Medical Tribune
25. März 2024Radikale Schamhaarentfernung fördert rezidivierende Harnwegsinfekte bei Frauen

Immer wieder Blasenentzündungen? Schamhaare dran lassen!

Ziehen Frauen einen glatten Intimbereich vor, könnten sie häufiger von wiederkehrenden Harnwegsinfekten betroffen sein. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie. Die Autoren argumentieren, dass Schamhaar eine wichtige Nische für nützliche Bakterien sein könnte, die Frauen vor Infektionen des Schambereichs schützen sollen.

Frauen, die sich gerne im Intimbereich glattrasieren oder -waxen leiden häufiger unter wiederkehrenden Harnwegsinfekten.
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Frauen, die sich gerne im Intimbereich glattrasieren oder -waxen leiden häufiger unter wiederkehrenden Harnwegsinfekten.

Die auf einer Online-Befragung basierende Studie im Journal Scientific reports untersuchte das Rasurverhalten und die Häufigkeit von Harnwegsinfekten (HWI) bei 2.409 Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren.

Frauen, die mindestens einmal in der Woche ihr gesamtes Schamhaar entfernten, waren darin dreimal so häufig von rezidivierenden Infektionen der Harnwege betroffen als Geschlechtsgenossinnen, die weniger radikal vorgingen.

Jede zweite Frau leidet zumindest einmal unter einem HWI

Harnwegsinfekte (HWI) gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt. Besonders oft sind es junge Frauen, die darunter leiden. Im Schnitt hat jede zweite Frau im Laufe ihres Lebens einmal einen Harnwegsinfekt. Viele leiden unter rezidivierenden HWI, die sich dadurch äussern, dass die Infekte dreimal oder häufiger pro Jahr auftreten.

Meist werden HWI durch das Bakterium Escherichia coli verursacht. Seltener sind andere Bakterien oder Pilze die Ursache.

Neben der Tatsache, dass HWI schmerzhaft und unangenehm sein können, benötigen Betroffene mit rezidivierenden HWI immer wieder eine Behandlung mit Antibiotika. Das stellt eine wichtige Ursache für das Auftreten von Antibiotikaresistenzen dar.

Wie wichtig sind Schamhaare bei der Infektabwehr?

Ob Schamhaare gut und schlecht gegen Infektionen im Intimbereich sind, ist seit den 1970er Jahren eine Debatte unter Wissenschaftlern. Bis dato belief sich die Thematik in Bezug auf die Haare im Intimbereich aber nur auf anekdotische Beobachtungen.

Um der Frage systematisch nachzugehen, untersuchten polnische Wissenschaftler 2.409 Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren. Sie füllten anonym einen Online-Fragebogen zur «Weiblichen Intimgesundheit und Wellness» aus.

Darin sollten sie Fragen zu ihrem Alter und ihrer medizinischen Vorgeschichte ausfüllen (z.B. Alter beim ersten HWI, Schwangerschaften, Operationen im Intimbereich, Diabetes), aber auch Fragen zu sexuellen Praktiken beantworten (z.B. Gebrauch von Spermiziden, neue Sexpartner, Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs). Fragen zur Intimfrisur zielten darauf ab, zu beantworten, wie häufig die Teilnehmerinnen ihr Schamhaar trimmten und wie viel davon sie üblicherweise entfernten.

Dreimal höheres Risiko für rezidivierende HWI

Insgesamt 67 Prozent der Frauen fielen für die Forscher in die Kategorie "extreme" Intimfrisörinnen. Sie entfernten mindestens einmal pro Woche ihr gesamtes Schamhaar. Dabei zeigte sich: Frauen, die ihr Schamhaar häufig und vollständig entfernten, erhielten zwar während des 12-monatigen Befragungszeitraumes nicht häufiger die Diagnose eines HWI (OR = 1,17; 95%-KI: 0,90–1,52).

Diejenigen Teilnehmerinnen, die sich in den letzten 12 Monaten extrem gepflegt hatten, hatten jedoch ein dreimal höheres Risiko für wiederkehrende HWI (OR = 3,09, 95% CI = 1,35-7,06). Dieses Ergebnis blieb ausserdem gleich, wenn die Autoren Alter, Vorgeschichte von Harnwegsinfektionen und Sexualpraktiken berücksichtigten.

Nische für Lactobazillen, Produktion antimikrobieller Substanzen

Für die Autoren deuten die Ergebnisse darauf hin, dass extreme Schamhaarpflege bei Frauen im gebärfähigen Alter mit rezidivierenden HWIs in Verbindung steht. In ihrer Arbeit schlagen sie vor, dass Schamhaare für die Erhaltung der urogenitalen Gesundheit von Frauen von Vorteil sein könnten. Die vorliegenden Ergebnisse deuten für sie darauf hin, dass Frauen mit ihrem Schamhaar auch einen Schutz gegen rezidivierende HWI verlieren. Frühere Untersuchungen konnten bereits zeigen, dass weibliches Schamhaar von unterschiedlichen Lactobacillus-Stämme kolonisiert ist, die möglicherweise die Besiedelung anderer Mikroorganismen unterdrücken können.

Daneben könnten die Schamhaare auch selbst Substanzen, etwa antimikrobielle Peptide, produzieren, die Bakterien und Pilze abtöten können.

Ähnliches konnte man bereits für die männliche Gesichtsbehaarung zeigen. So haben glattrasierte Männer beispielsweise eine höhere Anzahl von Bakterien in ihrer Gesichtsflora, und etwas häufiger potenziell pathogene Stapylococcus aureus-Stämme auf der Haut. Ausserdem haben Männer mit Bärten häufiger nützliche Bakterien im Gesicht, die das Wachstum von E. coli und S. aureus-Bakterien unterdrücken können.