PPI: Welche Risiken birgt die Dauertherapie?
Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten weltweit. In Deutschland sind sie teilweise rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Auf die Nebenwirkungen einer Dauermedikation ging Dr. Sebastian Haag auf dem Kongress für Viszeralmedizin 2012* ein – bis vor Kurzem war der Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie als Oberarzt an der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie am Universitätsklinikum Essen tätig, inzwischen forscht er im Sektor Immunologie.
Atemwegsinfekt als Magenleiden behandelt?
Als unerwünschte Effekte einer PPI-Therapie treten am häufigsten Kopfschmerzen, Durchfall und Übelkeit auf; das ist seit Langem bekannt. Fragen gibt es vielmehr zu Infekten, Elektrolytverschiebungen und Verminderung der Knochendichte, die den PPI bei Dauertherapie oft angelastet werden. So erscheint eine Förderung von Pneumonien pathophysiologisch zunächst plausibel. Denn durch PPI kommt es zur Hypochlorhydrie und die desinfizierende Wirkung der Magensäure fehlt. Damit könnten refluxbedingt Keime in die Atemwege geraten.
In mehreren Studien zu diesem Thema fand sich aber keine Assoziation zwischen Langzeit-PPI-Einnahme und Lungenentzündungen. Vielmehr wiesen die Resultate einer weiteren Untersuchung sogar darauf hin, dass das Pneumonierisiko umso höher war, je "kürzer die Säurehemmung" erfolgte. Ähnliche Ergebnisse gab es auch im Zusammenhang mit H2-Rezeptorantagonisten. Dr. Haag wertet diese Resultate nicht als echte kausale inverse Assoziation, sondern eher als sogenannten protopathischen Bias: Der Infekt der oberen Atemwege kündige sich möglicherweise mit unspezifischen Beschwerden an, die als Magenprobleme fehlgedeutet und behandelt werden.
Im Hinblick auf gastrointestinale Infekte zeigte sich in zwei Metaanalysen ein um 74 bis 94 % erhöhtes Risiko für Clostridium-difficile-Infektionen. Die Gefahr für andere Magen-Darm-Infekte war unter PPI mit einer OR von 2,55 ebenfalls erhöht. Allerdings waren die Studien dem Referenten zufolge so heterogen, dass es trotz des moderat gesteigerten Risikos keine Evidenz gibt, das klinische Vorgehen zu ändern.
Bei Diuretika-Therapie Mg-Spiegel kontrollieren
Ob die Behandlung mit PPI die Spiegel für Vitamin B12 oder Kalzium beeinflusst, bleibt den verfügbaren Daten zufolge unklar. Die Studienergebnisse fallen hier teils sehr widersprüchlich aus. Für Eisen steht hingegen fest: PPI beeinflussen die Spiegel langfristig nicht. Einzig eine Hypomagnesiämie scheint auf den Säurehemmer zurückführbar, wobei der Pathomechanismus nicht bekannt ist.
Der Mangel an diesem Spurenelement tritt im Schnitt nach einer mehr als fünfjährigen PPI-Behandlung auf. Allerdings basieren die Daten auf nur 36 Fallberichten, gab der Referent zu bedenken. Damit bleibt die klinische Konsequenz letztlich unklar. Bei gleichzeitiger Therapie mit Diuretika und/oder Digoxin sollte man jedoch ggf. den Magnesiumspiegel kontrollieren.
Kein Zusammenhang zur Osteoporose-Entstehung erkennbar
Überprüft wurde auch, inwieweit eine PPI-Dauertherapie die Knochendichte und die Frakturgefährdung beeinflusst. Zwei Studien zeigten: Das Risiko für Oberschenkelhalsfrakturen war leicht erhöht (OR 1,30 bzw. 1,35). Auch wurden schwache Assoziationen zwischen PPI und Hüft- sowie Wirbelkörperfrakturen gefunden (OR 1,29–1,50).
Mit der Osteoporose konnte man die PPI-Einnahme aber nicht in Verbindung bringen. Die Untersuchungen wiesen methodische Schwächen auf oder es handelte sich um Metaanalysen mit "heterogenem Patientengut". In solchen Fällen ist eine OR unter 2 kaum bedeutsam, urteilte Dr. Haag. Bei gegebener Indikation besteht nach diesen Ergebnissen kein Grund, die PPI abzusetzen, um die Knochenstabilität zu erhalten.
* 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten