Hilfe für Patienten mit Burnout und Boreout
"Gesundheitsschädliche Schwierigkeiten in der Lebensführung", heisst die Umschreibung im ICD-10 für das Burnout-Syndrom. Als typische Folgen gelten Angststörungen und Erschöpfungsdepression. Die Erschöpfung als klinisches Kernsyndrom betrifft verschiedene Bereiche, wie Dr. Toni Brühlmann vom ambulanten Zentrum Zürich, Privatklinik Hohenegg, erläutert:
- körperlich: z.B. muskuläre Schwäche
- emotional: z.B. Bedrücktheit
- motivational: z.B. Antriebsschwäche
- kognitiv-mnestisch: z.B. Konzentrationseinbussen
- sozial: z.B. Rückzug
Stress-Symptome wie Schlafstörungen, vegetative Beschwerden, Verspannungsschmerzen und Panikattacken führen in der Folge immer weiter in die Abwärtsspirale. Patienten mit
Ist schon der Begriff Burnout umstritten, stellt der Boreout noch viel weniger eine medizinische Kategorie dar, schreibt der Kollege. Was ist gemeint? So wie ein Burnout-Patient fortwährend unter der Diskrepanz zwischen zu hohen Anforderungen und dem eigenen Leistungsvermögen leidet, quält sich der Boreout-Patient mit Unterforderung. Es fehlt ihnen an echten Herausforderungen.
Die gundsätzlich leistungswilligen und motivierten Mitarbeiter geraten durch Mangel an interessanten Aufgaben und Anerkennung in eine narzisstische Krise. Sie setzen kompensatorisch dysfunktionale Verhaltensstrategien ein: Um die Illusion von Beschäftigt- und Ausgelastetsein aufrecht zu erhalten, ziehen sie Arbeiten in die Länge, berufen unnötige Meetings ein, sind morgens der Erste und abends der Letzte. Gleichzeitig "de-identifizieren" sie sich mehr und mehr mit ihrem Job, und dieser Stress verursacht ähnliche Symptome wie das Burnout-Syndrom.
Als Kernsymptom tritt "frustrierende Leere" anstelle der "Erschöpfung", schreibt Dr. Brühlmann. Es resultieren:
- körperlich: Mattigkeit, Müdigkeit
- emotional: Frust, Lustlosigkeit
- motivational: Antriebsverlust
- kognitiv-mnestisch: geringeres Aufnahmevermögen
- sozial: Rückzug, Gereiztheit
Ein Boreout kann sich also präsentieren wie ein Burnout, die Folgen wie Depression und somatoforme Störungen ähneln sich. Es ist möglich, dass sich hinter einem vermeintlichen Burnout ein Boreout versteckt, erklärt der Züricher Kollege. Patienten, die von einem der beiden Krankheitsbilder betroffen sind, suchen zumeist primär Hilfe bei ihrem Hausarzt.
Der erste Schritt heisst immer Arbeitscoaching
Wie aber kann dieser dazu beitragen, einen Ausweg aus der Abwärtsspirale zu finden? Der erste Schritt heisst immer Arbeitscoaching, wobei sich die Ansätze unterscheiden: Der Burnout-Patient muss seine Überlastung wahrnehmen und sie mit seinem Vorgesetzten thematisieren. Der Boreout-Patient wiederum darf sich vor seiner "beschämenden Situation" nicht länger verstecken. Er muss die Widersinnigkeit seiner paradoxen Kompensationsversuche einsehen lernen. Bestenfalls sucht er mit seinem Vorgesetzten ein Gespräch über seinen Wunsch nach höheren Anforderungen.
Vielleicht müssen auch professionelle "Coaches" konsultiert oder Umbesetzungsmassnahmen erwogen werden. Beim sogenannten Lebenscoaching thematisiert der Arzt mit seinem Patienten dessen Alltagsgestaltung mit dem Ziel, eine neue Balancierung zu finden. Der Kranke soll genügend Zeit der Familie, den Freunden, kreativen und sportlichen Hobbys widmen und diese klar von der Arbeit abgrenzen.
Das Privatleben muss geschützt und gestärkt werden
Vor allem für Boreout-Patienten gilt: Das Privatleben muss geschützt werden – Fragen und Probleme rund um Arbeit und Arbeitgeber sollten in der Freizeit nicht diskutiert werden. Körpertherapien wie z.B. Feldenkrais, Meditation, Kreativ- und Entspannungskurse empfiehlt der Schweizer Experte seinen Patienten ebenfalls. Und unbedingt sollte man den Betroffenen sportliche Aktivitäten anraten.
Psychotherapeutische Verfahren setzen vor allem auf Edukation und Verhaltenstherapie. Der Burnout-Patient muss erkennen lernen, wie er sich durch rigide innere Antreiber selbst überfordert – und lernen, Nein zu sagen. Beim Boreout ist hingegen Folgendes wichtig: Betroffene sollten einsehen, dass sie durch ihre Verschleierungstaktik die Unterforderung nur noch verschlimmern – und überlegen, wie sie neue Aufgaben erobern können.
Psychotherapeutische Verfahren setzen auf Erkenntnis und Verhaltenstherapie
Und soll man schwere Fälle in eine Klinik schicken? Burnout-Patienten kann eine mehrwöchige Arbeitspause guttun, sodass der Aufenthalt in einer spezialisierten Klinik erwägenswert ist. Beim Boreout wäre der Experte vorsichtiger: Die Distanzierung zur Arbeitswelt kann sich hier negativ auswirken.
Quelle: T. Brühlmann Swiss Medical Forum 2015; 15: 387-390