Medical Tribune
15. Juni 2023Eine Vielzahl von Wirkstoffen begünstigt eine Hypomagnesiämie

Medikamente als Magnesium-Räuber

Ob sie nun die Aufnahme von Ma­gnesium im Darm oder seine Reabsorption in der Niere behindern – zahlreiche breit eingesetzte Medikamente können eine Hypomagnesiämie auslösen. Die Substitution hängt vom Ausmass des Mangels und von den Sym­ptomen ab.

Medikamente wie PPI können die Magnesiumspeicher leeren.
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Magnesium hat vielfältige Funktionen im Körper – entsprechend kann sich ein Mangel in zahlreichen, vor allem kardiovaskulären und/oder neurologischen Manifestationen äussern. Dazu gehören EKG-Veränderungen, vorzeitige Kontraktionen von Ventrikeln und Vorhöfen, Vorhofflimmern, Krampfanfälle, Nystagmen und viele weitere Symp­tome (siehe Kas­ten).

Auch zusätzliche Elek­trolytverschiebungen wie eine Hypokalzämie oder Hypo­kaliämie können die Folge eines Magnesiummangels sein. Das geben die Autoren einer aktuellen Übersichtsarbeit (1) zu bedenken.

Symptome eines Magnesiummangels

Kardiovaskuläre Manifestationen

  • EKG-Veränderungen (QRS-Verbreiterung, verlängertes PR-Intervall)
  • vorzeitige Kontraktionen von Ventrikel und Vorhöfen
  • Vorhofflimmern
  • ventrikuläre Arrhythmien

Zentralnervöse Manifestationen

  • Krampfanfälle, Nystagmus oder Tremor
  • Tetanie, Spasmen, Muskelkrämpfe
  • Elektrolytverschiebungen:
  • Hypokalzämie
  • Hypokaliämie

Nur ein Prozent liegt extrazellulär im Serum vor

Bei gesunden Menschen finden sich 55 bis 60 Prozent des Gesamtkörper-Magnesiums im Knochen und je rund 20 Prozent in den Muskeln und im Weichteilgewebe. Nur rund ein Prozent liegt extrazellulär im Serum vor. Der Normwert der im Serum gemessenen Magnesium­konzentration liegt zwischen 0,7 und 1,05 mmol/l. Cave: Auch wenn die intrazellulären Magnesium­speicher bereits nicht mehr voll sind, kann der Serumspiegel noch normal sein.

Die Magnesium­aufnahme erfolgt mit der Nahrung, wobei etwa 30 bis 50 Prozent des aufgenommenen Magnesiums im Darm resorbiert werden, bei Magnesium­mangel auch bis zu 80 Prozent, so die Autoren. Dies geschieht teilweise parazellulär und teilweise über einen regulierten Ionenkanal im Kolon. In der Niere wird Magnesium nach der Filtration in den verschiedenen Nierenabschnitten über unterschiedliche Mechanismen reabsorbiert.

Medikamente können zu einer Hypomagnesämie führen, indem sie die Absorption im Darm stören, Durchfälle verursachen oder die Reabsorption in der Niere beeinträchtigen. So entwickeln etwa 12 Prozent aller Patienten, die Protonenpumpeninhibitoren einnehmen, eine Hypomagnesämie, weil die Magnesium­aufnahme gestört ist.

Durchfälle beseitigen Magnesium aus dem Körper

Wie die Autoren erläutern, führen darüber hinaus Medikamente zur Behandlung der Obstipation und zur Vorbereitung von Darmspiegelungen zu einer exzessiven Motilität des Darms und damit zu Durchfällen und möglicherweise auch einer Hypomagnes­ämie.

Dasselbe gilt für weitere Medikamente, zu deren Nebenwirkungen Durchfälle zählen, darunter Antibiotika, Chemotherapeutika, Colchicin sowie die Kaliumbinder Natriumpolystyrolsulfonat und Patiromer.

Platinbasierte Chemotherapien, insbesondere Cisplatin, führen zu einem z.T. langfristigen Magnesium­verlust über die Niere, weshalb hier eine Prophylaxe indiziert ist. Bei Therapie mit EGF-Rezeptorinhibitoren entwickelt etwa jeder dritte Patient eine Hypomagnesämie (die nach Absetzen der Therapie reversibel ist), wobei zusätzlich auch eine Hypokaliämie und Hypokalzämie auftreten können.

Der Spiegel schwankt in der Schwangerschaft

Darüber hinaus kann es bei Behandlung mit Calcineurin-Inhibitoren (bei Tacrolimus mehr als bei Cyclosporin) und mit mTOR-Inhibitoren zu einer Hypomagnesämie kommen. Das gilt auch für die Therapie mit Thiazid- und Schleifen­diuretika. Dagegen erhöhen Amilorid und Mineralkortikoid-Antagonisten die Magnesium-Reabsorption in der Niere. Schliesslich sind auch Aminoglykoside sowie Amphotericin B mit einer Hypomagnesämie assoziiert.

Zu Symptomen, bei denen an die Bestimmung des Magnesium­spiegels gedacht werden sollte, gehören:

  • Arrhythmien
  • neuromuskuläre Störungen
  • Absorptionsstörungen
  • Nährstoffmangel
  • chronischer Alkoholabusus
  • ungeklärte Hypokaliämie oder Hypokalzämie

Dabei ist zu bedenken, dass verschiedene Faktoren zu Schwankungen des Magnesium­spiegels beitragen können, darunter eine vegetarische Ernährung (erhöhte Spiegel), Messung kurz nach einer maximalen körperlichen Aktivität (erhöhte Spiegel) oder nach einer Ausdaueraktivität (erniedrigte Spiegel).

Zudem schwankt der Spiegel in der Schwangerschaft. Bei der Vermutung, dass trotz eines Serumspiegels im Normbereich die intrazellulären Magnesium­speicher nicht gut gefüllt sind, erfolgt in der Praxis oft ein empirischer Versuch einer Magnesium­behandlung.

In Ermangelung eindeutiger Daten empfehlen die Autoren, basierend auf ihrer klinischen Erfahrung, eine par­enterale Gabe von Magnesium bei Patienten mit Krampfanfällen, Arrhythmien, hämodynamischer Instabilität sowie bei gleichzeitiger Hypo­kaliämie und/oder Hypokalzämie.

Bei asymptomatischen Patienten kann man das Magnesium oral verab­reichen, wobei Retard-Präparate aus Sicht der Autoren zu bevorzugen sind. Liegen gastrointes­tinale Störungen vor, ist die subkutane Gabe zu erwägen. Im Fall einer Diuretika-induzierten Hypomagnesiämie ist Amilorid eine Option. Bei einer kleinen Gruppe von Patienten konnte aus­serdem ein refraktärer renaler Magnesiumverlust mit SGLT2-Inhibitoren begrenzt werden.