Medical Tribune
24. Apr. 2023Asthma bei Kindern

«Der Eckpfeiler der Asthmatherapie ist eine richtig durchgeführte Inhalation»

Bei der Behandlung von Kindern mit Asthma lässt sich einiges falsch und viel richtig machen. Prof. Dr. Nicolas Regamey, Luzerner Kantonsspital, berichtet über den aktuellen State-of-the-Art bei der Inhalationstherapie und bei nichtmedikamentösen Massnahmen. Für ihn entscheidet über eine gute Asthmakontrolle vor allem eines: Dass Kinder lernen, richtig zu inhalieren.

Über den Erfolg einer Asthmatherapie entscheidet die richtige Inhalation.
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«Grundsätzlich unterscheidet sich die Asthmatherapie bei Kindern nicht grundlegend von der von Erwachsenen», berichtet Prof. Dr. Regamey, Co-Chefarzt  für Pädiatrie am Luzerner Kantonsspital. So dienen etwa in allen Altersstufen inhalative Steroide zur Basistherapie, als Bedarfsmedikation kommen Beta-2-Mimetika zur Bronchodilatation zum Einsatz.

Lediglich einige wenige Medikamentengruppen sind für (jüngere) Kinder nicht zugelassen. Dazu gehören Kombinationspräparate und manche Biologika.

Die Art der Inhalation bestimmt bei Kindern über den Erfolg der Therapie

Die meisten Asthma-Therapeutika werden heute als Trockenpulver (z.B. Turbuhaler, Diskus, Ellipta) oder Dosieraerosole (Sprays, Pumpen) angeboten. Sie haben die früher gängigen Vernebler für die feuchte Inhalation (z.B. Pari-Geräte) in der Asthma-Behandlung fast zur Gänze verdrängt, so der Experte.

Trockenpulver müssen aktiv in die Atemwege eingezogen werden. Das können viele kleinere Kinder nicht, erinnert er. «Kinder, die Trockenpulver benützen, müssen in der Lage sein, auf Kommando aktiv stark und rasch einzuatmen und den Atem für einige Sekunden anzuhalten. Das ist normalerweise erst ab dem Schulalter der Fall». Bei jüngeren Kindern – oder auch bei behinderten oder älteren Erwachsenen – muss hingegen eine Unterstützung bei der Inhalation gewählt werden, die ihrer Kooperationsmöglichkeit und ihrer körperlichen Konstitution entspricht. In diesen Fällen kommt daher meist ein Dosieraerosol mit einem zusätzlichen Device – etwa einer Vorschaltkammer – zur Anwendung.

Prof. Dr. Nicolas Regamey
zVg

Prof. Regamey, Co-Chefarzt  für Pädiatrie am Luzerner Kantonsspital

Bei Kindern bis drei Jahren braucht es meist die Vorschaltkammer mit Maske

Bei Säuglingen und Kleinkindern bis etwa drei Jahren wendet man das Dosieraerosol üblicherweise in Kombination mit einer Vorschaltkammer mit Maske an, um die Wirkstoffe gut an den Einsatzort zu bringen. «In diesem Alter ist der Mensch vorwiegend Nasenatmer. Die Mundatmung gelingt ihm dann meist noch nicht gut.»

In diesen Fällen wird das Dosieraerosol in die dafür vorgesehenen Gummiöffnung der Vorschaltkammer eingesetzt, und die Maske auf die Vorschaltkammer aufgesetzt. Die Maske wird an das Gesicht des Kindes angelegt. Sie sollte unbedingt dicht sitzen, betont Prof. Regamey. Nach Betätigung des Pumpstosses sollte das Kind fünf bis zehn ruhige Atemzüge mit Maske durchführen.

Ab ca. drei oder vier Jahren können die meisten Kinder bewusst durch den Mund atmen, berichtet der Experte. «Man merkt das dadurch, indem man die Nase zuhält, und beobachtet, ob das Kind durch den Mund atmet.» Dann kann man von der Maske auf der Vorschaltkammer auf das Mundstück wechseln. Bei der Inhalation nimmt das Kind dann das kleinere Ende der Vorschaltkammer in den Mund, und führt nach Betätigung des Pumpstosses zwei bis drei tiefe Atemzüge mit Atempause nach der Einatmung von einigen Sekunden durch das Mundstück aus.

Die Anwendung des Devices sollte noch in der Praxis geübt werden

«Der Eckpfeiler der Asthma-Therapie ist, dass die Inhalation auch richtig durchgeführt wird», so Prof. Regamey. «In allen kinderpneumologischen Sprechstunden ist ein wichtiger Teil unserer Beratung daher, mit den Familien die Inhalationstechnik zu üben.»

Dazu gehört auch, mittels Demonstrations-Geräten den Spray, die Vorschaltkammer oder die verschiedenen Devices für die Trockenpulver-Inhalation zu üben. «Die meisten Firmen stellen Demo-Devices zur Verfügung, die keinen Wirkstoff enthalten, und die bei Herstellung eines guten inspiratorischen Flusses des Kindes einen Piepston von sich geben», erklärt der Pneumologe. Diese Geräte, so Prof. Regamey, sollten in jeder Praxis, in der Familien mit Asthma beraten werden, vorhanden sein.

