Medical Tribune
21. Okt. 2023Entzündung, Juckreiz, Schlaf

Atopische Dermatitis stark mit Schlafproblemen assoziiert

Bei der atopischen Dermatitis (AD) können sich kutane sowie systemische Entzündung und neuronale Signalwege gegenseitig hochschaukeln. Mit Juckreiz assoziierte Schlafstörungen tragen ebenfalls zu einer Verstärkung bei. Eine gute AD-Therapie, so die Autoren einer neuen Übersichtsarbeit, verbessert also auch den Schlaf.

Eine atopische Dermatitis führt bei Kindern und Erwachsenen oft zu Schlafproblemen.
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Der Grossteil der Kinder und Erwachsenen mit atopischer Dermatitis leidet unter mehr oder weniger ausgeprägten Schlafproblemen, schreiben englische Autoren in einer neuen Übersichtsarbeit zum Thema AD-Haut und mentale sowie kognitive Probleme (1).

Kinder mit atopischer Dermatitis schlafen auch in Remission schlechter

Je schwerer der Verlauf bzw. je schlechter die Krankheitskontrolle, desto schlimmer meist die Schlafstörungen. Aber auch Kinder, bei denen die atopische Dermatitis in Remission ist, schlafen schlechter als gesunde.

In der frühen Kindheit kann gestörter Schlaf dabei auch die neurokognitive Entwicklung beeinträchtigen. Eine verkürzte Schlafdauer in den ersten drei Lebensjahren ist bei Schulkindern assoziiert mit Hyperaktivität und schlechterem Abschneiden in kognitiven Tests.

Ein gestörter Schlaf kann ausserdem auch zu einer Dysregulation des Immunsystems und entzündlicher Signalwege im ZNS führen: Sympathikus und inflammatorische Biomarker werden in diesem Fall hochreguliert.

Zirkadiane Veränderungen fördern nächtlichen Juckreiz

Die Experten nehmen an, dass nächtlicher Juckreiz und das damit verbundene Kratzen die Hauptursache der Schlafprobleme ist. Dass sich das Jucken nachts verstärkt, erklärt man sich unter anderem durch tageszeitliche Veränderungen. Womöglich steigert die nachts erhöhte periphere Hauttemperatur den transepidermalen Wasserverlust, was das Auftreten von Juckreiz begünstigt. Hormonsekretion und immunologische Aktivität unterliegen ebenfalls zirkadianen Veränderungen.

Bei der Entwicklung von chronischem Pruritus spielen Nervensys­tem und immunologische Signalwege zusammen. Immunzellen und Keratinozyten setzen Pruritogene wie IL-4, IL-13, IL-31, TSLP und Substanz P frei, die an Rezeptoren der C-Fasern binden. TSLP und Substanz P können Juckreiz und Entzündung auch über Eosinophile und Mastzellen stimulieren.

Das vermehrte Vorkommen inflammatorischer Moleküle steigert die Frequenz von Aktionspotenzialen afferenter Nervenfasern. Daraus können neuropathische Veränderungen und anomale sensorische Funktionen entstehen, das heisst dass niedrigschwellige oder sogar nicht pruritogene Stimuli wie Wärme und mechanische Reize einen Juckreiz triggern.

Gute AD-Therapie bessert auch den Schlaf

Juckempfinden hängt allerdings auch von Faktoren wie Aufmerksamkeit, Emotionen und Erwartung ab. Bei Hautgesunden und Patienten mit atopischer Dermatitis lässt sich ein Juckreiz provozieren, indem man eine entsprechende Erwartung suggeriert. Die kognitiv-affektive Ebene kann man sich therapeutisch zunutze machen.

Chronischer Juckreiz wird für den Patienten zum Stressor und mindert die Lebensqualität. Oft folgen Stigmata aufgrund des ständigen Kratzens sowie psychiatrische Komorbiditäten wie Angst und Depression. Die Entzündung begünstigt durch neurotoxische Effekte zusätzlich die Entwicklung psychiatrischer Morbidität.

Strategien gegen den Juckreiz zielen folglich darauf ab, auch den Schlaf zu bessern. Vorrangige Massnahme ist eine gute Kontrolle des Ekzems mit Emollienzien, topischen oder sys­temischen Wirkstoffen. Bei Bedarf können sedierende Anti­histaminika zur Nacht eingesetzt werden. Positive Daten gibt es inzwischen auch für Melatonin. Zusätzlich raten die Experten zu Schlaf­hygiene und verhaltenstherapeutischen Ansätzen um den Juck-Kratz-Zyklus zu durchbrechen.