Telefonische Beratung – Darmperforation verkannt
Einen Tag nach der Polypektomie klagt die 60-Jährige über Bauchschmerzen und Fieber. Der Ehemann ruft den Gastroenterologen an und bekommt den Rat, seiner Frau Paracetamol zu geben.
Damit ist es leider nicht getan. Bei einer Vorsorgekoloskopie entdeckten Kollegen bei der 60-jährigen in Sigma und Rektum vier kleine Polypen. Nach der Polypektomie hatte die Frau trotz Schmerz- und Fiebersenker weiter Bauchschmerzen und Fieber. Einen Tag später stellte der Hausarzt ein akutes Abdomen fest.
Eitrige Peritonitis nach Vorsorgekoloskopie
In der Klinik diagnostizierte man eine Perforation, bei der notfallmässigen Laparotomie fand sich ein gangränöser Durchbruch des Sigmas mit eitriger Peritonitis. Es erfolgte die Resektion des perforierten Abschnitts mit primärer termino-terminaler Descendo-Rektostomie. Der postoperative Verlauf war komplikationslos, die Patientin konnte zehn Tage später entlassen werden.
Der Fall gelangte vor die Schlichtungsstelle, die Frau beklagte eine fehlerhafte Koloskopie bzw. Polypektomie und bezeichnete zudem den telefonischen Rat des Arztes bezüglich des fiebersenkenden Mittels als unverantwortlich. Der Gastroenterologe schilderte die Spiegelung und Polypenabtragung (drei mittels Zange, einen mit der Elektroschlinge) als unproblematisch, im Telefongespräch mit dem Ehemann habe er nur vom Fieber, nicht aber von den Bauchschmerzen erfahren.
Darmperforation verspätet erkannt
In dem Gutachten kam man zu dem Schluss, dass die Perforation nach Polypektomie eine typische und auch bei grösster Sorgfalt nicht immer zu vermeidende Komplikation sei. Und bei Anwendung von Hochfrequenzdiathermiestrom kann der Darm auch mit Verzögerung durchbrechen.
Klassische Symptome im Intervall sind Fieber, Bauchschmerzen und ansteigende Entzündungsparameter. Der Gastroenterologe hätte daher nach der Information "Fieber" sofort eine Wiedervorstellung oder Krankenhauseinweisung veranlassen müssen. Die telefonische Anordnung eines Fiebersenkers entspreche nicht dem medizinischen Standard.
Patienten direkt nach Symptomen befragen!
Ob allerdings die komplette Sigmaperforation durch eine Antibotikatherapie hätte verhindert werden können, sei nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ein kausaler Zusammenhang zwischen der fehlerhaften Verhaltensweise des Arztes und der notwendigen Sanierungsoperation bestehe daher nicht.
Auch die Schlichtungsstelle attestierte kein fehlerhaftes Vorgehen bei der Polypektomie – im weiteren Verlauf aber schon. So hätte der Gastroenterologe ergänzende Fragen stellen müssen, korrekterweise an die Patientin selbst. Vermutlich wären daraufhin die Schmerzen und ihr Charakter beschrieben worden und die Einweisung hätte sich nicht verzögert.
Am operativen Verlauf hätte aber eine zeitgerechte Diagnostik nichts geändert. Ein Eingriff wäre der Frau auch einen Tag früher nicht erspart worden. Fehlerbedingt ist es zu vermeidbaren Schmerzen über zwei Tage bis zur notfallmässigen Operation gekommen, so das Fazit der Schlichter.
Gezielt fragen, immer genau dokumentieren
Rechtsanwalt Johann Neu von der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern warnt im niedersächsischen Ärzteblatt vor Informationsverlusten bei telefonischer Beratung. Dies droht vor allem, wenn der Patient nicht selbst spricht. Angehörige können nicht wissen, welche Details medizinisch relevant sind. Der Jurist gibt daher folgende Tipps für ein Telefongespräch:
- unbedingt mit dem Patienten selbst sprechen
- gezielte Fragen stellen
- nicht darauf bauen, dass der Patient von sich aus alle relevanten Dinge erzählt
- das Telefongespräch unbedingt ausführlich dokumentieren (Inhalt, Datum, Uhrzeit, Dauer)
Quelle: Johann Neu, niedersächsisches Ärzteblatt 2012; 85: 33-34