Hormonstörungen vom inhalativen Kortikoid
Verbesserte Rezepturen und Inhalationshilfen machen die Behandlung von Asthma & Co. mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) immer effektiver: Lokale Nebenwirkungen in Mundhöhle und Rachen sind seltener geworden und die wirkstoffbeladenen Trägerpartikel erreichen jetzt auch die kleinen Lungenäste. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die Kortisonabkömmlinge jetzt verstärkt über die Alveolen in die Blutbahn gelangen und das Endokrinium stören können.Insbesondere Kinder reagieren empfindlich.

ACTH-Stresstest deckt die Insuffizienz auf
In der Praxis wird dieser Umstand noch zu wenig berücksichtigt, warnt die pädiatrische Endokrinologin Dr. Elka Jacobson-Dickman vom Maimonides Medical Center in New York. Das US-amerikanische Drugs and Therapeutics Committee der Pediatric Endocrine Society stellte deshalb unter Federführung von Dr. Jacobson-Dickman die wichtigsten Nebenwirkungen zusammen.
Eine Insuffizienz der Nebennierenrinde kommt zwar selten vor, ist aber die gefährlichste aller systemischen ICS-Nebenwirkungen, warnen die Endokrinologen. Sie tritt – wie die anderen unerwünschten Effekte der inhalativen Steroide – am ehesten unter hohen Dosierungen auf, manchmal aber auch schon bei "unverdächtigen" Verordnungen. Besonders Kinder, die wegen einer allergischen Rhinitis zusätzlich nasale Kortikoide nehmen oder einen niedrigen Body-Mass-Index aufweisen, sind gefährdet.
Klinisch imponieren dann Symptome wie Hypoglykämie, Gewichtsverlust, Wachstumshemmung oder das Cushing-Syndrom – hier ist die rasche Überweisung zum Endokrinologen angesagt. Symptomatische Patienten müssen mit Kortikoiden substituiert werden. Tückisch sind auch die (zunächst) asymptomatischen Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHN-Achse).
Verzögertes Wachstum wird meistens wieder aufgeholt
Mit einem regelmässigen ACTH-Stresstest lässt sich Kindern unter hohen Dosen und/oder mit Risikofaktoren Schlimmeres ersparen. Kortisolwerte von weniger als 18 µg/dl nach Stimulation weisen auf eine Nebennierenrindeninsuffizienz hin.
Eine Wachstumshemmung mit einer zweifachen Standardabweichung nach unten rund ein Jahr nach Therapiebeginn spricht für eine ICS-abhängige Nebenwirkung. Zusätzliche wachstumshemmende Medikamente fördern das Risiko. Doch können Sie die Eltern (auch prophylaktisch) beruhigen: Meist sind die Wachstumsverzögerungen nicht gravierend und nur vorübergehend. Nach Dosisreduktion oder Absetzen der Kortikoide holen die Kinder die fehlenden Zentimeter bis ins Erwachsenenalter wieder auf.
Hohe ICS-Dosen fördern Hyperglykämien. Aufpassen müssen Sie vor allem bei Kindern mit Übergewicht, Zeichen einer Insulinresistenz oder familiärer Disposition und natürlich bei bereits manifestem Diabetes mellitus. Bei Warnzeichen wie Polyurie und Polydipsie ist ein sofortiger Diabetes-Test fällig. Kinder mit HbA1c-Werten von 6,0 % oder höher und/oder einem Nüchternglukosewert über 100 mg/dl muss der Diabetologe sehen. Hat der kleine Patient bereits einen Diabetes, sollte spätestens bei jeder ICS-Dosisänderung die Blutglukose gecheckt und bei Verschlechterungen die antidiabetische Behandlung angepasst werden.
Eine Reduktion der Knochendichte unter ICS kommt sehr selten vor. Empfehlungen für eine ausreichende Vitamin-D- und Kalziumzufuhr reichen aus. Lediglich Kinder mit zusätzlicher oraler Kortikoid-Einnahme, Mangelernährung oder chronischer Erkrankung benötigen bei diesem Punkt eine erhöhte Aufmerksamkeit.
Quelle: Chirag R. Kapadi et al., JAMA Pediatr 2015; online first