Medical Tribune
27. März 2023Sinkende GFR spricht nicht gegen die leitliniengerechte Behandlung

Herzinsuffizienztherapie: Vier Säulen helfen auch der Niere

Die Angst vor einer Nierenfunktionsverschlechterung, niedrigem Blutdruck oder Hyperkaliämie sind die Hauptgründe für Unterdosierung oder Abbruch der leitliniengerechten Therapie der chronischen Herzinsuffizienz. In einem Konsensus-Papier hat eine Arbeitsgruppe der ESC zusammengefasst, wie sich die Nierenfunktion unter der Behandlung verändert, und gibt Tipps zum Vorgehen bei chronischer Niereninsuffizienz.

Eine adäquate Herzinsuffizienz-Therapie hilft auch der Niere.
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Bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) empfehlen die ESC-Guidelines die frühe Initiierung der 4-Säulentherapie aus ACE-Hemmer/Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), Betablocker, Mineralokortikoid­antagonist (MRA) und SGLT2-Inhibitor (1).

Unter RAAS-Inhibitoren und SGLT2-Hemmern kommt es nach Initiierung der Therapie zu einem Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR). Dieser ist meist transient und nicht assoziiert mit unerwünschten klinischen Ereignissen. Zudem können Hemmer des RAAS-Systems zu einer Hyperkali­ämie führen. Dies sind Gründe dafür, dass die Herzinsuffizienztherapie häufig nicht gestartet, nicht richtig aufdosiert oder abgebrochen wird.

Auch bei Patienten mit schlechter Nierenfunktion können die Medikamente der 4-Säulentherapie Morbidität und Mortalität der HFrEF deutlich reduzieren. Dabei ist die glomeruläre Filtrationsrate bei einer chronischen Herzinsuffizienz ein stärkerer Prädiktor für das klinische Outcome als die linksventrikuläre Auswurffraktion, wie Professor Dr. Wilfried Mullens vom Spital Oost-Limburg im belgischen Genk und Kollegen der Heart Failure Association der ESC in dem Konsensus-Papier zu renalen Wirkungen der leitliniengerechten Therapie bei Herzinsuffizienz schreiben.

Bei Herzinsuffizienz nimmt die eGFR schneller ab

Eine chronische Nierenerkrankung (CKD, eGFR < 60 ml/min/1,73m2) ist assoziiert mit einer Verdopplung des Mortalitätsrisikos. Von besonderer Bedeutung ist der Abfall der eGFR über die Zeit. Dieser liegt bei gesunden Personen ab dem Alter von 30–50 Jahren zwischen 0,6 und 1 ml/min/1,73m2 und bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz bei durchschnittlich 2,57 ml/min/1,73m2 pro Jahr.

Ein noch schnellerer Abfall, wie man ihn häufig bei Diabetes-Patienten beobachtet, ist mit einem höheren Risiko für unerwünschte Ereignisse verbunden. Dass ARNI und SGLT2-Hemmer den jährlichen GFR-Abfall vermindern können, lässt sich aus den Studiendaten ableiten.

Die Rate an Patienten, die einen Betablocker, einen ACE-Hemmer/ Sartan, den ARNI oder einen MRA einnehmen, geht jedoch mit dem Schweregrad der Niereninsuffizienz zurück. So waren in einer Studie nach einem Spitalaufenthalt wegen akuter Herzinsuffizienz nur 15 Prozent derjenigen Patienten mit einer eGFR zwischen 45 und 60 ml/min/1,73m2 mit allen drei Medikamenten behandelt. Lag die eGFR zwischen 30 und 45 ml/min/1,73m2, waren es sogar nur 5 Prozent.

Da Patienten mit HFrEF und CKD das höchste Risiko für kardiovaskulären Tod und Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz aufweisen, profitieren sie besonders von der 4-Säulentherapie.

Für eine effektive Implementierung der leitliniengerechten Herzinsuffizienztherapie auch bei Vorliegen einer CKD schlägt die Arbeitsgruppe vor, bei der Titration von ACE-Hemmer, Sartan und ARNI eine Erhöhung des Serum-Kreatinins um bis zu 50 Prozent zu tolerieren, solange das Serum-Krea­tinin unter drei mg/dl (264 µmol/l) und die eGFR über 25 ml/min/1,73m2 liegt (s. auch Kasten).

Die Kaliumwerte im Auge behalten

Bei der Aufdosierung der HFrEF-Therapie sind engmaschige Kaliumkontrollen notwendig. Im Fall einer Hyperkaliämie mit Werten zwischen 5,5 und 6 mmol/l empfiehlt sich eine Dosisreduktion von ACE-Hemmer, Sartan, ARNI und MRA. Liegt der Kaliumwert über 6 mmol/l ist ein temporäres Absetzen angezeigt. Die Anwendung neuer Kaliumbinder wie Patiromer oder Natrium-Zirconium-Cyclosilicat erlaubt eine dauerhafte Anwendung von RAAS-Inhibitoren bei Patienten mit Hyperkaliämie.

HFrEF-Therapie nach eGFR ausrichten

Die Konsensus-Autoren empfehlen bei symptomatischen HFrEF-Patienten eine Initiierung der 4-Säulentherapie nach eGFR:

  • eGFR > 60 ml/min/1,73 m2: Start mit allen vier Substanzen, Betablocker und ARNI niedrigdosiert.
  • eGFR 30–60 ml/min/1,73m2: Start mit Triple-Therapie aus niedrigdosiertem Betablocker, SGLT2-Hemmer und niedrigdosiertem ARNI. Bei einem systolischen Blutdruck > 100 mmHg, einer eGFR >30 ml/min/1,73m2 und einem Kaliumwert < 5 mmol/l kann ein MRA dazugegeben werden. n eGFR 15–30 ml/min/1,73 m2: Start mit Triple-Therapie aus niedrigdosiertem Betablocker, niedrigdosiertem ACE-Hemmer und bei eGFR > 20 ml/min/1,73m2 mit einem SGLT2-Hemmer.
  • eGFR < 15 ml/min/1,73m2: Start mit niedrigdosiertem Betablocker. Hydralazin, Isosorbiddinatrat und niedrigdosierter ACE-Hemmer können in Erwägung gezogen werden.

Liegt keine symptomatische Hypotonie vor, können Betablocker bei einer Herzfrequenz > 60/min und ARNI/ACE-Hemmer bei einer Kreatininerhöhung < 50 % und Kaliumwerten < 5,5,mmol/l bis zur maximalen Dosis aufdosiert werden.

Referenz

Mullens W et al. Renal effects of guideline-directed medical therapies in heart failure: a consensus document from the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology. Eur J Heart Fail. 2022 Apr;24(4):603-619. doi: 10.1002/ejhf.2471


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