Erfolgreiche Behandlung urogenitaler Tumoren mit Checkpoint-Inhibitoren
LONDON – Am 32nd European Association of Urology (EAU) Congress gehörten Checkpoint-Inhibitoren zu den wichtigsten Innovationen bei der Behandlung von urogenitalen Karzinomen. Im Anschluss an das Symposium «Checkpoint-Inhibitors: Summary of latest data in GU cancers» sprachen wir mit Chairman Professor Dr. Marc-Oliver Grimm, Jena, und baten ihn um eine Bilanz zum momentanen Stellenwert dieser ungewöhnlich erfolgreichen Therapien.
Die Erfolgsgeschichte der Checkpoint-Inhibitoren startete mit der erfolgreichen Behandlung von malignen Melanomen und Lungenkarzinomen. Studien beim Nierenzellkarzinom (RCC) und Urothelkarzinom deuten darauf hin, dass auch hier hohe Ansprechraten gepaart mit akzeptablem Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil gefunden werden.
Prof. Grimm: Das trifft teilweise zu. Im klinischen Alltag werden inzwischen Antikörper gegen zwei Immun-Checkpoints (CTLA4 und PD1 bzw. PD-L1) eingesetzt.
Prof. Grimm: Wir hatten vor zehn Jahren bereits eine unspezifische Immuntherapie, bestehend aus Interferon und Interleukinen, mit Ansprechraten unter 10 %. Diese Therapieform trat in den Hintergrund, als antiangiogenetische Wirkstoffe und mTOR-Inhibitoren zugelassen wurden. Diese repräsentieren bisher die Standard-Erstlinientherapie. Mit den Angiogenesehemmern erreichte man in der Erstlinienbehandlung Ansprechraten zwischen 25 % und 30 %. In der Zweitlinienbehandlung ist die Rate erheblich geringer. Vor etwa einem Jahr kam dann der erste Checkpoint-Inhibitor auf den Markt, der Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab, und damit ein neues Wirkprinzip.
Prof. Grimm: Mit Nivolumab gelingt bei einem von vier Patienten eine Rückbildung des Tumors, verbunden mit einem längeren Überleben. In einer zulassungsrelevanten Studie lebten die vorbehandelten RCC-Patienten unter Nivolumab ein halbes Jahr länger – bei relativ guter Verträglichkeit und Lebensqualität. Das macht einen grossen Unterschied zur bisherigen Standardtherapie, die mit belastenden Nebenwirkungen einherging.
Prof. Grimm: Bisher war das eine Chemotherapie, und zwar eine platinhaltige Variante in der Erstlinientherapie. Momentan laufen Studien, um die Chemotherapie durch Checkpoint-Inhibitoren abzulösen. Als Zweitlinientherapie kamen Taxane oder Vinflunin zum Einsatz, mit Ansprechraten von etwa 10 %. Ausserdem war der Überlebensvorteil gegenüber Best Supportive Care gering. In der Zweitlinientherapie zeigen aktuelle Studien mit PD-1 bzw. PD-L1 Antikörpern jetzt ebenso wie beim RCC Vorteile in Bezug auf Ansprechrate, Überlebenszeit, Nebenwirkungen und Lebensqualität. In den USA sind auf dieser Basis mittlerweile zwei Antikörper zugelassen (Atezolizumab, Nivolumab). In Europa werden diese und weitere PD-1/PD-L1-Immun-Checkpoint Inhibitoren wahrscheinlich ebenfalls in diesem Jahr zugelassen werden.
Prof. Grimm: Mit PD-1/PD-L1-Checkpoint-Inhibitoren erreichen wir bei der Blase ein Ansprechen bei etwa 20–25 % der Patienten. Diese Patienten haben dann häufig sehr lang anhaltende Remissionen. Leider ist mindestens ein Drittel der Patienten unter PD-1/PD-L1 Inhibition primär progredient. Unser Ziel muss also sein, die Effektivität der Behandlung zu verbessern. Da kommen dann Kombinationen z. B. mit einem Anti-CTLA-4 Antikörper, aber eventuell auch mit einer Chemotherapie in Betracht.
Diese Kombinationen werden derzeit vor allem in der Erstlinienbehandlung in Studien untersucht. Bei der Niere werden wir die ersten Daten für die Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab gegenüber einer bisherigen Standard-Erstlinienbehandlung (Sunitinib) schon in diesem Jahr sehen. Bei der Blase liegen erste Phase-I/II-Daten vor. Letztlich kann man davon ausgehen, dass sich durch die Kombination aus Anti-PD-1/PD-L1 und Anti-CTLA-4 die Ansprechrate je nach Tumorart um etwa 60 % verbessern lässt. Das wäre natürlich hervorragend, wenn wir beim metastasierten Nieren- oder Blasenkarzinom mit dieser Therapie lang anhaltende Remissionen bei 35–40 % der Patienten erzielen könnten.
Um gravierende Folgeerscheinungen zu vermeiden, muss man die Immunreaktion rasch unterbrechen, in der Regel mit Kortison. Wird die unerwünschte Immunantwort nicht frühzeitig unter Kontrolle gebracht, kann die Gabe von weiteren Immunsuppressiva erforderlich werden. Mit diesen möglichen Begleitphänomenen sollten die Urologen und Onkologen ebenso vertraut sein wie die Hausärzte. Es ist also eine wichtige Aufgabe, andere Ärzte entsprechend zu schulen. Das Thema wird eine noch grössere Bedeutung bekommen, wenn sich die Kombinationstherapien durchsetzen. Mit diesen sind entsprechende Nebenwirkungen nämlich deutlich häufiger. Hier führen wir selbst gerade Therapie-Optimierungsstudien durch, um die Nebenwirkungsrate bei gleicher Effektivität zu reduzieren.