Medical Tribune
18. Juli 2013Genese der erektilen Dysfunktion

Aktuelle Therapie der erektilen Dysfunktion

Wichtige Hinweise auf die Genese der erektilen Dysfunktion liefert oft schon die Anamnese, in die, wenn möglich, auch der Sexualpartner einbezogen werden sollte: Kräftige Morgen- oder Nachterektionen oder solche bei sexuellen Gedanken und eine kurze Dauer der erektilen Dysfunktion (bzw. ein intermittierender Verlauf) sprechen eher für eine psychische Ursache. Allmählicher Beginn, fortschreitende Störung und lange Krankheitsdauer weisen auf ein organisches Problem hin, schreiben Dr. Rany Shamloul von der Universität Ottawa und sein Kollege.

Sodann gilt es, nach Begleiterkrankungen und Lebensstilfaktoren zu forschen, die eine erektile Dysfunktion begünstigen (s. Kasten). Wegen des häufigen Zusammentreffens von KHK und erektiler Dysfunktion ist jeder Betroffene als potenziell herzkrank anzusehen. Ein EKG gehört deshalb zur Standarddiagnostik, Auffälligkeiten sollten weiter abgeklärt werden.

Wichtig ist zudem die Frage nach Medikamenten, beispielsweise können Antihypertensiva (Diuretika, Betablocker), aber auch Antidepressiva und Neuroleptika zur erektilen Dysfunktion beitragen.

Heilung durch tägliche Potenztablette?

Eine Untersuchung von Penis und Skrotum sowie die rektale Palpation sind:

Risikofaktoren für die erektile Dysfunktion

  • Alter
  • schlechte physische und psychische Gesundheit
  • Lebensstilfaktoren (Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen, Alkohol­abusus, Drogengebrauch
  • Diabetes mellitus
  • Hypertonie
  • Dyslipidämie Hpogonadismus
  • Medikamente (Antihypertensiva, Antidepressiva, Antiandrogene)
  • neurogene Schäden (radikale Prostatektomie, Parkinson, Multiple Sklerose)
  • Hormonelle Störungen (Testosteronmangel, Hyperprolaktinämie)

selbstverständlich und bieten nebenbei die Gelegenheit, Männer bezüglich ihrer "Ausstattung" zu beruhigen. Zum Basislabor gehören Nüchternblutzucker, Gesamttestosteron und Lipidprofil, bei niedrigem freiem oder Gesamttestosteron auch LH und Prolaktin.

Psychische (Mit-)Ursachen der ED bedürfen einer psychosexuellen Therapie, so die Autoren. Ansonsten gelten heute PDE-5-Hemmer als Mittel der Wahl, sie erreichen Ansprechraten von mindestens 65 %, der Erfolg lässt sich allerdings erst nach mindestens viermaliger Anwendung beurteilen. Verschiedene Studien haben ergeben, dass der tägliche Gebrauch eines PDE-5-Hemmers die endotheliale Dysfunktion signifikant bessern kann und damit das Potenzial zur "Heilung" der ED hat.

Diese Strategie erleichtert eine natürliche Sexualität und kann auch Patienten helfen, die auf die Bedarfsmedikation nicht angesprochen haben. Tadalafil (5 mg) ist bisher als einzige Substanz für den täglichen Gebrauch zugelassen und eignet sich in dieser Dosierung auch zu Therapie des benignen Prostatasyndroms.

Kein PDE-5-Hemmer unter Nitrattherapie

PDE-5-Hemmer gelten im allgemeinen als gut verträglich, Nebenwirkungen sind meist nur leicht ausgeprägt, am häufigsten beobachtet man Kopfschmerzen mit nachfolgendem Flush. Tadalafil kann Myalgien auslösen und vor allem unter Sildenafil ist ein nachlassendes Hörvermögen nicht ausgeschlossen. Die Autoren empfehlen ggf. die verschiedenen Präparate auszutesten, um das für den individuellen Patienten effektivste und verträglichste herauszufinden.

PDE-5-Hemmer erhöhen weder das Risiko für Herzinfarkt oder Tod, noch verschlechtern sie die Hämodynamik bei Patienten mit KHK oder Herzinsuffizienz. Sie sind jedoch kontraindiziert unter der Einnahme von Nitraten (Gefahr schwerer Hypotonien) sowie bei Patienten mit schweren kardiovaskulären Erkrankungen (instabile Angina, unkontrollierter Hypertonus).

Hoher Alkoholgenuss als Liebestöter?

Vorsicht ist unter einer antihypertensiven Therapie mit Alphablockern geboten (Kalziumantagonisten werden gut toleriert). Von Vardenafil wird bei gleichzeitiger Therapie mit Antiarrhythmika der Klasse 1-A (Chinidin, Procainamid) oder Klasse 3 (Sotalol, Amiodaron) sowie bei verlängerter QT-Zeit abgeraten.

Die Gabe von Testosteron kann bei Männern mit reduzierter Serumkonzentration an bioverfügbarem Hormon sinnvoll sein. Älteren Männern mit niedrigem Hormonspiegel, die auf einen PDE-5-Hemmer allein nicht angesprochen haben, kann eventuell die Kombination mit Testo­steron helfen.

Vakuumpumpe, Injektionen, Penisprothese ...

Intrakavernöse Injektionen, transurethrale Therapien und Vakuumpumpen kommen z. B. für Patienten nach radikaler Prostatektomie oder Rückenmarksverletzungen infrage, wenn eine orale Therapie versagt. Als Ultima Ratio ist die Implantation einer Penisprothese möglich.

In jedem Fall helfen auch Modifikationen des Lebensstils wie Rauchstopp und Reduktion von Übergewicht. Diese Massnahmen allein wirken sich aber erst nach frühestens zwei Jahren positiv aus, in Kombination mit PDE-5-Hemmern machen sich günstige Effekte schon nach drei Monaten bemerkbar. Unklar ist, ob hoher Alkoholkonsum tatsächlich einen Effekt auf die erektile Dysfunktion hat und daher reduziert werden sollte.

Genspritze für die Potenz?

Der Penis bietet ideale Voraussetzungen für eine Gentherapie, meinen die Autoren: Er ist leicht zu erreichen und besitzt eine homogene Parenchymstruktur. Genmaterial lässt sich hier bequem aufbringen und kann sich leicht ausbreiten. Eine erfolgreiche Pilotstudie an 14 Männern spricht für die Machbarkeit der Gentherapie. Wirklich beurteilen lässt sich der Effekt allerdings erst in grösseren kontrollierten Studien.

Quelle: Rany Shamloul, Hussein Ghanem, Lancet 2013; 381: 153-165