Autoren präferieren offene OP bei Gebärmutterhalskrebs
Trotz fallender Inzidenz bleibt die Mortalität von Patientinnen mit Gebärmutterhalskrebs hoch. Die Behandlung gestaltet sich weiterhin sehr heterogen, wenngleich die verfügbaren Optionen stetig mehr werden. Mit der aktualisierten S3-Leitlinie erhalten die behandelnden Kollegen nun eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe an die Hand.
Dass die Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs sinkt, liegt massgeblich an den erfolgreichen Früherkennungsmassnahmen. Ungeachtet dessen bleibt das Zervixkarzinom eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. Wichtige Neuerungen in der aktualisierten S3-Leitlinie umfassen:
Diagnostik
Die bestehende TNM-Klassifikation bleibt die Grundlage der Diagnostik. Hinzu kommt die radiologische Schnittbildgebung in der aktuellen FIGO*-Klassifikation aus dem Jahr 2018. Die Stadieneinteilung ist zwar nach wie vor eine klinische, jedoch dürfen die Ergebnisse von radiologischer Bildgebung und Biopsie in die Feinlegung einfliessen.
Bei Patientinnen mit Zervixkarzinom ab mindestens FIGO IB2 bis einschliesslich FIGO III, bei denen sich ein MRI-Becken aus technischen Gründen nicht durchführen lässt, sollte die lokoregionäre Bildgebung im Rahmen des Staging CT Thorax/Abdomen/Becken erfolgen. Von einer PET-CT zur Diagnostik des primären Tumors raten die Leitlinienautoren ab. Allerdings kann die Methode in der Rezidivsituation zum Einsatz kommen, um grössere Lymphknoten- und Fernmetastasen vor geplanten lokalen Verfahren auszuschliessen.
Pathologie
Als prognostisch relevant erachten die Experten eine histopathologisch auf überwiegend architektonischen Kriterien beruhende Definition von Wachstumsmustern, den Silva-pattern. Bisher am besten untersucht sind diese bei Frauen mit HPV-high-risk-assoziierten Adenokarzinomen vom endozervikalen Subtyp.
Eine prognostische Bedeutung erfährt zudem die 2019 erarbeitete International Endocervical Adenocarcinoma Criteria and Classification (IECC). Diese unterteilt das Zervixkarzinom in HPV-assoziierte und nicht-HPV-assoziierte Tumoren inklusive ihrer jeweiligen Subtypen.
Neu hinzu kommt den Kollegen zufolge die Bezeichnung des multifokalen mikroinvasiven Karzinoms. Per definitionem handelt es sich dabei um den Nachweis histologisch voneinander klar separierter invasiver Foci, die einen minimalen Abstand von 0,2 cm aufweisen.
Nur grösste invasive Läsion relevant fürs Staging
Die Autoren raten dazu, jeden invasiven Tumorfocus gesondert in seiner Grösse anzugeben. Als stagingrelevant gilt dabei die grösste Einzelläsion.
Weitere Aktualisierungen in Bezug auf die Pathologie umfassen
- Bearbeitungshinweise für den Umfang der Aufarbeitung in Abhängigkeit von der Tumorgrösse, unter Berücksichtigung der intratumoralen Heterogenität,
- eine Empfehlung zur Dokumentation von isolierten Tumorzellen und Mikrometastasen in Lymphknoten entsprechend der Anforderungen im TNM-System sowie
- mehrere Empfehlungen, um die Aufarbeitung und Befundung von Sentinellymphknoten zu präzisieren.
Operation und medikamentöse Therapie
Dank einer Reihe belastbarer neuer Studien konnten die Experten ihre Empfehlungen zur Therapie des Gebärmutterhalskrebses untermauern. So findet sich im Leitlinien-Update u.a. der Hinweis, Patientinnen mit einem Zervixkarzinom FIGO IA1 und L1 sowie einem Tumor bis zu einer Grösse von zwei Zentimetern ohne Risikofaktoren eine Sentinellymphknotenbiopsie anzubieten.
Im Falle einer Operation ist das offene Verfahren gegenüber laparoskopischen Methoden zu bevorzugen. Bei Frauen mit Tumoren bis FIGO IB1 präferiert die Kommission die offene radikale Hysterektomie.
Die Inhalte zur primären Radiochemotherapie wurden in der aktualisierten Leitlinie bestätigt. Erhöht haben sich die Empfehlungsgrade für den Einsatz
- von intensitätsmodulierten Bestrahlungstechniken (Empfehlungsgrad B) sowie
- der MRI-geplanten Brachytherapie im Rahmen der primären Radiochemotherapie (EK).
Neoadjuvante Chemo bleibt Studien vorbehalten
Hinsichtlich der medikamentösen Behandlung gab es wenig Neues. Die Leitlinienautoren werten die neoadjuvante Chemotherapie weiterhin als einen experimentellen Ansatz, der ausserhalb von Studien nicht zum Einsatz kommen sollte.
Einzug in den Konsens fanden die Daten der GOG240-Studie zu Bevacizumab in der rezidivierten oder metastasierten Situation. Mit Pembrolizumab steht eine weitere Behandlungsoption zur Verfügung.
Lokalrezidive und Fernmetastasen
Die Empfehlungen bezüglich der Therapie von Lokalrezidiven haben sich nicht verändert. Anders das Management von Fernmetastasen:
- Die palliative medikamentöse Behandlung sollte in Form einer platinhaltigen Kombinations-Chemotherapie durchgeführt werden (Grad B).
- Eine erneute Cisplatingabe kann nach einer Radio(chemo)therapie mit Cisplatin als Radiosensitizer erfolgen (Grad 0).
- Alternativ zu Cisplatin bietet sich für die Mono- und Kombinationstherapie der Einsatz von Carboplatin an (Grad 0).
- Im Fall von cisplatinnaiven Frauen ist Cisplatin zu bevorzugen (Grad B).
- Patientinnen mit metastasiertem oder rezidiviertem/persistierendem Tumor sollten simultan Bevacizumab zur palliativen Erstlinien-Chemotherapie aus Cisplatin/Paclitaxel bzw. Topotecan/Paclitaxel erhalten. Und das unabhängig von einer Vorbehandlung mit einer Radio(chemo)therapie (Grad B).
- Checkpoint-Inhibitoren bilden für Frauen mit PD-L1+ metastasiertem Zervixkarzinom eine zusätzliche Möglichkeit (EK).
Kinderwunsch
In dem neuen Kapitel raten die Kollegen, Frauen mit Zervixkarzinom im Frühstadium und Kinderwunsch eine fertilitätserhaltende Behandlungsoption anzubieten.
* Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstétrique
S3 Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom, AWMF-Register-Nr. 032/033OL, www.awmf.org