Patienten mit Alopecia areata beraten
Bei der Alopecia areata spielen Autoimmunvorgänge eine zentrale Rolle: Lymphozyten infiltrieren die Umgebung der Haarzwiebel wie ein Bienenschwarm, veranschaulichte es Professor Dr. Hans Wolff von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zytotoxine von T-Lymphozyten und Zytokine bewirken, dass der Haarfollikel reversibel lahmgelegt wird.
Infolge der subklinischen Entzündung kann im Haarschaft keine geordnete Keratinbildung mehr stattfinden. Sistiert die Entzündung, können aber jederzeit neue Haare nachwachsen.
Rätselraten um Ursachen und Auslöser
Zusammenhänge zwischen Alopecia areata und Atopien bestehen auf jeden Fall: Bis zu 40 % der betroffenen Kinder haben Neurodermitis und Heuschnupfen, so Prof. Wolff. Dass der kreisrunde Haarausfall nicht selten auch familiär gehäuft auftritt, spricht ebenfalls für eine genetische Komponente.
Zweifel hat der Experte dagegen an gängigen Theorien zu den Ursachen akuter Schübe. Die beliebten Erklärungen "Stress" und "seelische Belastung" besitzen nach seiner Erfahrung keine Relevanz. Ebenso wenig sollte man Mobilfunkmasten und Wasseradern anschuldigen – oder Umweltfaktoren wie Holzschutzmittel oder Formaldehyddämpfe. Auch Mangelzustände können laut Prof. Wolff keine Alopecia areata auslösen.
In vielen Fällen kommt es zur Spontanremission Klinisch manifestiert sich die Alopecia areata bekanntlich in kreisrunden, zunächst münzgrossen, kahlen Stellen, die eventuell zu grösseren haarlosen Arealen konfluieren.
Der sogenannte Ophiasis-Typ der Alopecia areata betrifft vor allem den okzipitalen Haaransatz. Bei manchen Patienten fallen auch Augenbrauen, Wimpern und Bart aus und in extremen Fällen verlieren die Betroffenen alle Körperhaare. Eventuell finden sich auch Auffälligkeiten an den Fingern in Form von Tüpfel- oder Sandpapiernägeln.
Die Tatsache, dass es – glücklicherweise – oft zu Spontanremissionen kommt, erschwert es, konkrete Therapieansätze zu beurteilen.
Welche Optionen stehen im konkreten Fall zur Verfügung?
Weist der Patient nur wenige Herde auf, fährt man eher eine defensiv Strategie. Auch wenn es für einen Kausalzusammenhang mit Mangelzuständen keine Belege gibt, probiert Prof. Wolff es durchaus mit Zinktabletten (3–6 Monate lang), denn möglicherweise kann dieses Spurenelement das überaktive Immunsystem beruhigen. Topisch können Glukokortikoide bis zu drei Monate lang angewandt werden – oft allerdings mit mässigem Erfolg.
Nicht bewährt haben sich Tacrolimus und Pimecrolimus, Dithranol und UV-Bestrahlungen. Kortikoide intradermal versucht man allenfalls an kleinen stabilen Arealen (cave Hautatrophie!).
Immunsuppressiva ohne überzeugende Wirkung
Wenn im akuten Schub die Haare büschelweise ausfallen, geraten Patient – und Arzt – verständlicherweise in Panik. Von systemischen Kortisontherapien rät Prof. Wolff dennoch ab.Der Effekt ist nach seiner Erfahrung enttäuschend, die Nebenwirkungsgefahr (von Akne bis Hüftkopfnekrose) zu hoch. Therapeutisch nicht bewährt hat sich eine immunsuppressive Therapie z.B. mit Steroiden, Ciclosporin und TNF-α-Blockern.
Als erfolgversprechsenste Massnahme gilt nach wie vor die Induktion eines allergischen Ekzems mit dem Kontaktallergen Diphencypron (DCP). Dieses beeinflusst die Zytokinsignale und bremst den Lymphozytenangriff gegen die Haarfollikel ab.
Im Alltag klarkommen
Kahler Kopf und Frust bei der Therapie – wie können betroffene Patienten in ihrem täglichen Leben mit dieser Belastung klarkommen? Selbsthilfegruppen wie Alopecia areata Deutschland e.V. bieten ein Forum zum Erfahrungsaustausch und eine Quelle für gute Tipps.
Zur DCP-Therapie sollte man die Patienten in die Obhut erfahrener, speziell geschulter Ärzte geben. Die Kosten dieses "individuellen Heilversuchs" von 250–500 € pro Quartal muss der Patient in der Regel selbst tragen.
Hoffnung wecken neue Studien mit Januskinaseinhibitoren (Tofacitinib und Ruxolitinib). Doch hohe Kosten bis in den fünfstelligen Bereich und z.T. ernste Nebenwirkungen stehen einem klinischen Einsatz im Wege. Dermatologen setzen nun auf die Entwicklung topisch anwendbarer Januskinaseinhibitoren.
Quelle: Hans Wolff, Internist 2015; 56: 1196-1208