Medical Tribune
11. Feb. 2024Wenn der Darm leckt

Die vielen Ursachen der Proteinverlust-Entero­pathie

Patienten mit Proteinverlust-Entero­pathie zeigen in der Regel Symptome wie Hypoproteinämie und Ödeme, während bei Kindern auch Wachstumsstörungen auftreten können. Dabei gibt es viele verschiedene Ursachen für den Verlust von Proteinen über den Darm, was die Diagnose oft schwierig macht.

Hinter einer Proteinverlust-Entero­pathie können viele Ursachen stecken.
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Bei der Proteinverlust-Enteropathie mangelt es im Blut hauptsächlich an Albumin und Globulinen.

Die Proteinverlust-Entero­pathie kann durch zwei Mechanismen verursacht werden: Entweder ist die intestinale Mukosa geschädigt oder der gastrointestinale Lymphabfluss gestört. Je nach Art des Defekts gibt es verschiedene zugrunde liegende Erkrankungen, wie ein türkisch-US-amerikanisches Autorenteam in einer Übersichtsarbeit erklärt (1).

Erosive Mukosadefekte sind für den Proteinverlust bei vielen Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts verantwortlich (siehe Kasten). Das Gleiche gilt für den Proteinverlust, der im Zusammenhang mit Sarkoidose, Graft-versus-Host-Erkrankung, Kaposi-Sarkom bei AIDS-Patienten und bei Organtransplantationen auftritt.

Wann mit Protein­verlusten zu rechnen ist

Bei den folgenden gastrointestinalen Erkrankungen kommt es durch erosive
Mukosadefekte zu Proteinverlusten über den Darm:

  • chronisch-entzündliche Darm­erkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn)
  • pseudomembranöse Colitis, Darminfektionen
  • peptische Ulzera, erosive Gastritis, Zollinger-Ellison-Syndrom
  • gastrointestinale Karzinome
  • gastrointestinale Amyloidose

Zu viel Gewebsflüssigkeit erhöht Proteinverlust weiter

Entzündungen, Infektionen, allergische Reaktionen oder genetische Ursachen können vor allem nichterosive Mukosadefekte verursachen. In diesen Fällen ist nicht nur die Durchlässigkeit der Schleimhaut erhöht, sondern auch die Zunahme der interstitiellen Flüssigkeit verstärkt den Proteinverlust. Beispiele für Erkrankungen mit diesem Mechanismus sind das Sjögren-Syndrom, Purpura Schönlein-Henoch, Pemphigus vulgaris, systemischer Lupus erythematodes, verschiedene Nahrungsmittelallergien, eosinophile Gastritis und Zöliakie.

Ein gestörter lymphatischer Rückfluss kann ebenfalls zu Proteinverlusten führen. Durch den Rückstau der Lymphe erweitern sich die Lymphgefässe, was bis zu ihrem Bruch führen kann. Bei einer intestinalen Lymphangiektasie treten Proteine, Lipide und Lymphozyten über das zentrale Lymphgefäss der Darmzotten in das Darmlumen aus. Es gibt viele Gründe für die Dilatation der intestinalen Lymphgefässe.

Proteinverlust-Entero­pathie: Eine Ausschlussdiagnose

Bei primären Störungen liegt der Defekt im Lymphsystem selbst. Zahlreiche genetische Veränderungen führen zu unterschiedlichen Fehlbildungen der Lymphgefässe, die wiederum zu Proteinverlust führen können. Beispiele dafür sind die tuberöse Sklerose, die Lymphangioleiomyomatose und das Hennekam-Syndrom. Forscher haben kürzlich eine primäre intestinale Lymphangiektasie namens Morbus CHAPLE definiert, bei der das Fehlen des CD55-Proteins unter anderem zu Schäden an den Lymphgefässen führt.

Zu den sekundären Ursachen für eine intestinale Lymphangiektasie gehören äussere Blockaden wie Tumore oder Beeinträchtigungen des Lymphflusses durch kardiovaskuläre Erkrankungen. Auch Infektionen können gelegentlich zu einer intestinalen Lymphangiektasie führen, wie zum Beispiel bei Morbus Whipple oder opportunistischen Darminfektionen bei AIDS-Patienten. Manchmal führen auch Thrombosen zu Lymphangiektasie und Proteinverlust, und umgekehrt begünstigt eine Proteinverlust-Entero­pathie die Entstehung von Thrombosen.

Die Proteinverlust-Entero­pathie ist eine Ausschlussdiagnose, bei der zunächst andere Ursachen für eine Hypoproteinämie wie Leber- oder Nierenerkrankungen ausgeschlossen werden müssen. Ein Hinweis auf einen enteralen Proteinverlust ist das Vorhandensein von Alpha-1-Antitrypsin im Stuhl, da dieses Glykoprotein weder in den Darm abgegeben noch von dort aufgenommen wird. Zur Ursachensuche können bildgebende Verfahren wie MRT und CT, Endoskopie und Biopsien eingesetzt werden. In Einzelfällen können auch eine Lymphangiografie oder eine Gen-Diagnostik hilfreich sein.

Die Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung und die Kontrolle des Proteinverlusts stehen im Mittelpunkt des Managements einer enteralen Proteinverlust-Entero­pathie. Dabei geht es vor allem um den Ausgleich von Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Nährstoffhaushalt. Bei Ödemen können Kompressionsstrümpfe und Hautpflege hilfreich sein.

Albumin-Gabe ist nur von kurzfristigem Nutzen

Um den Proteinverlust zu reduzieren, werden verschiedene Medikamente wie Octreotid, Glukokortikoide oder Sirolimus eingesetzt, jedoch sind die Effekte widersprüchlich. Albumin-Transfusionen sind nur von kurzfristigem Nutzen und müssen individuell abgewogen werden, genauso wie die Gabe von Immunglobulinen.

Eine Ernährung mit einem hohen Anteil an Proteinen (> 2 g Protein pro kg Körpergewicht/Tag) und wenig Fett (< 25 g Fett/Tag, hauptsächlich mittelkettige und kurzkettige Triglyceride) könnte wahrscheinlich wirksam sein, schreiben die Autoren. Sie hoffen, dass aufgrund der Erkenntnisse aus der Molekularforschung neue spezifische Therapien für die Proteinverlust-Entero­pathie entwickelt werden können.