Herzrhythmusstörungen in der Praxis
Herzklopfen, Herzrasen, Palpitationen: Das subjektive Gefühl, dass das Herz zu schnell, zu stark oder unregelmässig schlägt, kann harmlos sein, aber auch im Rahmen verschiedener Erkrankungen auftreten. Prof. Richard Kobza, Chefarzt Kardiologie am Luzerner Kantonsspital, erläutert die verschiedenen Formen von Rhythmusstörungen und deren empfohlene Abklärungen.*
Palpitationen können im Kontext mit Tachykardien, Bradykardien aber auch Normokardien auftreten.
Im Rahmen der Normokardie kann eine Palpitation zum Beispiel durch ein normokardes Vorhofflimmern oder Vorhofflattern bedingt sein – und auch eine supraventrikuläre oder ventrikuläre Extrasystole kann zu einer Palpitation führen.
Die bradykarden Herzrhythmusstörungen kann man einteilen in Sinusknotenerkrankungen und AV-Knotenerkrankungen, so Prof. Kobza. «Tachykarde Herzrhythmusstörungen werden hingegen unterteilt in Kammertachykardien, die im Ventrikel entstehen, supraventrikuläre Tachykardien, die nur den Vorhof zur Aufrechterhaltung der Arrhythmie brauchen und atrioventrikuläre Tachykardien bei akzessorischen Bahnen.»
Jede Breitkomplextachykardie ist vorerst als Kammertachykardie zu betrachten
Bei einem Vorhofflimmern sollte immer an das periphere Pulsdefizit gedacht werden, sagt Dr. Kobza. Dabei besteht zentral eine Tachykardie, am Handgelenk ist der Patient jedoch normokard. Zum peripheren Pulsdefizit kommt es, da das Herz unregelmässig schlägt, und sich der Ventrikel so nicht immer komplett füllen kann. Bei Arrhythmien sollte man daher immer zentral die Herzfrequenz bestimmen, da sie peripher unterschätzt werden kann, so der Experte.
«Ist ein hämodynamisch instabiler Patient reanimiert worden, kann dahinter eine koronare Herzerkrankung gesteckt haben. Dann ist eine invasive Abklärung indiziert», sagt Prof. Kobza. Viel häufiger, als dass ein Patient reanimiert werden muss, ist, dass der Patient hämodynamisch stabil in der Praxis erscheint: Ist dies der Fall, sollte möglichst ein 12-Kanal-EKG angestrebt werden. Dort unterscheidet man zwischen Schmal- und Breitkomplextachykardien: Eine Breitkomplextachykardie ist definiert mit einer QRS-Breite von mehr als 120ms und einer Herzfrequenz von über 100 Schlägen pro Minute.
Jede Breitkomplextachykardie ist bis zum Beweis des Gegenteils als Kammertachykardie zu betrachten, so der Experte. «Eine Kammertachykardie ist meistens ein Makro-Re-Entry-Tachykardie im Ventrikel. Bei einer Schmalkomplextachykardie kann eine vagale Stimulation, Medikamentengabe oder Kardioversion erfolgen, danach muss eine strukturelle Herzerkrankung gesucht werden.» Die neuesten Leitlinien von 2022 beinhalten, dass die Kardioversion bei anhaltender hämodynmisch tolerierte Kammertachykardie als First-Line-Behandlung erfolgen soll, eine medikamentöse Konversion kann aber auch weiterhin erwogen werden.
Nicht-anhaltende ventrikuläre Tachykardie: Suche nach struktureller Herzerkrankung
Wichtig ist die Anamnese, das Labor und das 12-Kanal-EKG sowie eine Echokardiografie, bei Bedarf auch ein 24-h-Holteruntersuchung, so Prof. Kobza. Wenn die Situation auf eine strukturelle Herzerkrankung hindeutet, muss eine koronare Herzerkrankung ausgeschlossen werden, unter Umständen gehört noch eine Magnetresonanztomografie in den Abklärungsschritt.
