Medical Tribune
19. Jan. 2016

Vergiftet durch Tollkirschenextrakt

Verwirrt, mit hochrotem Kopf und tachykard stellte sich die Frau in der Notfallambulanz der Uniklinik in Oxford vor. Der Ehemann berichtete, dass sie am Abend wegen ihrer Einschlafstörung 7,5 mg Zopiclon eingenommen hatte, ohne Erfolg. Dann sei sie im Haus unterwegs gewesen und er habe sie später kichernd und – wie er dachte – betrunken gefunden und so brachte er sie zunächst wieder ins Bett.

Ursachen für anticholinerge Symptome
  • Atropinwirkung, z.B. aus Tollkirsche, Stechapfel oder atropinhaltigen Medikamenten
  • trizyklische Antidepressiva
  • Neuroleptika, wie Phenothiazin
  • Sympathomimetika, wie Methamphetamin, Cocain
  • ASS
  • Serotonin-Syndrom
  • malignes neuroleptisches Syndrom

In der Nacht aber erwachte sie erneut und fiel aus dem Bett. Jetzt schien sie zunehmend verwirrt. Ihr Mann machte sich ernsthaft Sorgen und brachte sie in die Klinik. Sie war schweissig und beidseits sahen die Untersucher weite, nur langsam auf Licht reagierende Pupillen. Aufgrund der starken Agitation entschloss man sich zur Sedierung und Intubation. Nur so war eine CT-Untersuchung möglich, die jedoch keine Auffälligkeiten ergab.

Auf der Intensivstation wurde die Frau dann weiter mit Propofol und Fentanyl sediert und erhielt intravenös Flüssigkeit. Innerhalb der nächsten sechs Stunden sank der Puls und am Morgen konnte die Patientin extubiert werden. Jetzt berichtete sie, dass sie als Kräuterkundige eine Flasche mit Atropa-Belladonna-Extrakt zu Hause habe. Aus der habe sie einen kräftigen Schluck genommen. Genauere Nachforschungen ergaben, dass es sich dabei um etwa 50 ml gehandelt hatte, die ca. 15 mg Atropin enthielten.

Diese Menge war ausreichend für eine schwere Vergiftung mit zerebralen Symptomen. Neben der Blockierung des Parasympathikus wurden bei dieser Art von Intoxikation auch Rhabdomyolysen, Pankreatitiden sowie die Ausbildung subduraler Hämatome beschrieben. Das war bei der Frau aber glücklicherweise nicht der Fall. Sie erholte sich vollständig und es blieben keine Folgeschäden zurück.

Quelle: A. Chadwick et al., BMJ 2015, doi:10.1136/bcr-2015-209333