Medical Tribune
16. Apr. 2024Rückstau strapaziert die Haut

Stauungsdermatitis ganzheitlich angehen

Bei Schmerzen, Juckreiz und Entzündungen an den Unterschenkeln kann es sich um eine eine Stauungsdermatitis im Zusammenhang mit chronischer venöser Insuffizienz handeln. Die Diagnose ist jedoch nicht immer eindeutig, und die Behandlung erfordert ein ganzheitliches Vorgehen, wie eine aktuelle Übersichtsarbeit in BMJ zusammenfasst.

Nahaufnahme Fuss mit entzündete Areale mit nässenden Stellen, ­Bläschen und Krusten aufgrund Stauungsdermatitis.
Andrew/stock.adobe.com
Die Stauungsdermatitis ist häufig eine Blick­diagnose. Typisch sind entzündete Areale mit nässenden Stellen, ­Bläschen und Krusten.

Bei der chronischen venösen Insuffizienz (CVI) führen der erhöhte Druck im venösen System und defekte Venen­klappen zu einem Blutrückfluss in die oberflächlichen Venen. Die Stauungsdermatitis an den Unterschenkeln entsteht aufgrund einer chronischen Entzündung durch die venöse Hypertonie.

Linderung durch Laufen und Hochlegen der Beine

Im akuten Stadium zeigt sich die Stauungsdermatitis zuerst durch entzündete Hautareale mit nässenden Stellen, Bläschen und Krusten. Pusteln und infizierte Krusten deuten dabei auf eine bakterielle Superinfektion hin.

Hyperpigmentierung, Hautschuppung und Dermatoliposklerose (dunklere, verhärtete Haut) sind hingegen Anzeichen für ein chronisches Stadium der Hauterkrankung. Patienten leiden dann unter geschwollenen und schweren Beinen.

Bewegung und das Hochlegen der Beine lindern dabei die Beschwerden im Gegensatz zur peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK), bei der die Schmerzen dadurch verschlimmert werden.

Im Anamnesegespräch können Triggerfaktoren Hinweise liefern. Mögliche Auslöser sind

  • tiefe Venenthrombosen,
  • Traumata,
  • Cellulitis,
  • Hautinfektionen,
  • Hitze,
  • stehende Tätigkeiten und
  • Immobilität.

Auch auf Symptome der chronischen venösen Insuffizienz wie chronische Ödeme, Varikosis, Ulzerationen, Atrophie blanche und Acroangiodermatitis ist zu achten. Diese können ebenfalls auf eine Stauungsdermatitis hinweisen.

Risikofaktoren für chronische venöse Insuffizienz sind

  • ein Alter über 60 Jahre,
  • familiäre Veranlagung,
  • erhöhter BMI,
  • stehende Tätigkeit,
  • Traumata der unteren Extremität,
  • frühere Venenthrombosen,
  • postthrombotisches Syndrom und
  • Schwangerschaft.

Differenzialdiagnostisch kommen folgende Erkrankungen infrage:

  • Cellulitis (Erysipel, Phlegmone)
  • Kontaktdermatitis
  • asteatotisches Ekzem (Austrocknungsekzem)
  • Lichen simplex chronicus
  • Psoriasis
  • Tinea corporis
  • aktinische Keratosen
  • Hautkrebs (seltener)

Häufig handelt es sich bei der Stauungsdermatitis um eine Blickdia­gnose. Gelegentlich kann eine Hautbiopsie zur Abklärung notwendig sein, insbesondere wenn Hautkrebs nicht ausgeschlossen werden kann.

Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, falls eine PAVK nicht ausgeschlossen ist. In dem Fall könnten Wundheilungs­störungen auftreten. Ein erster Hinweis auf eine PAVK wären fehlende Fuss­pulse.

Zur Dokumentation von Schweregrad und Verlauf der Stauungsdermatitis wird der revised venous clinical severity score (VCSS) empfohlen. Damit lassen sich zehn Kriterien erfassen (z.B. Varizen, Ulcera, Ödeme) und eine Einteilung in drei Kategorien (mild, moderat, schwer) vornehmen.

Topische Kortikoide nur unter engmaschiger Überwachung anwenden

Eine effektive Behandlungsstrategie zielt auf die Verbesserung der chronischen venösen Insuffizienz und die Hautpflege ab. Ausserdem gilt es, Hautverletzungen und Ulzerationen zu vermeiden, und die Patienten aufzuklären, dass auch kleine Verletzungen ärztlich kontrolliert werden müssen. Als mögliche Komplikationen können etwa eine Kontakt­dermatitis (auch iatrogen), Super­infektion und Auto­sensibilisierung auftreten.

Die Hautpflege mittels milden Emollienzien und ohne Zusatzstoffe wirkt dabei gegen Trockenheit und Juckreiz, schreiben die Autoren. Sie raten zum täglichen Waschen der Hautareale mit einem seifenlosen flüssigen Reinigungsmittel, um sie von Schuppen, Bakterien und Krus­ten zu befreien. Auch feuchte Umschläge können helfen. Topische Kortikosteroide sollten hingegen nur unter engmaschiger Überwachung verwendet werden.

Vor Kompressionstherapie potenzielle PAVK ausschliessen

Insbesondere immobile Patienten mit CVI profitieren sehr davon, ihre Beine hochzulagern – am besten drei- bis viermal pro Tag für 30 Minuten. Körperliche Bewegung allgemein ist ebenso empfehlenswert wie spezielle Übungen, die die Wadenmuskelpumpe in Gang setzen. Gegebenenfalls ist eine Gewichtsreduktion zur Förderung der Mobilität erforderlich.

Die Kompressionstherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Behandlung und kann in Form von Verbänden, Strümpfen und Zinkleimverbänden erfolgen. Vor Beginn einer Kompressionstherapie sollte eine Gefässuntersuchung durchgeführt werden, um eine PAVK auszuschliessen. In einigen Fällen kann eine Kompressionsklasse III (30–40 mmHg) bei Stauungsdermatitis angemessen sein, sofern der Patient sie verträgt. Eine angemessene Schmerzlinderung erleichtert die Therapie.

Bei bakterieller Superinfektion sind häufig Staphylokokken oder Streptokokken die Auslöser. Lokal begrenzte Infektionen können mit antiseptischen Mitteln behandelt werden, z.B. einer 1%igen Hydrogenperoxid-Creme. Bei schweren Verläufen einer Cellulitis ist eine systemische Antibiotikatherapie erforderlich. Patienten mit persistierender Stauungsdermatitis, Kontaktdermatitis oder rezidivierenden Ulzera sollten von einem Gefässspezialisten untersucht werden.