MRT kann eine Entscheidung zeigen, bevor man sie trifft
Durch die funktionelle Bildgebung können Forscher mit 70%iger Genauigkeit vorhersagen, ob eine Person zwei Zahlen entweder addieren oder subtrahieren wird – und das Sekunden bevor sie ihre Wahl getroffen hat, allein auf Basis ihrer Gehirnaktivität, berichtet Professor Dr. John-Dylan Haynes vom Bernstein Center for Computational Neuroscience der Berliner Charité. Ähnliche Erfolge konnten Wissenschaftler für Gedächtnis- und Trauminhalte, visuelle Wahrnehmung sowie Emotionen erzielen.
Gedankenlesemaschine ist nicht so bald zu erwarten
Möglich macht das die Kombination von funktioneller Magnetresonanztomografie und einem eigens entwickelten Computeralgorithmus, der in den Aufnahmen sozusagen den unverwechselbaren «Abdruck» eines Gedankens erkennt. Dass das so gut funktioniert, hängt mit der Funktionsweise des Gehirns zusammen, schreibt Prof. Haynes. Was genau gedacht wird, ist nicht in den einzelnen Nervenzellen gespeichert, sondern in einem räumlich verteilten neuronalen Aktivitätsmuster.
Die Entwicklung einer universellen Gedankenlesemaschine, welche die mentalen Zustände einer Person mit beliebiger Detailschärfe ausliest, sei auf lange Sicht jedoch nicht zu erwarten, glaubt der Experte. Dem stehen vor allem drei Gründe im Weg. Hindernis Nummer eins: Der Kernspintomograf beeindruckt zwar mit einer recht hohen räumlichen Auflösung. Um das sogenannte brain reading wirklich erfolgreich betreiben zu können, wäre eine noch genauere Auflösung im Halb-Millimeter-Bereich der kortikalen Kolumnen notwendig. Das sei noch ferne Zukunftsmusik.
Keine zwei Leute denken den gleichen Gedanken gleich
Grund Nummer zwei: Die Technik ist zu langsam und kann die Gehirnaktivität nur zeitversetzt auslesen. Drittens kann sie den Gedanken aktuell nur dann identifizieren, wenn sie zuvor sein Aktivitätsmuster kennengelernt hat. Das heisst, bevor man einen bestimmten Gedanken dekodieren kann, müsste man die betreffende Person im Scanner jeden möglichen Gedanken einmal denken lassen und das zugehörige Muster erfassen. Und als wäre das nicht genug, unterscheiden sich diese Abdrücke zwischen einzelnen Personen in der Regel komplett voneinander.
Realistisch seien aktuell deshalb nur simple binäre Anwendungen, etwa die Klärung der Frage: «Lüge – ja oder nein?». Tatsächlich hat man in einfachen Lügenexperimenten bereits hohe Trefferquoten erzielt. Solche Experimente bleiben allerdings noch sehr weit von der realen Einsatzmöglichkeit entfernt, da diese künstlichen Lügen keinen Aufschluss über «wahres» Lügen im Kontext polizeilicher oder gerichtlicher Verfahren geben, so Prof. Haynes. Ausserdem bleibt der Sinn eines Lügendetektors fraglich, der auf die Mithilfe der Probanden angewiesen ist, weil bereits kleinste Bewegungen des «Verdächtigen» im Scanner die Messergebnisse unbrauchbar machen.
Haynes JD. Nervenheilkunde 2018; 37: 507–512.