Medical Tribune
26. Apr. 2023Von vier Säulen bis ICD

Starke Therapie für schwache Herzen

Herzinsuffizienz mit reduzierter oder erhaltener Auswurffraktion (HFrEF oder HFpEF)? Die Antwort auf diese Frage bestimmt massgeblich die Therapie. Was dabei in der Praxis zu beachten ist, erläuterte PD Dr. Philip Haaf, Kaderarzt Kardiologie am Universitätsspital Basel, am Forum für medizinische Fortbildung – Allgemeine Innere Medizin.

Die Viersäulentherapie kann bei einer Herzinsuffizienz innerhalb weniger Wochen etabliert sein.
Rouzes/gettyimages

Die Therapieziele bei der HFrEF sind klar definiert: Senkung der Mortalität und der Hospitalisationsrate, Verbesserung des klinischen Status, der funktionellen Kapazität und der Lebensqualität. Diese Ansprüche erfüllen alle Medikamente der sogenannten 4-Säulentherapie bei Patienten mit HFrEF (ACE-Hemmer/AT2-Antagonisten/ARNI, Betablocker, Mineralokortikoidrezeptorantagonisten [MRA], SGLT2-Inhibitoren).

Dies trifft aber nicht für Patienten mit HFpEF zu. Der nachgewiesene prognostische Nutzen der klassischen Herzinsuffizienzmedikamente ist nur bei HFrEF vorhanden. Daher ist es wichtig die Patienten richtig einzuteilen, so der Experte.

4-Säulentherapie kann innerhalb von zwei Wochen etabliert sein

Die Herzinsuffizienz-Guidelines der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) von 2021 empfehlen gleich bei Initiierung einer HFrEF-Therapie alle vier Substanzklassen in niedrigen Dosen zu etablieren und schrittweise aufzudosieren. (1)

Im ersten Schritt erhalten die Patienten einen Betablocker, einen SGLT2-Inhibitor und einen ACE-Hemmer/AT2-Antagonisten, der dann im zweiten Schritt durch ein ARNI ersetzt werden kann. Im dritten Schritt kommen die MRA hinzu, sodass die 4-Säulentherapie innerhalb von ein bis zwei Wochen etabliert sein kann.

Von SGLT2-Inhibitoren profitieren alle Patienten

PD Dr. Haaf rückte einige Besonderheiten der Medikamentengruppen in den Fokus:

  • Beim Wechsel vom ACE-Hemmer zum ARNI gilt es neben dem Blutdruck, der nicht zu tief sein sollte, auch die Nierenfunktion im Auge zu behalten. Die eGFR sollte bei ≥ 30 ml/min/1,73 m2 liegen. Eine 36-stündige Washout-Periode ist einzuhalten, um das Risiko von Angioödemen zu minimieren.
  • AT2-Antagonisten oder Sartane stellen eine Alternative zu ACE-Hemmern oder ARNI dar, bei Intoleranz gegen letztere.
  • RAAS-Inhibitoren, ARNI oder SGLT2-Hemmer senken initial und meist nur transient die eGFR. Als akzeptabel gilt eine Verminderung der eGFR um weniger als 10% mit einer eGFR > 25ml/min/1,73 m2 bzw. eine Erhöhung des Kreatinins um weniger als 50% mit einem Wert von < 266 µmol/l (3 mg/dL).
  • Vom Einsatz der SGLT2-Inhibitoren profitieren alle Patienten unabhängig vom Diabetes-Status und dem HbA1c.

Neben den vier Säulen bedürfen HFrEF-Patienten mitunter einer zusätzlichen Therapie wie beispielsweise dem Einsatz eines ICD/CRT (s. Kasten), der Behandlung zugrundeliegender Erkrankungen oder einer Eisensubstitution. In fortgeschrittenen Fällen können Herzunterstützungssysteme oder die Herztransplantation notwendig werden.

Kein Standardschema bei der HFpEF-Therapie

Für Patienten mit HFpEF (LVEF ≥ 50% und diastolische Dysfunktion) gibt es bis dato keine nachgewiesene allgemeine medikamentöse Therapie, die einen positiven Einfluss auf Mortalität oder Morbidität hat. Umso wichtiger ist es deswegen, die häufig gezielt behandelbaren zugrunde liegenden Herzkrankheiten zu diagnostizieren, z.B. das Vorliegen einer hypertensiven Kardiopathie, koronare Herzkrankheit, Vorhofflimmern, Diabetes, COPD oder kardiale Amyloidose, sagte der Experte.

Bei vielen Patienten liegt ein Eisenmangel vor

Bei Patienten mit Herzinsuffizienz lohnt es sich, nach einem Eisenmangel zu suchen, der häufig auch ohne Anämie vorliegen kann. Per definitionem besteht ein Eisenmangel bei Patienten mit Herzinsuffizienz entweder bei einem Ferritin < 100 ng/ml oder der Kombination aus Ferritin < 300 ng/ml mit einer Transferrinsättigung < 20%.

«Bei chronischer Herzinsuffizienz weisen ca. 55 Prozent aller Patienten einen Eisenmangel auf, bei der akuten Herzinsuffizienz sogar bis zu 80 Prozent», führte PD Dr. Haaf aus. Gemäss vorliegenden Studien und den Empfehlungen der ESC1 kann die intravenöse Eisensubstitution bei Patienten mit einer eingeschränkten Pumpfunktion (LVEF < 45–50%) Symptome, Leistungsvermögen, Skelettmuskeldysfunktion und die Lebensqualität deutlich verbessern (Empfehlung IIa).

Die orale Eisengabe hat sich dagegen bei Herzinsuffizienz als nicht wirksam erwiesen und wird daher genauso wie der Einsatz von Erythropoietin bei Anämie explizit nicht empfohlen.

Welche Patienten profitieren von ICD oder CRT?

Patienten mit einer ischämischen Herzinsuffizienz haben meist ein höheres Risiko für einen plötzlichen Herztod (SCD) als Patienten mit einer nichtischämischen Herzinsuffizienz.

Eine Risikoevaluation bezüglich primärprophylaktischer ICD-Implantation sollte nach mindestens dreimonatiger etablierter optimaler Herzinsuffizienztherapie erfolgen. Zur Risikostratifikation kann die NYHA-Klasse (II–III) und eine eingeschränkte Pumpfunktion (LVEF ≤ 35%) verwendet werden. In den neuen europäischen Richtlinien (2) wurde insbesondere für diverse nichtischämische Herzkrankheiten das Vorhandensein von myokardialen Fibrosierungen (Late Enhancement im Herz-MRI) als Risikofaktor für das Auftreten eines SCD definiert. Ebenso wurde der Stellenwert von genetischen Abklärungen betont.

Bei Vorliegen einer therapierefraktären Dyspnoe NYHA IV oder auch einer geringen Lebenserwartung (< 1 Jahr) besteht keine Indikation zur ICD-Implantation (Klasse III = Kontraindikation).

Von einer kardialen Resynchronisationstherapie (CRT/biventrikuläre Stimulation) profitieren primär Patienten im Sinusrhythmus mit einem breiten Linksschenkelblock (QRS ≥150 ms), die bei eingeschränkter Pumpfunktion (LVEF ≤ 35%) trotz optimaler mindestens dreimonatiger medikamentöser Therapie symptomatisch bleiben.