Anschauen können sich Eltern den Inhalationsvorgang mit den verschiedenen Devices aber auch in Videos und ausdruckbaren Merkblättern in insgesamt sieben Sprachen, die das Kantonsspital Winterthur für diesen Zweck auf seiner Webseite zur Verfügung stellt.

Kortikosteroide machen vielen Eltern Angst

Oft fürchten sich Eltern vor den Nebenwirkungen der Kortikosteroid-Therapie bei den Kindern. Die grösste Angst ist dabei die negative Auswirkung auf das Körperlängenwachstum. «Gibt man grössere Mengen an inhalativen Steroiden, können diese systemisch resorbiert werden. Als empfindlichstes Zeichen einer Nebenwirkung können Kinder im Wachstum leicht gebremst werden», erklärt Prof. Regamey. «Das wird auch immer wieder diskutiert und macht vielen Eltern Angst.»

Den Eltern sollte man auf jeden Fall mitgeben, dass die korrekte Asthmamedikation für das Lungenwachstum und die Entwicklung des Kindes wichtig ist, so Prof. Regamey. «Wendet man die Wirkstoffe nicht in ausreichender Dosis an, lässt sich das Asthma vielleicht nicht gut kontrollieren. Dann riskiert man unter anderem eine Fibrosierung der Atemwege (sogenanntes airway remodelling). Gibt man hingegen zu viele Kortikosteroide, kann es einer Verlangsamung des Längenwachstums kommen.» Er empfiehlt, besorgten Eltern das Elterninformationsblatt «Kortison zur Behandlung des kindlichen Asthma: Wie gefährlich ist es wirklich?», herausgegeben von der Schweizerischen Gesellschaft für Kinderpneumologie, ans Herz zu legen. «Wichtig ist auch zu bedenken, dass die inhalierten Dosen viel kleiner sind, als wenn man zwischendurch immer wieder orale Steroide gibt.»

Wenden Kinder kortikosteroidhaltige Dosieraerosole an, lassen sich Rückstände des Wirkstoffs aus dem Mundbereich entfernen, indem die Kinder im Anschluss an die Inhalation den Mund ausspülen, etwas trinken, oder die Zähne putzen. Das Abwischen mit einem feuchten Lappen verhindert ausserdem die Ausbildung von Ekzemen im Gesichtsbereich beim Gebrauch einer Vorschaltkammer mit Maske.

Orale Kortikosteroide zur Dauerbehandlung des Asthma bei Kindern sind Geschichte

«Orale Kortikosteroide stehen lediglich als absolute ultima ratio der Kinderpneumologie zur Verfügung», erklärt Prof. Regamey. Sie werden lediglich bei einem akuten Asthmaanfall angewendet. «Kontinuierliche orale Steroidtherapien sollten jedoch bei Kindern nie eingesetzt werden», sagt Prof. Regamey.

Kontakt zu Noxen und Allergene minimieren

Neben einer guten Asthmamedikation lässt sich noch einiges tun, um eine Verschlechterung der Erkrankung zu verhindern, erklärt der Experte. Besonders wichtig ist, dass Kinder möglichst wenig gegenüber Tabakrauch exponiert werden sollten. Besteht eine Allergie, sollte ausserdem der Kontakt mit dem Allergen minimiert werden. Dazu gehört, dass Familien mit einem Kind mit einer Hausstaubmilben-Allergie eine Hausstaubmilbensanierung durchführen, bei dem etwa die Matratze, das Duvet und das Bettkissen mit einem milbendichten Überzug ausgestattet werden (Encasing).

Bei Allergien gegen Haustiere wird oft empfohlen, diese ganz wegzugeben – etwas, das vielen Familien schwerfällt. «Die Allergene halten sich im Haushalt ausserdem meist sehr lange: Katzenallergene bleiben etwa noch monatelang im Haus, nachdem die Katze verschwunden ist.» Ein Kompromiss kann daher zum Beispiel sein, dass die Katze nicht im Kinderbett schläft, und idealerweise gar keinen Zutritt zum Kinderzimmer hat.

Sport: «Unbedingt, ja!»

Prof. Regamey rät ausserdem stark ab, Kinder mit Asthma vom Sport zu befreien. «Dieser Reflex ist nicht mehr zeitgemäss. Richtig würde es heute lauten: Mein Kind hat Asthma, daher sollte es Sport treiben.» Die körperliche Bewegung hat dabei viele positive Auswirkungen auf das Asthma, und auf das Kind im Allgemeinen. Ein wichtiger Aspekt ist auch, Übergewicht zu vermeiden – denn dieses wirkt sich negativ auf das Asthma aus.

Dass Kinder normal Sport treiben können, sei eine Kernaufgabe des behandelnden Pneumologen und einer guten Therapieeinstellung: «Mit den heutigen Medikamenten ist es praktisch für jedes Kind möglich, unbehindert Sport zu treiben.»