Medical Tribune
14. Juni 2014

Nach jeder Untersuchung Stethoskop desinfizieren!

Eine aktuelle prospektive Studie beschäftigte sich mit der Kontamination von Stethoskopen. Darin führten drei Ärzte bei 71 Patienten eine standardisierte körperliche Untersuchung durch, bei der sie jeweils ein steriles Stethoskop benutzten. Vor jeder Untersuchung unterzogen sich die Kollegen zweimal einer gründlichen Händehygiene entsprechend den WHO-Kriterien oder sie trugen sterile Handschuhe.

„Hörgerät“ stärker kontaminiert als Hand

Am Ende jeder Untersuchung wurde mithilfe von mikrobiologischen Verfahren untersucht, wie viele Bakterien sich auf verschiedenen Regionen der dominanten Hand des Arztes (Fingerspitzen, Daumenballen, Kleinfingerballen, Handrücken) tummelten. Ausserdem prüften die Forscher das Vorkommen von Keimen auf dem Stethoskop (Membran und Schlauch).

Es stellte sich heraus, dass die Stethoskopmembran stärker bakteriell kontaminiert war als die dominante Hand des Arztes – mit Ausnahme der Fingerspitzen. Auf dem Stethoskopschlauch fanden die Mikrobiologen z.B. mehr Bakterien als auf dem Handrücken des Untersuchers, schreiben Dr. Yves Longtin von der Medizinischen Fakultät der Universitätsklinik Genf und Kollegen.1

Wurden nur methicillinresistente S.-aureus-Stämme (MRSA) berücksichtigt, fielen die Ergebnisse ähnlich aus: Die MRSA-Kontamination war an den Fingerspitzen am stärksten. Aber: An der Membran gab es mehr Keime als am Daumenballen des Arztes.

Selbst die Krawatte ist nicht ohne Risiko

Je mehr Bakterien auf den Fingerspitzen nachgewiesen werden konnten, umso stärker erwies sich auch die Stethoskopmembran als kontaminiert. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Membran bereits nach einer einzigen Patientenuntersuchung eine erhebliche bakterielle Besiedlung aufweist. Deswegen sollte das Stethoskop nach jedem Patientenkontakt systematisch desinfiziert werden.

Viele Patienten (und manche Ärzte) mögen weisse Kittel, weil sie professionell aussehen und weil man gleich erkennt, wer der Doktor ist. Bis jetzt gibt es keine Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen der Berufskleidung von medizinischem Personal und Infektionen herstellen, berichten Dr. Gonzalo Bearman von der Virginia Commonwealth University, Richmond, und Kollegen.2

Nach Angaben der Society for Healthcare Epidemiology of America (SHEA) konnte jedoch in vielen Untersuchungen gezeigt werden, dass weisse Kittel, Uniformen und Krawatten oft mit kritischen Keimen kolonisiert sind. So wurden auf der Kleidung von medizinischem Personal unter anderem Staphylococcus aureus, MRSA und Vancomycin-resistente Enterokokken nachgewiesen.

Mit kurzen Ärmeln mehr Hygiene

Es ist durchaus vorstellbar, dass ein besiedelter Arztmantel, der bei einer Untersuchung den Verband eines Patienten streift, zu einer Infek­tion führen kann. Bisher gibt es zwar keine starke Evidenz, doch hat die SHEA eine freiwillige Leitlinie für Gesundheitsberufe herausgegeben, um die potenzielle Transmission über Berufskleidung zu verhindern. Sie empfiehlt unter anderem folgende Massnahmen:

  • Verzicht auf Langarm-Oberteile, Armbanduhren und Armbänder („bare below the elbow“).
  • Weisse Arztkittel vor jedem Patientenkontakt ablegen oder täglich waschen.
  • Stethoskope und andere Gegenstände, die mit Patienten in Berührung kommen, nach jedem Patientenkontakt reinigen.
  • Rutschfeste Schuhe tragen, die zumindest im Vorfussbereich geschlossen sind.
  • Tägliches Waschen aller Kleidungsstücke, die potenziell mit Patienten in Berührung gekommen sind, nach den Grundsätzen der Bakterien-Elimination.

SHEA-Präsident Dr. Dan Diekema betont, dass mit diesen Empfehlungen weisse Arztkittel keineswegs „verboten“ würden. Doch sollten Ärzte wissen, dass von ihrer Kleidung ein Infektionsrisiko ausgehen kann, und sich bei Patientenkontakten entsprechend verhalten.3

Wenn Patienten wüssten, dass die so professionell wirkenden Kittel eine potenzielle Infektionsquelle darstellen, würden sie ihren Doktor bestimmt lieber in einem „bare below the elbow“-Outfit sehen. 

Quelle: 1.Yves Longtin et al., Mayo Clin Proc. 2014; 89: 291-299; 2. Gonzalo Bearman et al., Infect Control Hosp Epidemiol 2014; 35:107-121, 3. JAMA 2014; 311: 786-787