagnose eines fixen Arzneimittelexanthems. Als alternative Substanzen wurden der Patientin ASS und Diclofenac empfohlen.
- Bircher AJ, Imhof-Gex-Collet C, Scherer Hofmeier K. «Aus den Augen, aus dem Sinn – Knacknuss-Anamnese bei disseminierten Arzneimittelexanthemen auf ‹vergessene› Selbstmedikation», Akt Dermatol 2023; 49: 41–46; doi: 10.1055/a-1553-7278 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York