Bei spontaner Koronardissektion genügt meist eine konservative Therapie
Die spontane Koronararteriendissektion muss diagnostisch unbedingt vom «normalen» atherosklerosebedingten Myokardinfarkt abgegrenzt werden. Denn die Behandlungen unterscheiden sich grundlegend voneinander.
Zwar machen akute Ischämien, die auf einer spontanen Koronararteriendissektion (SCAD) beruhen, nur 1 % aller Herzinfarkte aus. Bei Frauen unter 50 Jahren beruht laut Kohortenstudien jedoch jeder dritte bis vierte Infarkt auf einer SCAD. Als wahrscheinliche Trigger gelten u.a. emotionaler und physischer Stress (z.B. durch Erbrechen oder starkes Husten), Stimulanzienge- und missbrauch sowie hormonelle Einflüsse. Klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren finden sich seltener, schreibt Dr. Esther Kim vom Vanderbilt University Medical Center in Nashville.
Erstmanifestation einer fibromuskulären Dysplasie?
Aus Registerdaten geht hervor, dass Betroffene ausserhalb der Koronarien oft weitere Gefässanomalien aufweisen. Da häufig eine fibromuskuläre Dysplasie entdeckt wird, könnte die SCAD deren erste Manifestation sein.
Jedoch gibt es Begleitbefunde wie viszeralarterielle Aneurysmen auch ohne die Dysplasie, sodass die spontane Koronardissektion zumindest als milde Form einer systemischen Arteriopathie betrachtet werden kann, welche die Gefässwand vulnerabel für bestimmte Trigger macht.
In den meisten Fällen kommt eine spontane Dissektion als akuter Myokardinfarkt zum Vorschein. 27 % der initial durchgeführten Troponintests fallen allerdings normal aus, weshalb Dr. Kim bei klinischem Verdacht erhöhte Wachsamkeit fordert. Eine Angiografie kann die Läsion dingfest machen. Die angiografische Klassifikation hängt im Wesentlichen davon ab, ob ein Intimariss vorliegt oder nicht.
Besteht diagnostische Unklarheit, kommen weitere Verfahren zum Einsatz (intravaskulärer Ultraschall, optische Kohärenztomographie bzw. CT-Angiografie). Ein SCAD-bedingter Herzinfarkt erfordert schliesslich eine Schnittbildgebung des übrigen arteriellen Gefässsystems (CT- oder MR-Angio), so die Autorin.
Eine frühzeitige Diagnose der spontanen Dissektion ist essenziell, weil die Therapie – anders als die des atherosklerosebedingten Infarktes – bevorzugt konservativ erfolgt. Es konnte angiografisch gezeigt werden, dass SCAD-Läsionen unter Pharmakotherapie abheilen, Blutfluss und Gefässdurchmesser normalisieren sich. Klinische Stabilität vorausgesetzt, lassen sich etwa 80 % der Patienten erfolgreich medikamentös behandeln.
Gefässplaques pathogenetisch irrelevant
Bei der SCAD kommt es durch eine Mediadissektion oder Ruptur von Vasa vasorum zu einer intramuralen Blutung mit Bildung eines intramuralen Hämatoms. Wird das Gefässlumen durch einen Dissektionslappen (falls Intima eingerissen) oder durch Zunahme des Hämatoms eingeengt, resultiert ein akuter Infarkt. Atherosklerose, iatrogene Verletzungen oder Traumata spielen in der Pathogenese keine Rolle. Vielmehr kann die spontane Koronararteriendissektion die erste Manifestation einer zugrunde liegenden systemischen Arteriopathie sein.
Die perkutane Intervention (PCI) dagegen geht bei der Dissektion mit schlechteren Kurz- und Langzeitergebnissen einher. Sie schützt auch nicht vor Rezidiven, da sich diese meist in einem anderen Gefäss als initial bilden. In jedem Fall handelt es sich um eine komplexe Therapieentscheidung, räumt Dr. Kim ein. Zumal die Empfehlungen bis dato nicht auf randomisierten Studien, sondern auf Expertenkonsens beruhen. Hochrisikomerkmale, die für eine Intervention sprechen, umfassen u.a.:
- anhaltender Brustschmerz und progrediente Ischämie
- signifikante Arrhythmien
- schwere proximale Dissektionen ggf. in mehreren Gefässen
- unzureichender distaler Flow
Ob PCI oder koronarer Bypass, beide Interventionen bergen bei SCAD besondere Risiken. Patienten sollten drei bis fünf Tage im Spital bleiben, denn rezidivierende ischämische Ereignisse treten gerade in den ersten Tagen gehäuft auf.
Falls eine Antikoagulation im Rahmen der Infarktversorgung angesetzt wurde, sollte man diese nach der Diagnose einer spontanen Koronararteriendissektion absetzen. Sonst droht womöglich eine Ausdehnung. Eine duale Plättchenhemmung dagegen kann in der Akutphase erwogen und bis zu einem Jahr fortgesetzt werden (Expertenkonsens). 90 % aller Betroffenen verlassen die Klinik mit mindestens einem Plättchenhemmer.
Brustschmerzen können mehrere Monate anhalten
Empfehlenswert ist der Einsatz von ACE-Hemmern bzw. Sartanen und Betablockern. Letztere dienen anscheinend auch der Rezidivprophylaxe. Brustschmerzen, die nach einem SCAD-bedingten Infarkt mehrere Monate anhalten können, begegnet man mit einer antianginösen Therapie. Die routinemässige Gabe von Statinen ist aufgrund fehlender atherosklerotischer Plaques nicht erforderlich. Ein hochintensives Ausdauertraining, isometrisches Training und Übungen bis zur Belastungsgrenze sollten die Patienten meiden.
Kim ESH. N Engl J Med 2020; 383: 2358–2370; doi: 10.1056/NEJMra2001524