Medical Tribune
30. Mai 2015

Neue Hände nach Plexusschaden

Freier Muskel- und Sehnentransfer, Arthro- und Tenodese plus korrigierende Osteotomien – all das kann nach einer komplexen Plexusläsion viele Funktionen des Armes wiederherstellen, aber für die Hand stehen die Chancen schlecht. Das liegt unter anderem daran, dass die Distanz für Axone zu gross ist, um sich rechtzeitg zu regenerieren, bevor Muskelatrophie und Gelenksteife auftreten.

Professor Dr. Oskar 
Aszmann vom Christian Doppler Labor für Wiederherstellung von Extremitätenfunktionen der Medizinischen Universität Wien und Kollegen erklären: Eine homologe Handtransplanta­tion kommt für diese Patienten auch nicht in Betracht, weil den Muskeln und Nerven der verletzten Extremität die Kraft fehlt, das Transplantat zu bewegen.

Neurone regenerieren zu langsam

Die Wiener Kollegen haben nun bei drei Patienten eine bionische Rekonstruktion vorgenommen. Je nach Befund erhielten die Probanden zunächst einen freien Muskel- bzw. Nerventransfer, um ausreichende elektromyographische Signale für eine spätere Prothese zu erzielen. Dann erfolgte ein kognitives Training: Die Betroffenen lernten mit einer virtuellen Hand an einem Monitor zu agieren und übten im Anschluss mit einer “Hybridhand”.

Schliesslich folgte die Amputation der eigenen Hand und frühestens sechs Wochen später die Versorgung mit einer mechatronischen Prothese. Das vorausgegangene Training erleichterte den Patienten den Umgang mit der Prothese erheblich und nach drei Monaten hatten sich bei allen dreien die Scores zur Handbeweglichkeit eindrucksvoll gebessert.

Mechatronische Prothese ersetzt Hand

Für Patienten mit globalen Plexusverletzungen, für die es keine weiteren rekonstruktiven Möglichkeiten mehr gibt, könnte diese bionische Rekonstruktion somit eine wichtige Therapieoption darstellen. Professor Dr. Simon Kay vom Department of Plastic Reconstructive and Hand Surgery in Leeds und Kollege geben aber zu bedenken, dass für eine abschliessende Beurteilung Langzeitergebnisse erforderlich sind. Man sollte beobachten, unter welchen Umständen und wie lange die Patienten ihre Prothese im Alltag nutzen. Ausserdem sinkt erfahrungsgemäss bei allen Prothesen mit der Zeit die Compliance.

Quellen: Oskar C. Aszmann et al., Lancet 2015; online first; DOI: 10.1016/S0140-6736(14)61776-1
Simon Kay et al., a.a.O.; DOI: 10.1016/S0140-6736(14)61989-9