Medical Tribune
13. Sept. 2022Alte Bekannte oder Exoten?

Exantheme in der heimischen Praxis sind auch mal tropischer Herkunft

Hinter Exanthemen kann eine Vielzahl verschiedener Krankheiten stecken, von Masern über Zeckenstichfieber bis hin zu Tropenkrankheiten und einer Infektion mit HIV. Grund genug, bei der Anamnese akribisch nachzufragen.

Bei einer Chikungunya-Infektion breitet sich der oft von Arthralgien begleitete Ausschlag i.d.R. zentripetal aus.

«Neben eigenständigen Hautkrankheiten (Neurodermitis, Psoriasis, Lichen ruber etc.) kommen als Auslöser eines Exanthems Arzneimittelreaktionen und vor allem virale Infektionen infrage», erläutert Professor Dr. Mario Fabri von der Klinik für Dermatologie und Venerologie, Universität zu Köln.

Auch bei Reiserückkehrern sind Exantheme nicht immer exotisch bedingt

Ein Beispiel, das jedem bekannt vorkommen sollte, ist ein fiebriger Patient mit allgemeinem Krankheitsgefühl und einem nicht juckenden, makulopapulösen Exanthem, das sich vom Nacken aus schnell ausbreitet sowie mit weissen Flecken an der Mundschleimhaut einhergeht.

Auch wenn der von Prof. Fabri vorgestellte 19-Jährige vorher in Indonesien war und dort ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte, zeigen die Art der Ausbreitung, die pathognomonischen oralen Koplik-Flecken (s. Kasten) sowie die Labordiagnostik ein eindeutiges Bild: Masern.

Dennoch wäre differenzialdia­gnostisch einiges denkbar gewesen. «Sie werden wahrscheinlich häufiger Masern diagnostizieren als ein Krim-Kongo-Fieber», so Prof. Fabri. Daher müsse man sich bei einer positiven Reiseanamnese nicht gleich verrückt machen. Nichtsdestotrotz sollte man aufmerksam bleiben. Nicht selten kommen von Reisen auch alte Bekannte mit zurück.

Bei sexuellen Kontakten HIV-Infektion ausschliessen

Insbesondere mit Syphilis als Differenzialdiagnose liegt man bei einem Exanthem in der Regel nie falsch. Der klassische Ausschlag zeigt sich etwa sechs Wochen nach der Infektion (oft nach Abheilung des Primär­ulkus), schliesst Handinnenflächen und Fusssohlen mit ein und rezidiviert.

Auch eine Mononukleose kommt in Betracht. Diese geht an sich nur in zehn bis 20 Prozent der Fälle mit einem Exanthem einher. Erhält der Patient allerdings aufgrund der Halsentzündungsbeschwerden erst Amoxicillin (oder anderes Aminopenicillin) steigt die Wahrscheinlichkeit auf über 90 Prozent. Die Verläufe lassen sich dann nur schwer von einem Arzneimittel-Exanthem abgrenzen. Beinhaltete die Reise wie im Fall des 19-Jährigen sexuelle Risikokontakte, sollte man neben Syphilis auch eine HIV-Infektion ausschliessen, deren Exanthem dem der Mononukleose sehr ähnelt.

Zika-Exantheme oft mit begleitender Konjunktivitis

Gerade nach Ferien in tropischen oder subtropischen Ländern muss man Arbovirosen auf dem Schirm haben. Diese gewinnen auch hierzulande an Bedeutung, weil sich Vektoren wie die asiatische Tigermücke ausbreiten.

Typisch für Dengue ist ein zuerst sonnenbrandartiges, dann meist mildes makulopapulöses Exanthem mit Aussparungen, die wie «weisse Inseln auf der geröteten Haut» wirken, erläutert Prof. Fabri. Es juckt nicht und beginnt nach drei bis sechs Tagen ausgehend von Hand- und Fussrücken. Oft berichten die Patienten über einen hämmernden Retrobulbärschmerz oder muskuloskelettale Beschwerden (Break Bone Fever).

Erstinfektionen bleiben aber in der Regel mild und sind nur selten hämorrhagisch oder mit Schock verbunden. Zweitinfektionen können durchaus schwerer verlaufen.

