Medical Tribune
13. Feb. 2013Der kardioembolische Schlaganfall

Grosser Feldzug gegen Hirnembolien

Nach einem kardioembolischen Schlaganfall bleiben bis zu 70 % aller Patienten langfristig schwerbehindert oder sterben. Die grosse Blutung, die wir so sehr fürchten, richtet im Vergleich viel weniger Schaden an, etwa 8 %" der "Major-Bleed-Patienten" versterben, betonte Privatdozent Dr. Christoph Hammerstingl vom Universitätsklinikum Bonn.
Nur gut ein Drittel aller Patienten mit Vorhofflimmern, die von oraler Antikoagulation profitieren würden, bekommen sie tatsächlich. Alles in allem wurde  in der Vergangenheit die orale Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten zu selten eingesetzt. Gerade bei älteren Patienten mit evtl. erhöhtem Sturzrisiko entscheiden sich Kollegen oft dagegen. Dabei wird laut Dr. Hammerstingl auch das Katastrophen-Potential eines Sturzes überschätzt.

Skandinavische Autoren prüften den Nettobenefit (vermiedene Schlaganfälle vs. provozierte Blutungsereignisse) in einem Kollektiv von mehr als 180 000 Personen, die wegen Vorhofflimmern in der Notaufnahme gelandet waren1. Fast alle Patienten der Warfarin-Gruppe – auch solche mit erhöhten Blutungsrisiko – profitierten gegenüber den Nicht-Antikoagulierten, so das Resultat nach 1,5 Jahren Beobachtungszeit.

Nur der hypothetische Patient mit CHA2DS2-VASc-Score von 1, aber sehr hohem Blutungsrisiko (HASBLED-Score von 3) sollte keine Antikoagulantien erhalten, "aber solche sehen wir im klinischen Alltag kaum". Statistischen Daten zufolge müsste ein älterer Mensch 20mal am Tag stürzen, um sich eine intrakranielle Blutung einzuhandeln, so der Referent. Man müsse also gute Argumente dafür haben, wenn man einem Patienten den Zerebral-Schutz vorenthält, verdeutlichte der Experte.

Schon lange wünschte man sich Substanzen, die besser zu handhaben sind als Vitamin K-Antagonisten, weniger mit Medikamenten und Nahrungsmitteln interagieren, eine höhrere therapeutische Breite haben, fix zu dosieren und einfach anzuwenden sind. Diese Substanzen – neue orale Antikoagulantien (NOAKs) – stehen heute zur Verfügung.

"Zur Zeit reden wir bezüglich der Schlaganfallprophylaxe bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern über den direkten Thrombininhibitor Dabigatran und die Faktor Xa-Inhibitoren Rivaroxaban und Apixaban", so der Referent.

Computer Tomographie das eine Ischämischen Schlaganfall zeigt
iStock/sittithat tangwitthayaphum

Dabigatran senkt die Gesamtsterblichkeit

Dabigatran wurde in der RELY-Studie auf seinen Benefit bei Vorhofflimmern in zwei Dosierungen getestet. Unter 2 x 150 mg sah man eine bessere Schlaganfallverhütung (gegenüber Warfarin) sowie eine tendenzielle Senkung der Gesamtmortaliät. Die 110 mg-Dosierung (zweimal täglich) erwies sich als äquieffektiv bei vermindertem Blutungsrisiko. Das Herzinfarktgefahr ist nicht signifikant erhöht, unterstrich der Experte, die stattgehabte Diskussion zu diesem Thema solle keinesfalls dazu führen, dass man KHK-Patienten den Schlaganfallschutz verwehrt.

Rivaroxaban wird überwiegend in der Leber verstoffwechselt

Rivaroxaban, die überwiegend hepatisch eliminierte und bei VHF einzige einmal täglich zu dosierende Substanz (fixe Dosis 20 mg) wurde zusätzlich in einer kleineren Dosis (15 mg) für Niereninsuffiziente (Kreatininclearance 30 – 49 ml/min) getestet. In Rocket-AF erwies sie sich gegenüber Warfarin ebenbürtig: Die Rate ischämischer Ereignisse wurde ebenso gut reduziert, die Rate hämorrhagischer Insulte sogar deutlicher als unter Warfarin.

Apixaban vermindert Schlaganfälle und Blutungen

Auch für Apixaban wurde in der ARISTOTLE-Studie neben der Standarddosis (5 mg zweimal täglich) eine reduzierte Dosis (2,5 mg zweimal täglich) untersucht. Letztere erhielten Patienten, die zwei der drei folgenden Kriterien aufwiesen: Alter > 80 Jahre, < 60 kg Körpergewicht, Kreatinin > 1,5 mg/dl. Schlaganfälle und Blutungen wurden (gegenüber Warfarin) signifikant gesenkt, ebenso die Gesamtmortalität. Man ist also auf bestem Weg zum idealen orale Antikoagulans.

Offene Fragen betreffen z.B. ältere Patienten mit Compliance-Problemen, die morgens nicht mehr wissen, ob sie abends die Tablette genommen haben. Denn ausgefallene NOAK-Dosen ziehen evtl. riskanten Wirkverlust nach sich.

Welches NOAK gebe ich?

Und dann die Qual der Wahl. Direkte Vergleichsstudien zwischen den NOAKs fehlen. Ein wichtiges Thema heisst zudem: Blutungskomplikationen. "Wir reden ja über lebenslange Therapien: Was, wenn ein Patient operiert werden muss? Wie steht das mit Komedikationen (z.B. Plättchenhemmer bei KHK-Patienten)?"

Als ersten "Schuss vor den Bug" bezeichnete Dr. Hammerstingl Berichte aus Japan über letale Blutungen unter Dabigatran, was sich aber bei näherem Hinsehen mit einem falschen Einsatz der Substanz erklärte – nämlich bei Patienten mit relevanter Niereninsuffizienz. Per Rote Hand Brief informierte der Hersteller nachdrücklich über die Kontraindikation bei Kreatininclearance < 30 ml/min.

Gibt es Möglichkeiten zum Gerinnungs-Monitoring?

Mittlerweile wünschen sich viele Kollegen doch auch Möglichkeiten zum Monitoring. Bei Dabigatran ginge das mit einem einfachen Gerinnungstest (aPPT): "Wenn der normal ausfällt ist eine Überantikoagulation mit Dabigatran quasi ausgeschlossen. Was Faktor Xa Inhibitoren angeht, könnte man theoretisch die Faktor Xa-Aktivität heranziehen. Wenn keine schwere Blutung, muss man aber nicht monitoren, so der Experte: "Man setzt ab, wartet ein paar Tage bis die Blutungsneigung vorbei ist und behandelt dann weiter." Insgesamt seien Blutungsnotfälle unter NOAKs extrem selten.

Quelle : Cardio-Refresher 2013 von Weiter- und Fortbildungsakadamie der DGK (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V.

  1. Leif Friberg et al. Circulation 2012, online first