Sprechen die Resultate hingegen eher für einen idiopathischen Ursprung, soll gezielt behandelt werden. Bei Hinweisen auf eine primär elektrische Erkrankung muss auch die Genetik mit einbezogen werden. Wichtig ist, dass die Suche nach strukturellen Herzerkrankungen mit Echokardiografie immer gemacht werden sollte. «Möglichst früh soll eine Blutentnahme für einen toxikologischen und genetischen Test abgenommen werden, bei allfälligem Versterben des Patienten ist so eine weitere Behandlung und Beratung der Familie möglich. Wenn die Anamnese unklar ist, sollte auch an nicht-kardiale Ursachen wie Anämie, Schmerzen, Infekt, Hirndruck, Hypo- und Hyperthyreose oder einer Hypoxie gedacht werden.»
Behandlung von tachykarden Herzrhythmusstörungen in der Praxis
Zur Behandlung von tachykarden Herzrhythmusstörungen bestehen drei Optionen: Die primär elektrische Therapie, die medikamentöse Therapie und die Katheterablation. Zur Akuttherapie bei einer instabilen Schmalkomplextachykardie soll eine Kardioeversion erfolgen, wenn sie stabil ist, rät der Experte zu vagalen Manövern oder Adenosin. «Erst danach kommen Betablocker oder Diltiazem oder Verapamil zum Einsatz.»
Die Vagus-Stimulation kann auf verschiedene Weisen durchgeführt werden. Dazu gehören etwa die
- Carotis-Sinusmassage,
- die Trendlenburg-Position,
- das Trinken von Eiswasser, oder
- das Valsalva-Manöver
«Eine vagale Stimulation führt dabei zu Sekretion von Acetylcholin. Dieses verlangsamt oder blockiert daraufhin den AV-Knoten. Bei einer AV-Knoten-Re-Entry-Tachykardie und bei der AV-Re-Entry-Tachykardie führt die Vagus-Stimulation zu einem Stopp der Tachykardie, bei den anderen Rhythmusstörungen kommt es hingegen nur zu einer geringen oder zu keiner Auswirkung», erklärt der Experte. Jedoch kann so die Vorhofs-Aktivität im EKG demaskiert werden.
Eine weitere Möglichkeit ist die Verabreichung des Antiarrhythmikums Adenosin: Dabei wird ein intravenöser Bolus von 6 bis 18mg gespritzt, gefolgt von einer Natriumchlorid-Injektion zur schnelleren Wirksamkeit von Adenosin, das nur eine sehr kurze Halbwertszeit besitzt. Eine mögliche Nebenwirkung von Adenosin ist der Bronchospasmus, weshalb Adenosin bei Asthmatikern kontraindiziert ist. «Adenosin sollte generell nur gegeben werden, wenn das Fachwissen und die Möglichkeiten zur Behandlung seiner Nebenwirkungen vorhanden sind», erinnert Prof. Kobza.
EKG, auch wenn das Herzrasen schon vorbei ist
Sehr häufig melden sich Patienten mit unklarem Herzrasen in der Praxis. Hier ist die Anamnese von zentraler Bedeutung, es sollte nach Dauer, Häufigkeit, Beginn, Ende, Triggern und vorbestehenden kardialen Erkrankungen gefragt werden. Ein 12-Kanal-EKG ist Pflicht, auch wenn das Herzrasen wieder vorbei ist. Bei weiterer Unklarheit ist ein Langzeit-EKG indiziert. Palpitationen bei Patienten mit Schrittmachern oder Defibrillatoren sollen zum Kardiologen verwiesen werden, um das EKG auszulesen. Kalium und Schilddrüsenwerte sind Standardlaborabklärungen, die dazugehören. Um eine strukturelle Problematik zu suchen, sollte eine Echokardiografie erfolgen – zudem eine Ergometrie, wenn die Arrythmie belastungsinduziert ist.
Quelle
*WebUp Expertenforum «Update Kardiologie» des Forums Medizin Fortbildung (FOMF) vom 29.09.2022