Erkrankung auch bei fehlenden radiologischen Befunden möglich
Ein Patient kommt mit Rückenschmerzen in die Sprechstunde. Schon wieder einer, stöhnen Sie heimlich. Aber vielleicht steckt doch etwas viel Schwerwiegenderes dahinter, als Sie zunächst vermuten?
Tief sitzende Rückenschmerzen sind meist kurzlebiger Natur, haben mechanische Ursachen und sprechen gut auf Medikamente an. Doch in einigen Fällen gehen sie in eine chronische Form, definiert mit einer Dauer > 3 Monate, über. Dann kann auch eine axiale Spondyloarthritis (axSpA) dahinterstecken, die immer noch sehr spät entdeckt wird, erklären Dr. Christopher Ritchlin von der Allergy, Immunology & Rheumatology Division der University of Rochester und Kollege. Den Verdacht darauf sollten diese Zeichen des entzündlichen Rückenschmerzes wecken, vor allem bei Jüngeren:
- Beschwerdebeginn meist vor dem 40. Lebensjahr
- schleichend einsetzende Schmerzen, nicht akut wie etwa bei einer ungeschickten Bewegung
- Morgensteifigkeit der Gelenke
- Die Schmerzen sind nachts stärker ausgeprägt als tagsüber und
- bessern sich bei Belastung.
Darüber hinaus gibt es einige weitere Kriterien, die auf eine SpA hindeuten (s. Kasten).
Lange Zeit forderten die Leitlinien der Fachgesellschaften für die Diagnose den Nachweis entzündlicher Veränderungen in den Iliosakralgelenken im Routineröntgenbild. Mittlerweile herrscht Einigkeit darüber, dass eine Subgruppe von Kranken existiert, die zwar typische Symptome und klinische Befunde der Spondyloarthritis aufweist, aber eben (noch) keine radiologischen Anzeichen. Das bezeichnet man heute als nichtradiologische axSpA. Dementsprechend wurde die Klassifikation ergänzt: Die Krankheit gilt heute bei dominierender axialer Manifestation – chronischer Rückenschmerz über mehr als 3 Monate, Beginn vor dem 45. Lebensjahr – als gesichert, wenn
- im Nativröntgen eine Sakroiliitis plus mindestens ein weiteres der genannten Charakteristika vorliegt oder
- ein Patient HLA-B27-positiv ist und mindestens zwei weitere Charakteristika aufweist.
Hängen Sie sich aber nicht zu sehr an den einzelnen Klassifikationen auf, empfehlen die Autoren – sie sind zwar hilfreich und etwa für klinische Medikamentenstudien unverzichtbar. Ansonsten spielt aber der Patient mit seiner individuellen Symptomatik die Hauptrolle, wenn es um Diagnosen und Differenzialdiagnosen geht.
MRI zeigt schon früh entzündliche Prozesse
Die Magnetresonanztomografie hat sich zum wichtigen Hilfsmittel gemausert, denn es zeigt schon früh entzündliche Veränderungen. Das erlaubt oftmals den Beginn einer wirksamen Therapie, bevor der Kranke erst eine Odyssee durchlaufen muss.
Und in dieser Richtung lässt sich mittlerweile einiges machen. Die Schmerzen behandeln Sie am besten mit NSAR – wobei sich die positive Wirkung der Substanzen kaum unterscheidet. Einige Experten empfehlen Physiotherapie und regelmässiges körperliches Training, aber darüber streiten sich die Fachleute noch – am besten probieren Sie mit Ihrem Patienten aus, ob es ihm guttut.
Glukokortikoide gehören dagegen nicht ins Instrumentarium, denn die langfristig notwendigen hohen Dosen führen zu massiven Nebenwirkungen. Ähnliches gilt für die konventionellen DMARD* wie Sulfasalazin oder Hydroxychloroquin – allerdings weil sie hier nicht helfen. Neben den nichtsteroidalen Antirheumatika stellen TNF-α-Blocker einen wichtigen Teil des Medikamentenplans dar, z. B. Adalimumab oder Infliximab. Sie haben sich vor allem bei radiologischer SpA bewährt.
Als man 2005 entdeckte, welche zentrale Rolle der Interleukin(IL)-17-Interleukin-23-Signalweg bei der Entzündungsreaktion der Spondyloarthritis spielt, hielt man eine neue Behandlungsära für gekommen: Einfach Inhibitoren für diese Moleküle entwickeln, und schon ist die Entzündung vergessen.
Doch die bisher verfügbaren Hemmer von IL-23 wirken nicht auf die axialen Symptome. Experten zerbrechen sich derzeit die Köpfe über den Grund. Bessere Erfolge zeigen Blocker von IL-17, wie Secukinumab oder Ixekizumab, sie wirken ähnlich gut wie TNF-α-Antagonisten.
Typische Begleitbefunde bei axialer Spondyloarthritis
- Arthritis
- Daktylitis
- Enthesitis (Ferse)
- Uveitis
- Psoriasis(-Arthritis)
- chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
- positive Familienanamnese
- deutliche Schmerzlinderung durch NSAR
- erhöhtes CRP
- HLA-B27-positiv
Eine individuellere Therapie scheint möglich
Die Pipeline der Hersteller ist noch mit weiteren Kandidaten gefüllt, die an anderen Stellen der inflammatorischen Kaskade angreifen sollen, etwa an den verschiedenen Januskinasen. Aber auch die Hemmung von Wachstumsfaktoren (etwa GM-CSF) ist im Gespräch. Und schliesslich greifen IL-17-Hemmer teils an unterschiedlichen Subunits des Interleukins an, die wiederum in verschiedene Zellen und Geweben vorkommen. Eine noch individuellere Therapie scheint damit möglich.
* disease-modifying antirheumatic drugs
Ritchlin C, Adamopoulos IE. BMJ 2021; 372: m4447; doi: 10.1136/bmj.m4447.