Medical Tribune
25. Nov. 2014ACE-Hemmern

ACE-Hemmer oder ARB – was ist Therapie der Wahl?

AT1-Rezeptor-Blocker sind mit dem Anspruch in der Hypertonietherapie angetreten, die "besseren ACE-Hemmer" zu werden. Wie der Wettkampf zwischen beiden heute steht, beleuchteten zwei Experten aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Um AT1-Rezeptor-Blocker (ARB, Sartane) und ACE-Hemmer zu vergleichen, sollte man nicht die Ergebnisse von Studien heranziehen, die beide Substanzgruppen getrennt untersucht haben, begann Professor Dr. Giuseppe Mancia vom Centro di Fisiologia Clinica e Ipertensione in Mailand. Denn die Evidenzbasis ist meist umfangreicher für die älteren ACE-Hemmer.

Das Risiko-Niveau der Patienten lag in Zeiten, als die Studien mit den älteren ACE-Hemmern liefen, noch höher als in späteren mit den neueren AT1-Blockern. Von einem höheren Risiko-Niveau aus gelingt es leichter, einen Benefit zu zeigen. Nicht zuletzt beobachtete man bei älteren Medikamenten auch deshalb einen grösseren Effekt, da sie oft noch gegen Placebo antraten.

ACE-Hemmer und ARB direkt vergleichen

"Um wirklich abwägen zu können, brauchen wir Head-to-Head-Studien", betonte Prof. Mancia. Eine Metaanalyse1von sechs Studien, die ACE-Hemmer mit ARB verglich, fand für beide Substanzgruppen vergleichbaren Einfluss auf die Endpunkte Infarkt und kardiovaskulärer Tod. Nur in der Reduktion des Schlaganfallrisikos zeigten ARB etwas bessere Effekte.

"Unter dem Strich schneiden aber ARB und ACE-Hemmer in der kardiovaskulären Protektion ähnlich ab", so Prof. Mancia. Der Effekt auf die Gesamtmortalität war in der Metaanalyse vergleichbar. Keine der Studien untersuchte spezifisch Hypertoniker, räumte Prof. Mancia ein.

Doch in der grössten Studie ONTARGET2, die in die Metaanalyse einging, wiesen fast 70 % der Patienten eine Hypertonie auf. Auch in dieser Studie gab es in keinem Endpunkt einen signifikanten Unterschied zugunsten des ARB oder des ACE-Hemmers.

Nierenschutz durch Sartane

Die Studien zum Nierenschutz fallen heterogen aus: Was die nicht diabetische Nierenerkrankung und die diabetische Nephropathie bei Typ-1-Diabetikern betrifft, gibt es nur Daten für ACE-Hemmer, während ein protektiver Effekt bei diabetischer Nephropathie nur für ARB belegt ist. Dennoch dürfe man extrapolieren, dass die Substanzgruppen in Bezug auf ihren nephroprotektiven Effekt vergleichbar sind, unterstrich Prof. Mancia. Auf jeden Fall reduzieren beide die Proteinurie gleichermassen.

Die klinische Bedeutung der unterschiedlichen Wirkmechanismen – der Bradykinin-Effekt der ACE-Hemmer, die AT2-Rezeptor-Stimulation und der Plasma-Renin-Anstieg bei den ARB – sei noch völlig unklar. Eindeutig für die ARB spricht laut Prof. Mancia die bessere Verträglichkeit. Laut einer Datenbasis aus der Lombardei von neu diagnostizierten Hypertonikern, die eine antihypertensive Monotherapie begannen, lag die Abbruchrate im ersten Jahr unter ARB signifikant geringer als unter ACE-Hemmern.

Angiotensin-Rezeptor-Blocker besser verträglich

Die Unterschiede der Wirkmechanismen sind durchaus klinisch bedeutsam, entgegnete Professor Dr. Frank Ruschitzka von der Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Zürich: "Mehr Bradykinin bedeutet mehr NO; und das bieten nur ACE-Hemmer." Da ARB nur den AT1- Rezeptor blockieren, bindet das bei AT1-Blockade hochregulierte Angiotensin-2 an andere AT-Rezeptoren. Es gibt Hinweise darauf, dass diese auch ungünstige Effekte vermitteln.

Möglicherweise erkläre dies die Ergebnisse eines Valsartan-basierten Regimes im Vergleich zu einem Amlodipin-basierten in der VALUE3-Studie: Es ergab sich kein Unterschied im kombinierten primären Endpunkt (erstes kardiales Ereignis), aber in der ARB-Gruppe traten mehr Myokardinfarkte auf. Eventuell liege dies daran, dass die Stimulation des AT2-Rezeptors Plaquerupturen begünstigt, mutmasste der Experte.

Mortalität nur durch ACE-Hemmer gesenkt

In anderen Studien wurde Ähnliches beobachtet. In PRoFESS4 z.B. konnte Telmisartan das Schlaganfallrezidivrisiko nicht senken, anders als Perindopril/Indapamid in PROGRESS5, so Prof. Ruschitzka weiter. Er erinnerte daran, dass sich bei ONTARGET in der Ramipril-Gruppe weniger Myokardinfarkte ereigneten als in der Sartan-Gruppe. Der Unterschied war zwar nicht signifikant, gewinne aber vor dem Hintergrund, dass der Blutdruckeffekt von Ramipril etwas schwächer ausfiel, doch an Bedeutung.

Eine Senkung der Gesamtmortalität fand sich in Studien nur für ACE-Hemmer. Auch die angeblich bessere Verträglichkeit sei kein Pluspunkt, den ARB für sich in Anspruch nehmen könnten: Die Patienten husten zwar seltener, erleiden aber häufiger eine hypotone Reaktion mit der ersten Dosis und häufiger eine renale Verschlechterung, so die Erfahrung des Schweizer Kollegen. "Es ist wohl an der Zeit, die Rolle der ARB in der Hypertonietherapie zu überdenken", schloss Prof. Ruschitzka.

Quellen:1. Gianpaolo Reboldi et al., J Hypertens 2008; 26: 1282-1289
2. Ongoing Telmisartan Alone and in Combination with Ramipril Global Endpoint Trial
3. Valsartan Antihypertensive Long-term Use Evaluation
4. Prevention Regimen for Effectively Avoiding Second Strokes
5. Perindopril Protection