Medical Tribune
7. Juni 2022Herz hebt ab

Reisen mit kardialer Grunderkrankung wollen gut geplant sein

Nicht alle Reiseziele eignen sich für Herzkranke gleichermassen. Entscheidend ist, ob Patienten den ­Strapazen der An- und Abreise sowie der Situation am ­Urlaubsort gewachsen sind. Mindestens vier Wochen vor ­Abflug sollte ein medizinischer Checkup erfolgen.

Beim Reisen mit Zeitverschiebung ist für Herzpatienten einiges zu beachten.
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Beim Reisen mit Zeitverschiebung ist für Herzpatienten einiges zu beachten.

Pro 100.000 Fluggästen kommt es zu etwa einem Todesfall an Bord des Fliegers, in aller Regel infolge einer kardiovaskulären Erkrankung. Damit sind Sterbefälle bei Flugreisen ein eher seltenes Ereignis, machte Dr. ­Ilse ­Janicke vom Herzzentrum Duisburg auf ihrem Vortrag beim Forum Reisen und Gesundheit deutlich (1). Zudem lasse sich das individuelle Risiko durch angemessenes Verhalten stark reduzieren. Mindestens vier, besser noch sechs Wochen vor Reiseantritt sollte ein kardiologischer Checkup mit spezieller reisemedizinischer Beratung erfolgen, lautet der Rat der Kardiologin.

Achtung bei Herzinsuffizienz und Flugreisen

Bei der Wahl des Reiseziels gilt es insbesondere für Herzpatienten, Des­tinationen in anderen Klimazonen zu meiden. Denn starke Hitze und grosse Kälte verlangen dem Herzen bekanntlich grosse Anstrengung ab, führte die Referentin aus. Regionen mit dreckiger Luft und viel Feinstaub treiben die Wahrscheinlichkeit für Klinikaufenthalte und kardiopulmonalen Tod nach oben.

Das bestimmende Kriterium für die Reisefähigkeit ist heutzutage meist die Flug- oder Höhentauglicheit, so Dr. ­Janicke. Schon gesunden Menschen bereitet eine Flugreise körperlich Probleme, beschrieb sie: Lungen- und Blutdruck steigen, die Diurese nimmt zu.

Personen mit Herzrhythmus­störungen und Menschen mit myo­kardialer Ischämie, die im Alltag keine nennenswerten Symptome haben, kommen mit der Situation im Flugzeug im Allgemeinen gut klar, sagte Dr. ­Janicke. Patienten mit Herz­insuffizienz NYHA I oder II tolerieren Flüge von bis zu sieben Stunden recht gut, in fortgeschritteneren Krankheitsstadien wird es allerdings ab einer Stunde in der Luft problematisch. Für Patienten mit hoher Thromboseneigung steigt beim Fliegen das Risiko an.

Belastungsgrenzen für Bergurlauber

Bei Urlaubsorten weit über dem Meeresspiegel sollten sich die Reisenden unbedingt einige Tage akklimatisieren, und auch danach sollten sie sich nicht zu sehr verausgaben. Die Referentin empfiehlt, auf der Grundlage des kardiologischen Check-ups eine Belastungsgrenze zu vereinbaren und den Patienten nahezulegen, 80 Prozent ihrer maximalen Herzfrequenz auf Meereshöhe nicht zu überschreiten. Bei Herzinsuffizienz ist unbedingt Euvolämie anzustreben, betonte die Kollegin. In diesem Punkt müssen die Patienten besonders sensibilisiert werden.

Bei Herzschrittmacher EKG-Kopie mitnehmen

Essenziell für alle Herz-Kreislauf-Kranken ist die regelmässige Einnahme ihrer Medikamente, auch bei Zeitverschiebung. Dr. ­Janicke empfahl, bei längeren Flugstrecken gegebenenfalls einen Medikamentenplan mit den korrigierten Einnahmezeitpunkten mitzugeben (siehe Kasten).

Träger von Herzschrittmachern lassen die Geräte am besten vor Reiseantritt auslesen und führen eine EKG-Kopie mit. Am Flughafen sollten sie sich wegen der elektromagnetischen Interferenz von den Metalldetektoren fernhalten. Die Terahertzwellen modernerer Scanner stellen allerdings keine Gefahr für Schrittmacher oder Defibrillatoren dar, so Dr. ­Janicke. In jedem Fall sollte der Patient ausreichend Zeit für die Sicherheitskontrollen einplanen.

Medikamenteneinnahme mit Jetlag

Beträgt die Zeitverschiebung zwischen Heimatort und Reiseziel mehr als zwei Stunden, muss bei bestimmten Medikamenten die Einnahme angepasst werden. Dabei gilt es, Einnahmeintervall und Einzeldosis zu berücksichtigen. Dr. ­Janicke stellte eine einfache Formel vor, mit der sich Dosiserhöhungen und -reduktionen abhängig vom Einnahme­rhythmus errechnen lassen.

Bei Flügen Richtung Westen (d.h. bei einer Tagesverlängerung) nimmt der Patient einmalig eine höhere Dosis des Medikaments ein:
Einnahme einmal täglich: (Zeitverschiebung in h/24) × normale Tagesdosis = zusätzlich benötigte Dosis
Einnahme zweimal täglich: (Zeitverschiebung in h/12) × normale Einzeldosis = zusätzlich benötigte Dosis

Bei Flügen Richtung Osten (Tagesverkürzung) nimmt der Patient einmalig eine verringerte Dosis ein:
Einnahme einmal täglich: (24/24 – Zeitverschiebung in h/24) × normale Tagesdosis = verringerte Tagesdosis
Einnahme zweimal täglich: (12/12 – Zeitverschiebung in h/24) × normale Einzeldosis = einmalig verringerte Dosis

Referenz
  1. 23. Forum Reisen und Gesundheit, 11.-12. März 2022, Berlin