Mundtrockenheit – Was tun?
Wenn Patienten über Mundtrockenheit klagen, gilt es zunächst einmal die Ursache zu finden. Je nachdem reicht das Therapiespektrum vom künstlichen Speichel bis zur B-Zell-Therapie. Was wann greift, erläuterte ein Experte beim HNO-Update.
Häufigster Auslöser der Xerostomie sind Medikamente, vor allem solche mit anticholinerger Wirkkomponente. Auch Bestrahlungen im Kopf-Hals-Bereich kommen als Ursache infrage, ebenso rheumatische Erkrankungen, allen voran das Sjögren-Syndrom. Und Infektionen mit Hepatitis C oder HIV können ebenfalls ein Sicca-Syndrom auslösen, ausserdem verringert die übliche Behandlung der chronischen Hepatitis C mit Ribavirin und pegyliertem Interferon die Sekretionsleistung der Speicheldrüsen, berichtete Professor Dr. Heinrich Iro von der Hals-Nasen-Ohren-Klinik am Universitätsklinikum Erlangen.
Sjögren-Verdacht: Parotis statt Lippe biopsieren
Oft lässt auch das Alter den Speichelfluss versiegen. Einer aktuellen dänischen Studie zufolge leidet ein knappes Viertel der über 75-jährigen Frauen unter Mundtrockenheit, Männer sind seltener betroffen. Die Diagnose des Sjögren-Syndroms erfolgt anhand von Sonographie und Biopsie.
Die Gewebeprobe sollte aus der Ohrspeicheldrüse gewonnen werden und nicht, wie immer noch empfohlen, aus der Lippe, riet Prof. Iro beim 6. HNO-Update-Seminar. Möglicherweise genügt zum Sjögren-Nachweis künftig sogar eine einfache Hautbiopsie oder ein Antikörpertest im Speichel.
Primärer Sjörgen: Autoantiköper mindern Sekretionsleistung!
Pathogenetisch spielen B-Zellen beim primären Sjögren die entscheidende Rolle. Die von dieser Zellpopulation produzierten Autoantikörper gegen Muskarin-3-Rezeptoren sorgen offenbar dafür, dass diese "Andockstellen" ins Innere der Speicheldrüsenzelle verlagert werden und die Sekretionsleistung nachlässt.
Therapeutisch steht die Lokaltherapie z.B. mit Speichelersatzstoffen wie Carboxymethylcellulose (Carmellose) an erster Stelle. Falls dies nicht genügt, kommt eine orale Behandlung mit Pilocarpin infrage, die allerdings von vielen Patienten nicht vertragen wird. Alternativ setzt man N-Acetylcystein ein.
Rituximab verhindert Progression bei Sjörgen
Extraglanduläre Sjögren-Manifestationen, etwa an Lunge, Gelenken und Nieren, erfordern eine systemische Therapie zum Beispiel mit Glukokortikoiden oder Immunsuppressiva. Unter den Biologika ist Rituximab beim Sjögren am besten erprobt. Frühzeitig eingesetzt, kann der Anti-CD20-Antikörper die Progression aufhalten, während sich TNF-alpha-Blocker bei dieser Indikation nicht als wirksam erwiesen haben, so Prof. Iro.
Neben einer suffizienten Therapie benötigen Sjögren-Patienten eine lebenslange Nachsorge, denn sie tragen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung extranodaler MALT-Lymphome, die sich vor allem in der Parotis manifestieren. Neben sonographischen Kontrollen (auch extraglandulär) empfiehlt Prof. Iro, regelmässig Blutbild, Komplement (C3, C4) und Kryoglobuline zu untersuchen. Letztere weisen, ebenso wie ein erhöhter Komplementverbrauch, auf ein erhöhtes Lymphomrisiko hin.
Monoklonale Gammopathie: vermehrt Neoplasien
Die Immunelektrophorese kann eine monoklonale Gammopathie aufdecken, die mit einer schlechteren Prognose und einem deutlich erhöhten Risiko für hämatologische Neoplasien einhergeht. Die monoklonale Gammopathie findet sich auch vermehrt beim Hepatitis-C-Patienten mit Sicca-Syndrom, wobei IgM dominiert.
Während man bei Sjögren-, Hepatitis- und Alters-Xerostomie vor allem auf Therapie setzt, ist bei einer weiteren häufigen Ursache für Mundtrockenheit, der Bestrahlung von Kopf-Hals-Tumoren, die Prävention gefragt. Und der technische Fortschritt, z.B. in Form der intensitätsmodulierten Radiotherapie (IMRT), hat die Möglichkeiten hierzu deutlich erweitert.
Radiatio: Nicht mehr als 26 Gy auf die Parotis
Damit sich die Speichelproduktion wieder erholt, sollte die Strahlendosis über mindestens einer der beiden Parotiden auf ≤ 26 Gy reduziert werden, empfahl Prof. Iro. Eine Alternative, falls eine Absenkung der Strahlendosis nicht möglich ist, bietet die operative Verlagerung einer oder beider Submandibulärdrüsen in die Regio submentalis. Dieser Eingriff lässt sich anlässlich einer Neckdissektion ohne grossen Aufwand realisieren. In einer Studie hatten 92 % der so geschützten Patienten nach zwei Jahren keine oder höchstens eine leichte Xerostomie.
Quelle: 6. HNO-Update-Seminar, Mainz