Sézary neu seziert
Dass die Tumorzellen beim Sézary-Syndrom über das Blut leicht abgreifbar sind, bedeutet nicht, dass die Krankheit einfach zu diagnostizieren wäre. Warum die gängige Diagnostik die Tumorlast nicht zuverlässig widerspiegelt und welche Handlungsanweisungen und Biomarker es gibt.
Von Beginn an ist das Sézary-Syndrom eine fortgeschrittene Erkrankung des Stadiums IVA/IVB. Nur 36 % der Betroffenen überleben die nächsten fünf Jahre, erinnerte Professor Dr. Constanze Jonak von der Medizinischen Universität Wien. Klinisch tritt die aggressive leukämische Variante des kutanen T-Zell-Lymphoms bekanntermassen in Erscheinung durch die Trias aus Erythrodermie, Lymphadenopathie und der Anwesenheit von Sézary-Zellen in Haut, Lymphknoten und Blut. Weitere klinische Merkmale wurden im vergangenen Jahr beschrieben. So präsentieren
- 37,6 % der Patienten mit palmoplantaren Hyperkeratosen,
- 15,6 % mit Nageldystrophie,
- 10,9 % mit Alopezie,
- 3,6 % mit Facies leonina und
- 3,4 % mit Ektropium.
«Obwohl die Sézary-Zellen gut zugänglich sind, kann es eine Herausforderung sein, sie einheitlich zu identifizieren und zu quantifizieren», betonte Prof. Jonak. Routinemässig werden sie über den Verlust von CD26 oder CD7 detektiert. In einer aktuellen Veröffentlichung wurde allerdings demonstriert, dass Patientenproben eine enorme Bandbreite an Antigenverlusten aufweisen.1 Zudem beschränken sich solche Verluste nicht auf maligne Zellen. Mit der konventionellen Durchflusszytometrie (FACS) könne die Tumorlast somit über- oder unterschätzt werden, warnte die Referentin eindringlich.
EORTC rät zur FACS-Analyse statt manueller Auszählung
Ausserdem hänge die Interpretation der FACS-Analyse immer auch vom Gerät und den Einstellungen ab. Daher gibt es schon lange eine Debatte darüber, ob für Diagnose und Monitoring besser absolute Zahlen oder Prozentwerte zirkulierender Tumorzellen herangezogen werden sollten.
Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, hat das EuroFlow-Konsortium standardisierte Protokolle für die multiparametrische FACS-Phänotypisierung erstellt. Weiterhin seien die Kriterien zur Identifikation der Blutzellpopulationen überarbeitet worden, erklärte Prof. Jonak. Die EORTC-Arbeitsgruppe für kutane Lymphome habe gerade eine aktualisierte Blutklassifikation herausgegeben.2 Darin empfiehlt das Gremium eine FACS-Analyse anstelle der manuellen Auszählung. Die Arbeitsgruppe spricht sich zudem dafür aus, absolute Tumor-Lymphozytenzahlen zu verwenden.
Tumorklone könnten aus der Haut stammen
Dem bisherigen Konsens zufolge entstehen die Sézary-Zellen aus zentralen T-Gedächtniszellen – der TH2+ Subpopulation der CD4+ T-Helferzellen. Neben CD4 exprimieren sie CCR4, CD27, CCR7 und L-Selectin. Ähnlich wie bei Mycosis fungoides wurde jetzt auch für die Sézary-Zellen die Hypothese aufgestellt, dass sie sich aus hautansässigen T-Zellen entwickeln, erklärte Prof. Jonak. Bei beiden Krankheiten fanden Forscher ein Mutationsspektrum in potenziellen Treibergenen, das auf eine UV-Exposition hindeutet. Ausserdem wurde beschrieben, dass CD4+ T-Zell-Klone simultan als hautansässige und zirkulierende Gedächtniszellen vorkommen können.
Trotzdem gelte es, die Grenzen der absoluten Quantifizierung zu beachten, kommentierte Prof. Jonak. Wichtig sei, zwischen einer medikamenteninduzierten Lymphopenie bzw. Leukopenie und einer unspezifischen Zellzahlreduktion zu unterscheiden, bei der die Tumorzelllast nicht verringert ist. Entsprechend habe das EORTC-Konsortium in seiner neuen Richtlinie die Ansprechkriterien für die Blutanalyse angepasst.
Aktuelle Ansätze
Mit keiner der verfügbaren Therapien kann eine Heilung des Sézary-Syndroms erreicht werden, bedauerte Prof. Jonak– abgesehen von der allogenen Blutstammzelltransplantation.
Optionen für die Erstlinie sind:
- Extrakorporale Photopherese (ECP)
- Chlorambucil und Kortikosteroide
- ECP/PUVA + Retionide/IFNa2b
- niedrig dosiertes Methotrexat
In der Zweitlinie kommen zum Einsatz:
- Chemotherapie
- Alemtuzumab
- alloHCT
Dank der Forschung zur Pathophysiologie der Krankheit würden auch immer wieder neue mögliche Behandlungsziele entdeckt, berichtete Prof. Jonak. Eine solche zielgerichtete Therapie, sei Mogamulizumab. Der monoklonale Antikörper richtet sich gegen CCR4. Dieses wird von T-Helferzellen und regulatorischen T-Zellen exprimiert und ebenfalls von vielen T-Zell-abgeleiteten Tumorzellen, etwa bei Mycosis fungoides und dem Sézary-Syndrom.
Für Letzteres habe die Zulassungsstudie eine besonders hohe Ansprechrate ergeben.
Noch in der klinischen Entwicklung befindet sich eine gegen KIR3DL2 gerichtete Therapie. Das auch als Biomarker bekannte Protein bremst die Aktivität von Immuneffektorzellen aus, indem es an Klasse-1 HLA bindet. Exprimiert wird der Marker in allen kutanen T-Zell-Lymphomen, mit der höchsten Prävalenz bei Mycosis fungoides und Sézary-Syndrom. «Die vorläufigen Ergebnisse beim Sézary-Syndrom waren exzellent, sodass die Therapie von der FDA ein beschleunigtes Zulassungsverfahren erhielt», kommentierte Prof. Jonak. Die ORR erreichte 42,9% und das medianes PFS 11,7 Monate. Aktuell läuft dazu die Phase-II-Studie TELLOMAK mit dem Antikörper IPH4101 (Lacutamab).
Differenzialdiagnose mithilfe T-Plastin und Twist
Für die Diagnostik des Sézary-Syndroms und der erythrodermen Mycosis fungoides wurden darüber hinaus neue Biomarker vorgeschlagen. In einer Studie mit knapp 450 Teilnehmern fanden Forscher heraus, dass der Nachweis von T-Plastin, Twist und KIR3DL2 mittels quantitativer RT-PCR nützlich sein kann.3 Mit den ersten beiden Markern lassen sich die beiden Krebserkrankungen von einer gutartigen entzündlichen Dermatose abgrenzen. KIR3DL2 hingegen korreliert invers mit der Prognose. Aktuell versuchen Forscher sogar, diesen Marker als therapeutische Zielstruktur zu nutzen, ergänzte Prof. Jonak.
- Najidh S et al. Blood 2021; doi: 10.1182/blood.2021012286
- Vermeer MH et al. Br J Dermatol 2021; 185: 19-25; doi: 10.1111/bjd.19669
- Dobos G et al. Br J Dermatol 2021; 185: 405-411; doi: 10.1111/bjd.19719
Jonak C. EADV 30. Kongress; Vortrag D1T04.4D