Medical Tribune
18. Sept. 2023Abklären eines Exanthems bedarf einer gründlichen Anamnese

Wenn Exanthem-Patienten ihre Selbstmedikation verschweigen

Manchmal lässt sich trotz aufwendiger allergologischer Dia­gnostik keine Ursache für ein Exanthem finden. Wie auch, wenn Patienten ihrem Arzt wichtige Informationen vorenthalten?! Das zeigen die Fälle eines 74-jährigen und einer 72-jährigen.

Generalisiertes Arzneimittelexanthem nach Amoxicillinbehandlung.
Drebert1968/wikimedia commons

Ein 74-Jähriger entwickelte –eine Woche nachdem eine kleine Verletzung an seinem Schienbein mit Chlorhexidin und einem Hydrokolloid-Verband versorgt worden war – einen Ausschlag an der Wunde. Zugleich machte ihm ein grippaler Infekt zu schaffen. Wenig später trat ein disseminiertes juckendes Ekzem auf (1).

Da der Patient seit Jahren wegen arterieller Hypertonie, Hyperlipidämie und KHK regelmässig Torasemid, Simvastatin und ASS einnahm – dazu, bei Bedarf, Paracetamol – tippte der Hausarzt auf ein Arzneimittelekzem oder einen streuenden Hautausschlag. Kurzerhand setzte er alle Medikamente ab und überwies seinen Patienten an die Universitätsklinik.

Auch dort ergaben sich anamnestisch keine Hinweise auf die Ursache des Exanthems. Der Mann gab lediglich eine Penicillin­-Allergie unklarer Manifestation in der Jugend an. Die Frage nach anderen Allergien oder der Einnahme weiterer Medikamente verneinte er vehement.

Allergie-Diagnostik kann Auslöser identifizieren

Es folgte eine aufwendige Allergie-Diagnostik, die ein positives Resultat für Kolophonium und Epoxid­harz zeigte, wie sie im Klebstoff für Heftpflaster Verwendung finden. Als Zufallsbefund in einer mitgeführten Arzneimittelreihe ergab sich zudem eine Sensibilisierung für Pseudo­ephedrin.

Erst nach intensivem Nachfragen fiel dem Senior nun ein, gegen seine Erkältung ein freiverkäufliches Medikament mit Pseudo­ephedrin genommen zu haben. Sämtliche Medikamente inklusive des Paracetamols wurden daraufhin wieder eingeführt und ohne Weiteres vertragen.

Paracetamol steckte hinter dem fixen Arzneimittelexanthem

In einem zweiten Fall, von dem Professor Dr. Andreas­ Bircher­ vom Universitätsspital Basel und Kollegen berichten, erschien eine 72-jährige Frau in der Klinik. Sie wollte die rund 50, an Zahl zunehmenden hyperpigmentierten Stellen von einem bis viereinhab Zentimeter Grösse abgeklärt wissen, die seit etwa zwei Jahren bestanden.

Die Maculae brannten zunächst, zurück blieben bräunliche Flecken. Anfangs waren in erster Linie die Unterschenkel betroffen, dann auch Oberschenkel, Körperstamm und Arme. Eine Behandlung mit Methylprednisolon­­aceponat und – weil hinter den Hautveränderungen auch Borrelien hätten stecken können – Tetrazyklin brachte keine Besserung. Aufgrund eines früheren Melanoms kam zudem der Verdacht auf Metastasen auf.

Fragen nach Allergien verneinte die Patientin. Sie berichtete aber, seit gut zwei Jahren elf Medikamente einzunehmen, bei Bedarf noch zwei weitere. Epikutantests mit der erweiterten Standardreihe und Tests mit den Medikamenten der Frau fielen allesamt negativ aus.

Erst eindringliches Nachforschen brachte zutage, dass die Patientin gelegentlich auf ein Paracetamol-haltiges, freiverkäufliches Arzneimittel zurückgriff, das von keinem der sie behandelnden Ärzte dokumentiert war. Ein Provokationstest mit Paracet­amol erzeugte mehrere kutane Herde und bestätigte die Verdachtsdiagnose eines fixen Arzneimittelexanthems. Als alternative Substanzen wurden der Patientin ASS und Diclofenac empfohlen.