Hautausschläge im Rahmen einer Zika-Infektion sind ebenfalls makulopapulös und treten innerhalb der ersten Woche auf. Sie jucken leicht und betreffen Stamm, Hals und Gesicht (inkl. Mundschleimhaut), eine palmoplantare Beteiligung ist dagegen selten. Zum typischen klinischen Bild gehört eine zum Teil lang anhaltende, ausgeprägte Konjunktivitis. Hämorrhagien kommen nicht häufig vor.

Zentripetal und makulopapulös manifestiert sich das Erythem bei jedem zweiten Patienten mit Chikungunya, ein bis zwei Tage nach der Infektion. Diese Arbovirose geht in der Regel mit bilateralen Arthralgien einher, die auch persistieren können.

Rickettsien schon bei Verdacht behandeln

Insekten und Spinnentiere beherbergen aber nicht nur Viren. Etwa fünf Prozent der Safari-Touristen bringen ein afrikanisches Zeckenstichfieber mit nach Hause und machen es damit zur hierzulande häufigsten dia­gnostizierten Rickettsiose. Typisch ist, dass nicht nur ein Exanthem auftritt, sondern sich ein Eschar bildet. Der Verlauf ist meist mild, schwere Infektionen sind aber möglich.

Eine bei uns weniger häufige Rickettsiose ist das in den USA, Kanada, Mexiko und Mittelamerika verbreitete Rocky Mountain Spotted Fever. Es äussert sich anfangs unspezifisch, bildet keinen Eschar aus und geht mit hohem Fieber, Konjunktivitiden, Kopf- und Gelenkschmerzen einher. Kinder klagen erst oft nur über Bauchschmerzen.

Für beide Rickettsiosen gilt: Behandelt wird bereits bei klinischem Verdacht sofort mit Doxycyclin. Die Todeszahlen in den USA sind besonders hoch bei kleinen Kindern und alten Personen. Es heisst zwar immer, Doxycyclin sei aufgrund der Zahnverfärbungen bei Kindern kontraindiziert, «das stimmt aber bei solchen schweren Infektionskrankheiten nicht. Ein Kind mit Rickettsiose oder bei dem der klinische Verdacht besteht, muss Doxycyclin bekommen!», betont Prof. Fabri. Neue Untersuchungen legen zudem nahe, dass bei einer so kurzen Therapie die Zahnschmelzveränderungen gar nicht auftreten.

Hinsichtlich der Infektionsexantheme gibt es also einige wegweisende klinische Besonderheiten, resümiert der Experte. Fairerweise müsse man aber sagen, dass in der modernen Medizin die virologische Diagnostik für die Diagnose die grös­sere Rolle spiele. Da werde auch mal nachts «einfach alles angekreuzt, was einem irgendwie einfällt».

Infektiöse Exantheme bei Kindern und Begleiterscheinungen

Je nach Auslöser kann das Exanthem sehr charakteristisch ausfallen:

  • Masernvirus: makulopapulöses konfluierendes Exanthem, das häufig im Nacken beginnt. Das Gesicht der Kinder wirkt oft «verheult, verrotzt oder verquollen» und oral zeigen sich pathognomonisch weisse Koplik-Flecken.
  • Parvovirus B19 (Ringelröteln): girlandenförmiges Exanthem, v.a. an den proximalen Extremitäten, das kommt und geht. Ausserdem sehen die Patienten aus, «als hätten sie links und rechts eine Ohrfeige ­bekommen».
  • Rötelnvirus: makulopapulöses Exanthem, kleinflächiger als bei Masern und nicht konfluierend.
  • HHV-6, HHV-7 (Exanthema sub­itum): nacken- und stammbetontes makulöses Exanthem.
  • Varizellen: charakteristisches Exanthem mit verschiedenen Effloreszenzen (Bläschen, Flecken, Papeln) nebeneinander, alias «Heubnersche Sternenhimmelkarte». Mundschleimhaut, Kopfhaut und Hände sind mitbetroffen.
Quelle

128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, 30. April – 3. Mai 2022, Wiesbaden