Medical Tribune
24. Aug. 2024Globaler Einsatz gegen die Chagas-Krankheit

Chagas-Krankheit: Übertragung von Mutter zu Kind verhindern

Hierzulande wird die Chagas-Krankheit meist während der Schwangerschaft von der infizierten Mutter auf das Kind übertragen. Sowohl weltweit als auch in der Schweiz gibt es Initiativen, die kongenitale Übertragung zu bekämpfen.

Chagas-Krankheit
Science Photo Library/Stammers, Sinclair

Im Rahmen des Basler Sommersymposiums Gynäkologie sprach Mar Velarde vom Swiss Tropical and Public Health Institute über die neuesten Ansätze zur Prävention der Chagas-Krankheit und die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung.

Übertragung der Chagas-Krankheit

Die Chagas-Krankheit ist eine Zoonose, verursacht durch den Parasiten Trypanosoma cruzi, und betrifft weltweit etwa sieben Millionen Menschen, vor allem in Lateinamerika. Die Krankheit überträgt sich hauptsächlich durch den Biss von Raubwanzen (Triatominae).

In nichtendemischen Gebieten wie Europa, Japan, Kanada und Nordamerika ist die kongenitale Infektion während der Schwangerschaft, vorherrschend. Andere Übertragungswege umfassen Bluttransfusion, Organtransplantation, orale Übertragung oder Laborunfälle.

Antiparasitäre Therapie über 60 Tage

Nach der akuten Phase folgt bei der Chagas-Krankheit typischerweise eine Latenzphase, in der die Infektion über Jahrzehnte hinweg asymp­tomatisch bleiben kann. In der chronischen Phase entwickelt schliesslich rund ein Drittel der Infizierten schwerwiegende Komplikationen wie Arrhythmien, Kardiomyopathie sowie Megaösophagus oder Megakolon. Bei immunsupprimierten Personen kann sich die Erkrankung durch Hämoparasiten, Kardiomyopathie oder Meningoenzephalitits reaktivieren.

In der chronischen Phase sind zwei unterschiedliche serologische Tests zur Diagnose erforderlich. Schnelltests können zum Screening verwendet werden, müssen jedoch durch Bestätigungstests ergänzt werden.

Es stehen mit Benznidazol (5 mg/kg/d, max. 300 mg/d) und Nifurtimox (8–10 mg/kg/d) zwei antiparasitäre Medikamente zur Verfügung. Beide erfordern eine 60-tägige Behandlung. Während der Schwangerschaft und Stillzeit ist eine antiparasitäre Behandlung nicht empfohlen. Die Risiken der verfügbaren Medikamente sind am Fötus unbekannt und das Risiko von Nebenwirkungen bei Erwachsenen als moderat bis hoch einzustufen.

Die meisten infizierten Babys sind bei der Geburt asymptomatisch

Eine Therapie ist bei frühen Infektionen am effektivsten. Die Heilungsraten liegen bei über 90 Prozent bei Säuglingen, die vor dem ersten Lebensjahr behandelt werden. «Mit einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung kann man Morbidität und Mortalität praktisch auf null reduzieren», betonte Mar Velarde.

Die meisten infizierten Babys sind bei der Geburt asymptomatisch, haben jedoch ohne Behandlung ein hohes Risiko, langfristig Komplikationen zu entwickeln.

Etwa 28 Prozent der betroffenen Kinder zeigen milde bis schwere klinische Manifestationen, darunter

  • Hepatosplenomegalie,
  • niedriges Geburtsgewicht,
  • Frühgeburt,
  • niedriger Apgar-Score,
  • Anämie,
  • Thrombozytopenie und
  • Gelbsucht.

Schwere Komplikationen wie Meningoenzephalitis und Pneumonitis sind selten, aber möglich (1).

Globale und Schweizer Initiativen zur Bekämpfung

Um die kongenitale Übertragung weltweit zu bekämpfen, empfiehlt die WHO seit 2019 das Screening aller Frauen im gebärfähigen Alter, die aus endemischen Regionen stammen.

Im Jahr 2020 wurde auf der World Health Assembly ein Fahrplan, die «neglected tropical disease»(NTD)-Roadmap)» zur Bekämpfung von vernachlässigten Tropenkrankheiten verabschiedet. Ziel ist die Eliminierung der kongenitalen Übertragung der Chagas-Krankheit bis 2030 (2,3).

1979 wurde der erste Fall von Chagas-Krankheit in der Schweiz dia­gnostiziert. Zu den ersten erreichten Meilensteinen zählt die Einführung von Schwangerentests in den Universitätskliniken Genf (HUG) und Lausanne (CHUV) in den Jahren 2008 und 2011.

Empfehlungen in Arbeit

2023 gründete Swiss TPH das Swiss Network for Chagas Disease, kurz «CH-agas». Seit 2024 arbeitet dieses gemeinsam mit der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) an einem Expertenbrief über das Screening, die Prävention und die Behandlung von Chagas, der sich aktuell im Entwurf befindet.

Die Empfehlungen zielen darauf ab, sowohl schwangere als auch nichtschwangere Frauen im gebärfähigen Alter zu screenen und bei positivem Befund eine medizinische Überwachung und Behandlung einzuleiten. «Nach der Implementierung dieser Empfehlungen wird die Schweiz besser in der Lage sein, die WHO-Ziele für die Chagas-Krankheit bis 2030 zu erreichen», erklärte die Expertin abschliessend.

In der Schweiz leben etwa 20.000 Frauen mit einem Risiko für die Chagas-Krankheit

Laut einer Schätzung des Bundesamts für Statistik (FOS) leben aktuell etwa 20.000 Frauen im gebärfähigen Alter in der Schweiz, die aufgrund ihrer Herkunft aus einem der 21 betroffenen lateinamerikanischen Länder ein Risiko für die Chagas-Krankheit haben – hauptsächlich in den Kantonen Genf, Waadt, Bern und Zürich.