Schmerztherapie im Alter: Wo hakt es?
Mehr Körperfett und Wasser, weniger Muskeln, reduzierte Magensäuresekretion, schlechtere Resorption aus dem Darm, dazu ein sinkendes Herzzeitvolumen, Funktionseinschränkungen der Nieren und bei mangelernährten Senioren Verschiebungen im Albuminspiegel mit verringerter Proteinbindungskapazität – all diese Veränderungen beeinflussen bei alten Menschen die Pharmakokinetik von Schmerzmitteln.
Die Wirkung der Medikamente wird verstärkt und auch verlängert, es besteht die Gefahr von Kumulation und vermehrten Nebenwirkungen, schreibt Privatdozent Dr. Stefan Wirz, CURA Katholisches Krankenhaus im Siebengebirge, Bad Honnef.
Therapie allein mit Koanalgetika beginnen
Der Stufenplan der WHO beginnt auf Stufe I mit Nichtopioiden wie NSAR. Gerade die sind aber gehäuft mit gastrointestinalen oder renalen Nebenwirkungen behaftet, ältere Patienten gelten als besonders gefährdet. PPI als Komedikation schützen zwar den Magen, verringern aber nicht das Blutungsrisiko in Duodenum und Kolon.
COX-2-Hemmer haben bekanntermassen ein geringeres gastrointestinales Risiko, dafür drohen unter ihnen vermehrt Komplikationen an den Gefässen von Herz und Hirn. Die Substanzgruppe verbietet sich daher bei kardiovaskulären Risikopatienten, die in der Geriatrie eher die Regel als die Ausnahme bilden.
Paracetamol und Metamizol lassen Magen und Darm unbehelligt, doch zu hohe Dosen Paracetamol können die Leber schwer schädigen, ausserdem erhöht das Medikament ebenfalls das kardiovaskuläre Risiko. Für Metamizol braucht es bei Leber- oder Niereninsuffizienz eine strenge Indikationsstellung. Unter Überwachung der Laborparameter inklusive regelmässiger Blutbildkontrollen (Agranulozytose?) ist der Einsatz aber vertretbar. Zusammengefasst lässt sich die Stufe I bei Älteren nur bedingt anwenden, urteilt Dr. Wirz.
Viele schwach wirksame Opioide der Stufe II müssen im Körper erst in ihre wirksamen Metaboliten überführt werden, was im Alter nicht immer ausreichend gelingt. Daraus ergibt sich bei Senioren oft eine abgeschwächte Wirkung. Ausserdem sind in vielen Fällen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu befürchten oder Dosisanpassungen bei Leberinsuffizienz erforderlich, was den Einsatz der Stufe-II-Präparate bei geriatrischen Patienten ebenfalls schwierig machen kann.
Opioide mit kürzerer Halbwertszeit bevorzugen
Dagegen zeigten einige Studien an älteren Patienten, dass der frühe Einsatz stark wirksamer Opioide der Stufe III die Analgesie bei vorsichtigem Management der Nebenwirkungen deutlich bessert. Dr. Wirz rät, die Einstiegsdosis auf die Hälfte oder sogar auf ein Drittel der sonst üblichen zu reduzieren, um dann langsam aufzutitrieren (start low, go slow). Da das Dosis-Wirkungs-Verhalten von Opioiden bei Älteren schlechter berechenbar ist als bei Jungen, eignen sich solche mit kürzerer Halbwertszeit generell besser.
Bei stärksten Schmerzen bzw. starken oder nur schwer behandelbaren Nebenwirkungen einer systemischen Therapie sollte man an die Möglichkeit minimal-invasiver Verfahren wie Peridural-/Spinalkatheter oder Ganglionblockaden denken.
Für die Praxis schlägt Dr. Wirz folgendes Procedere vor: Primär kann ein alleiniger Behandlungsversuch mit Koanalgetika – Antidepressiva, Antiepileptika, Bisphosphonate, Kortikosteroide – lohnen. Bei unzureichender Wirkung sollte man sich zwischen stark wirksamen Opioiden und minimal-invasiven Verfahren entscheiden. Die Effektivität dieser beiden Therapieformen muss rechtzeitig geprüft und evtl. angepasst werden.
Quelle: Stefan Wirz, Schmerzmedizin 2014; 1: 8-10