Multiresistenz jetzt auch bei Darmkeimen
Resistente Darmkeime werden sich ausbreiten, prophezeien Experten. "Wir befinden uns in einer Antibiotika- Krise", formulierte es Professor Dr. Gerd Fätkenheuer von der Klinik für Innere Medizin der Universität Köln beim 6. Allgemeinmedizin-Update-Seminar.
Die Devise lautet nach wie vor: Sorgsam mit Antibiotika umgehen!
In den letzten Jahrzehnten sind nur wenige neue Substanzen entwickelt worden. Gab es in den USA zwischen 1983 und 1987 noch 16 Neuzulassungen auf diesem Gebiet, so ist diese Rate in den vergangenen fünf Jahren auf zwei geschrumpft. Dies macht die Empfehlung, sorgsam mit Antibiotika umzugehen, brandaktuell: Wir müssen im Kampf gegen Infektionen auch ältere Substanzen nutzen, erklärte der Infektiologe. Grund zur besonderen Besorgnis gibt das "Treiben" gramnegativer Krankheitserreger.
Am wichtigsten sind klinisch:
- Resistenzen gegen Chinolone
- ESBL-Bildner (Extended spectrum Betalactamase-) und
- Carbapenemase-Bildner
In Deutschland beobachtet man immer häufiger Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Bakterien. Klinisch problematisch ist dabei die zunehmende Zahl von E. coli und Klebsiellen, die auf Drittgenerations-Cephalosporine nicht mehr reagieren. "Besonders gefürchtet sind ESBL-bildende Klebsiellen", so Prof. Fätkenheuer. Infektionen mit diesen Keimen gehen mit einer hohen Mortalität einher.
Operations-Touristen verbreiten Resistenzen
Wie kommt man diesen Bakterien überhaupt noch bei? Hier haben wir derzeit eigentlich nur Carbapenem, sagte der Experte. Nun fürchtet man, dass manche Enterobakterien mittels NDM-1-Carbapenemase auch diese letzte Substanz schachmatt setzen. Solche Erreger hat man in Neu-Delhi bereits in Umweltproben nachgewiesen – "und diese Keime bleiben nicht in Indien hängen". Sie wurden zum Beispiel auch in Grossbritannien entdeckt.
Carbapenem-Resistenz bald ein weltweites Problem?
Oft handelte es sich bei den Betroffenen um Patienten, die nach Indien gereist waren, um sich dort Operationen zu Dumping-Preisen zu unterziehen. Die Carbapenem-Resistenz wird über Plasmide weitergegeben: Fachleute schreiben ihr ein weltweites Ausbreitungspotenzial zu. Das hätte für die Schlagkraft von Carbapenem gegen schwere Infektionen verheerende Folgen.
Auf keinen Fall sollte man die alten Antibiotika ganz abschreiben, unterstrich der Referent. Bei den indischen und britischen Patienten mit Carbapenem-resistenten Erregern war zum Beispiel neben Tigecyclin auch Colistin wirksam.
Neue Kombinationen können bei Carbapenem-Resistenz helfen!
Spanische Autoren fanden in einer neuen Studie1 an 277 Patienten mit Blutstrominfektion durch ESBL-Bildner eine weitere Alternative. Sie verglichen Carbapenem mit zwei Kombinationen, nämlich Amoxicillin plus Clavulansäure sowie Piperacillin plus Tazobactam. Die Kombinationen aus einem Betalaktam und einem Betalaktamase-Hemmer erzielten hinsichtlich der Mortalität und der Klinikverweildauer ebenso gute Therapieerfolge wie Carbapenem.
Damit haben wir zumindest für die empirische Therapie eine Alternative bei der Behandlung der ESBL-Blutstrominfektion, so Prof. Fätkenheuer. Alles in allem sei aber eine globale Allianz zur Antibiotika-Entwicklung nötig, um der drohenden Gefahr unbehandelbarer Infektionen zu begegnen.