Delir bei Sterbenden: jetzt richtig reagieren
Rascher Beginn, fluktuierender Verlauf, Bewusstseins-, Aufmerksamkeits- und Denkstörungen und dazu ein durcheinander geratener Tag-Nacht-Rhythmus: All diese Merkmale kennzeichnen das Delir.
Die Prävalenz des Delirs bei Patienten mit weit fortgeschrittenen Tumorleiden wird mit bis zu 42,3 % bei stationärer Aufnahme, und bis 62 % im Verlauf des Klinikaufenthaltes angegeben. Auf bis 88 % steigt die Inzidenz in den Wochen oder Stunden vor dem Tod. In etwa jedem zweiten Fall ist dieser Zustand reversibel, vor allem beim erstmaligen Auftreten.
Die grosse Frage: Lässt sich das Delir in der Sterbephase verhüten? Es gibt Hinweise dafür, dass frühe Erkennung und mehrstufige Interventionsstrategien von Nutzen sind (z.B. Beratung im Team, Konsil durch Psychiater, schriftliche Leitlinien zur Therapie).
Versuchen Sie es erst einmal ohne Medikamente
Aber nicht jedes Zeichen von Unruhe sollte eine Pharmakotherapie nach sich ziehen, mahnen die Autoren. Um terminal Kranke und ihre Angehörigen zu entlasten, empfehlen die Leitlinienautoren folgende Allgemeinmassnahmen:
- ruhige und orientierungsfördernde Umgebung,
- Sturzprophylaxe,
- ruhige Kommunikation und
- Kontinuität in der Betreuung.
Wenn bei Sterbenden mit einem Delir eine medikamentöse Behandlung notwendig erscheint, sollte man primär Haloperidol (beispielsweise 0,5–2 mg alle zwei bis zwölf Stunden) einsetzen.
Beste Evidenz für Haloperidol
Der Grund dafür, Haloperidol als Mittel der Wahl zu benennen, besteht darin, dass es für die "alte Substanz" die beste Evidenz gibt. Allerdings wirkt Haloperidol weniger gut auf hyperaktive Symptome – hier hat sich nach klinischer Erfahrung die Kombination von niedrigpotenten Antipsychotika wie Levomepromazin und/oder Benzodiazepine (z. B. Lorazepam oder Midazolam) mit Haloperidol bewährt. Bei sehr agitierten Patienten kann man auch Levomepromazin als Monotherapie versuchen – nicht dagegen Benzodiazepine!
Was weitere medikamentöse Therapiemöglichkeiten angeht, ist die Datenlage spärlich. Eine prospektive Longitudinalstudie ohne Kontrollgruppe beschreibt eine Besserung des Delirs nach Gabe von Olanzapin.
Erwähnt wird in der Leitlinie auch eine Fall-Kontroll-Beobachtungsstudie, die auf eine mögliche Wirkung von Aripiprazol hinweist – bei geringerer Nebenwirkungsrate im Vergleich zu Haloperidol. Ergebnisse einer grossen australischen randomisierten, kontrollierten Studie, in der Haloperidol mit Risperidon und Placebo verglichen wird, stehen in Kürze zur Verfügung.
Messinstrument fürs Delir
Die Confusion Assessment Method (CAM) als Diagnose-Instrument lässt sich regelmässig einsetzen bzw. als Anhaltspunkt für die Beobachtung nutzen.
- Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf: Fremdanamnestisch abklären muss man, ob es Hinweise auf eine akute Veränderung des geistigen Zustandes des Patienten gegenüber seinem Normalverhalten gibt und ob sich Tagesschwankungen innerhalb der qualitativen oder quantitativen Bewusstseinsstörung zeigen.
- Störung der Aufmerksamkeit: Hat der Patient Mühe, sich zu konzentrieren? Ist er leicht ablenkbar?
- Denkstörungen: Zeigt der Patient Denkstörungen im Sinne von inkohärentem, paralogischem, sprunghaftem Denken? Quantitative Bewusstseinsstörung: Jeder Zustand ausser "wach" (hyperalert, schläfrig, stuporös, komatös).
*diese Punkte sind für die Diagnose obligatorisch; ≥ 3 Punkte bedeuten ein wahrscheinliches Delirium.
Quelle: 1. Leitlinienprogramm Onkologie, S3-Leitlinie 2015 "Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung"