Richtiger Sattel beugt Abszessen und Orgasmusstörungen vor
Velofahren schadet nicht nur der Männergesundheit. Auch bei Frauen kann sich der intensive Gebrauch des Zweirades negativ auf Urogenitalbereich und Beckenboden auswirken. Die Schäden reichen von Intertrigo und neuropathischem Schmerz bis zu Orgasmusschwierigkeiten.
Am häufigsten haben es Velofahrerinnen mit Beschwerden des Urogenitalsystems zu tun. Auch Probleme an Gesäss und Schambein sind nicht selten: Vor allem Mikrohämatome, Entzündungen und degenerative Prozesse sorgen bei passio-nierten Radfahrerinnen für Schmerzen und Druckempfindlichkeit in der Dammregion.
Untersuchungen bei Leistungssportlerinnen geben recht detailliert Aufschluss über die neuropathischen Folgen intensiven Radfahrens. Weitverbreitet sind Taubheitsgefühl und brennende Schmerzen im Genitalbereich, ausgelöst durch eine Kompression des N. pudendus zwischen Sattel und Schambein.
N. pudendus zwischen Sattelund Schambein komprimiert
Dabei besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Satteltyp und den Symptomen. Je breiter der Sattel, desto besser ist die Gewichtsverteilung und desto geringer ist die Druckbelastung auf die Tubera ischiadica, schreibt eine österreichische Arbeitsgruppe.
Erektile Dysfunktion und Pudendusneuropathien, aber auch Dauererektionen und Unfruchtbarkeit– diese urologischen Symptome sind bei männlichen Radsportlern wohl bekannt. Ähnliches können sich aber auch Frauen durch zu intensives Radfahren einhandeln: Eine Hämaturie ist bei Radsportlerinnen nicht selten zu finden, ebenso Miktionsschwierigkeiten oder Probleme, einen Orgasmus zu erreichen. Je intensiver trainiert wird, desto häufiger stellen sich auch urologische Probleme ein.
Hautverletzungen wie Schürfwunden oder Intertrigo lassen sich bei Velofahrern – Männern wie Frauen – häufig beobachten. In der Regel entstehen diese Läsionen in Hautfalten oder durch die Reibung der Haut an der Kleidung. Auch Ulzerationen, Follikulitiden und dermale Abszesse treten vermehrt auf. Das kann zu erheblichen Komplikationen führen, wie ein Fallbericht zeigt. Bei einer Radsportlerin war es durch intensives Training mit wechselnden Velos zu rezidivierenden Abschürfungen gekommen. Diese führten als Eintrittspforte schliesslich zu bilateralen Vulva-Abszessen, die chirurgisch versorgt und antibiotisch behandelt werden mussten.
Für das unilaterale Lymphödem der Labia majora wurde mittlerweile der Begriff der «Radfahrerinnen-Vulva» geprägt. Diese Hypertrophie der Vulva wurde in einer Fallserie mit sechs Radsportlerinnen ausführlich beschrieben. Bei den Frauen waren nicht nur die entzündlichen Hautveränderungen im Bereich der Druckfläche des Sattels aufgefallen, sondern auch markante Vernarbungen als Folge von Intertrigo und chronischer Follikulitis. Bei einer der Frauen konnte zudem eine Insuffizienz des oberflächlichen Lymphsystems sowie eine niedrigere Kontrastmittelaufnahme des rechten lumboaortalen Lymphknotens nachgewiesen werden. Als Ursache kommt z. B. eine kompressionsbedingte Schädigung des Lymphabflusses in der Inguinalregion infrage.
Höhere Position derLenkstange anstreben
Bei einer anderen Gruppe von Sportlerinnen – untersucht wurden vier Mountainbikerinnen und zwei Reiterinnen – liess sich eine disseminierte klitorale Mikrolithiasis nachweisen. Zwar blieb die Ätiologie der Einlagerungen unklar. Ursache waren vermutlich Mikrotraumen, die zu Mikrohämatomen der Klitoris und in der Folge zur Mikrolithiasis führten.
Entscheidend für die Prävention derartiger Beschwerden – von Hautabschürfungen bis zu neurologischen Dysfunktionen – scheint das Design des Sattels zu sein. Aus ärztlicher Sicht sollte der Sattel eher breit ausfallen, vorne mit kurzer Nase. Schmale, langgezogene Sättel und Lochsättel konzentrieren dagegen die Druckpunkte auf ungünstige Bereiche der Dammregion, was den beschriebenen pathologischen Veränderungen förderlich sein dürfte. Auch eine höhere Position der Lenkstange, nach Möglichkeit über dem Niveau des Sattels, nimmt den Druck von der Dammregion und dürfte so Beckenbodenschäden bei Fahrradfahrerinnen vorbeugen.
Tobias StolzenbergLyatoshinsky P et al. J Urol Urogynäkol 2016; 23: 4–9.